Nur Ministerpräsident Sánchez will Gnade für katalanische Separatisten
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Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, fordert die Begnadigung katalanischer Separatisten.
© Quelle: J. Hellín./Pool/EUROPA PRESS/dp
Madrid. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat eine Entscheidung getroffen, die den meisten Spaniern und ziemlich vielen Sozialisten schwer im Magen liegt: Er will die im Gefängnis einsitzenden katalanischen Separatisten begnadigen.
Es handelt sich um neun Männer und Frauen, die wegen ihrer entscheidenden Rolle bei der Organisation des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 zu Haftstrafen zwischen neun und dreizehn Jahren verurteilt worden sind. Sie auf freien Fuß zu setzen, hofft Sánchez, würde Katalonien beruhigen.
„Man muss die Dinge erklären“, sagt dazu José Luis Ábalos, der Organisationssekretär der spanischen Sozialisten. „Aber vor allem muss man sich an die Stelle dessen versetzen, der eine Entscheidung zu treffen hat.“ Das war sein Aufruf an die Genossen, es ihrem Parteichef nicht unnötig schwer zu machen.
Ministerpräsident Sánchez erklärt die Dinge so: Seine Entscheidung sei geleitet von „Verfassungswerten wie der Eintracht, der Verständigung, dem Überwinden einer Krise, welche 2017 die Gesamtheit der spanischen Gesellschaft zerriss. Die Verständigung, die Übereinkunft, das sind die Prinzipien, denen der Ministerpräsident folgt. Rache oder Revanche sind keine Verfassungsprinzipien.“
Das ist eine gefährliche Erklärung, auch wenn sie sich schön anhört. Denn Sánchez sagt damit – und seine Gegner halten es ihm vor –, dass er die Urteile des Obersten Gerichtshofes gegen die führenden Separatisten für Akte der Rache und der Revanche hält. Er stellt damit den spanischen Rechtsstaat infrage. Das tun übrigens die Separatisten auch. Dass ihnen der spanische Ministerpräsident folgt, ist zumindest bemerkenswert.
Gericht sieht keine Rechtfertigung für Begnadigung
Bevor Sánchez die Begnadigungen aussprechen kann, hat sich der Oberste Gerichtshof dazu zu äußern, was er diese Woche getan hat. Die sechs Richter fanden „keine Gründe des Rechts, der Gerechtigkeit und des Gemeinnutzes“, mit denen eine Begnadigung zu rechtfertigen wäre. Unter anderem war den Richtern aufgefallen, dass unter den Verurteilten „keine Anzeichen des Bedauerns“ für ihre Taten zu erkennen seien. Sánchez muss den Richtern nicht folgen, aber ihr Spruch schwächt seine Position.
Nach der letzten guten Umfrage zu der Sache lehnen zwei Drittel der Spanier eine Begnadigung der Separatisten ab, 20 Prozent befürworten sie, der Rest ist indifferent oder äußert sich nicht. Problematisch für Sánchez ist die Kritik aus seiner gewöhnlich folgsamen eigenen Partei.
Am eloquentesten kam sie vom Regionalpräsidenten Kastilien-La Manchas, Emiliano García-Page: Er fürchte, dass die Begnadigungen „nicht helfen“, dass sie für die Lösung des Katalonien-Problems „fruchtlos“ seien, weil sie den Verurteilten zeigten, dass sie „ohne Konsequenzen in ihre alten Gewohnheiten verfallen“ können. Will heißen: dass sie weiter gegen Recht und Gesetz ihre separatistischen Ziele durchzusetzen versuchen.
Separatisten wollen nicht begnadigt werden
Das ist das Grundproblem dieses Konflikts: Die Separatisten haben kein Unrechtsbewusstsein, sie glauben, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker Katalonien die Abspaltung vom Rest Spanien ermöglichen müsse, wenn es nur die Mehrheit der Katalanen so wolle.
Die große Mehrheit der Spanier aber findet, dass eine denkbare Zersplitterung ihres Land sie alle etwas angeht, weswegen sich das Land Gesetze gegeben hat, die einseitige Sezessionsbewegungen nicht dulden (wie das fast alle Länder dieser Welt getan haben).
An diese Gesetze wollen sich die Separatisten nicht halten, und sie wollen auch nicht von Sánchez begnadigt werden: Wer keine Fehler begangen hat, braucht keine Gnade, finden sie. Er sei „zutiefst stolz darauf, im Gefängnis zu sitzen, weil ich Urnen aufgestellt habe“, sagt der ehemalige katalanische Vizepräsident Oriol Junqueras.
Barcelona erlebt dritte Krawallnacht in Folge
In der katalanischen Hauptstadt protestierten erneut Tausende Menschen gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hasél.
© Quelle: Reuters
In die Freiheit möchte er natürlich trotzdem gerne entlassen werden. Aber eher lieber nicht durch einen Gnadenakt – sondern durch eine Amnestie, welche das gesamte Strafverfahren für nichtig erklärte. Pedro Sánchez wird noch viele Dinge zu erklären haben.