„NSU 2.0“-Drohschreiben: Hessens Innenminister sieht nach Festnahme Polizei entlastet

Peter Beuth (CDU), Innenminister des Landes Hessen, ist erleichtert über die Festnahme wegen „NSU 2.0“-Drohschreiben.

Peter Beuth (CDU), Innenminister des Landes Hessen, ist erleichtert über die Festnahme wegen „NSU 2.0“-Drohschreiben.

Wiesbaden. Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Verfassers von rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ sieht Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) nach bisherigen Erkenntnissen die hessische Polizei entlastet. „Die Drohschreiben hatten einen sehr schwerwiegenden Verdacht auf die Polizei gelenkt“, erklärte Beuth am Dienstag. „Nach allem, was wir heute wissen, war nie ein hessischer Polizist für die ‚NSU 2.0‘-Drohmailserie verantwortlich.“

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Zugleich versicherte der Minister, man werde aus dem Fall „weitere Lehren für unsere Sicherheitsbehörden ziehen. Die Ermittlungen werden mit der gleichen Beharrlichkeit und Akribie, die jetzt zum Erfolg geführt haben, fortgesetzt.“

Gibt es ein rechtsextremes Netzwerk innerhalb hessischer Behörden?
21.07.2020, Hessen, Wiesbaden: Peter Beuth (CDU), Innenminister des Landes Hessen, nimmt an der Sitzung des Innenausschusses des hessischen Landtags teil. Beuth muss sich in der Aff��re um rechtsextreme Drohmails an diesem Dienstag vor dem Innenausschuss des hessischen Landtags den kritischen Fragen der Abgeordneten stellen. Die Landtagsopposition hat in der Aff��re um rechtsextreme Drohmails und missbr��uchliche Abfragen von Polizeicomputern einen breiten Fragenkatalog vorbereitet. Bei dem Treffen im Wiesbadener Parlament wird es auch um ein m��gliches rechtes Netzwerk bei der hessischen Polizei gehen. Foto: Arne Dedert/dpa Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Vor dem Versenden der Drohmails an verschiedene Frauen waren offenbar ihre persönliche Daten von hessischen Polizeicomputern abgefragt worden.

Zuvor war in Berlin bei einer Wohnungsdurchsuchung ein 53-jähriger Mann festgenommen worden, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das Hessische Landeskriminalamt in der Nacht zu Dienstag mitgeteilt hatten.

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Er stehe im dringenden Verdacht, „seit August 2018 unter dem Synonym ‚NSU 2.0‘ bundesweit eine Serie von Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten verschickt zu haben“, erklärten die Behörden.

Nach dpa-Informationen soll sich der Mann die Informationen über die Angeschriebenen mutmaßlich auch bei Behörden beschafft haben. Dafür soll er möglicherweise telefonisch bei Behörden wie dem Einwohnermeldeamt entsprechende Anfragen gestellt haben. Im Raum stehe auch, dass sich der Mann über das Darknet illegal verbreitete Daten der Betroffenen beschafft haben könnte, hieß es.

Beuth erklärte, ein Team um den polizeilichen Sonderermittler Hanspeter Mener habe „zehn Monate lang nichts unversucht gelassen, um den mutmaßlichen Täter aus der Anonymität des Darknets zu reißen“.

Die „jahrelangen widerlichen Drohungen und Einschüchterungen gegen Personen des öffentlichen Lebens“ könnten nun in einem rechtsstaatlichen Verfahren geahndet werden. „Wenn sich der Verdacht bewahrheitet, können Dutzende unschuldige Opfer sowie die gesamte hessische Polizei aufatmen“, so der Innenminister.

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Zuvor hatte im Raum gestanden, dass Adressen von Opfern aus Polizeicomputern stammten. Mitte März hatte Beuth von mittlerweile insgesamt 133 verschickten Drohschreiben berichtet, von denen 115 dem Tatkomplex „NSU 2.0“ zugerechnet würden. Darin sei eine Vielzahl personenbezogener Daten zu mehr als 20 der betroffenen Personen enthalten, hatte der CDU-Politiker berichtet.

Bei diesen Daten lägen derzeit keine Hinweise vor, dass sie aus polizeilichen Datenbanken stammen. Über die drei festgestellten Abfragen von hessischen Polizeicomputern hinaus, die durch die zeitliche Nähe zu Drohmails mit diesen in Verbindung stehen könnten, seien in diesem Zusammenhang im Land keine weiteren Datenabfragen bei der hessischen Polizei bekannt geworden. Warum es die Abfragen im zeitlichen Zusammenhang mit den Drohschreiben gegeben habe, sei bislang nicht geklärt, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, am Dienstag in Berlin.

Betroffene Linken-Politikerin: Erklärung der Polizei nicht hinreichend

Auch Anne Helm erhielt Drohschreiben. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hält die Erklärungen der Ermittlungsbehörden für „glaubwürdig, aber nicht hinreichend“. Gesperrte Adressdaten aus Polizeicomputern würden höchstwahrscheinlich nicht einem externen Anrufer mitgeteilt. „Er muss Quellen gehabt haben, oder es gab ein Netzwerk“, sagt sie. Über die Enttarnung ist sie „erleichtert“, aber sie hege auch eine „große Erwartung, dass alle Erkenntnisse auf den Tisch kommen“.

Judith Porath, Vorstandsmitglied des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, bewertete den mutmaßlichen Ermittlungserfolg am Dienstag skeptisch. „Wir befürchten, dass die Polizei uns auch hier wieder einen Einzeltäter präsentieren und von der Verantwortung der hessischen Polizei ablenken wird. Solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, müssen wir davon ausgehen, dass es mehr Täter, als den in Berlin festgenommenen gibt“, sagte sie in Berlin.

RND/dpa/feh/jps

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