Verbindungsbüro gesprengt: Warum Nordkorea wieder zündelt
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Drohen gegen Südkorea: Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, und seine Schwester Kim Yo Jong.
© Quelle: dpa/RND Montage Behrens
Wie so oft bringt das nordkoreanische Regime seine Unzufriedenheit über die Beziehungen mit Südkorea auf möglichst martialische Weise zum Ausdruck: Nicht nur hat die Staatsführung am Dienstagnachmittag das innerkoreanische Verbindungsbüro gesprengt. Es hat zudem eine derart heftige Detonation ausgelöst, dass selbst die Fenster der umliegenden Gebäude zerschellten – das zeigen Aufnahmen von Überwachungskameras. Auch von den südkoreanischen Grenzsoldaten konnte die Explosion deutlich vernommen werden. Wenig später waren dunkle Rauchfahnen von dem Gelände nahe der Grenzstadt Kaesong zu sehen. Die Sprengung würde laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA “die Denkweise des erzürnten nordkoreanischen Volks” widerspiegeln.
Das innerkoreanische Verbindungsbüro war so etwas wie der architektonische Beweis für die Annäherung von Nord und Süd. Für die beiden Staaten, die sich offiziell noch immer im Kriegszustand befinden und formal keine diplomatischen Beziehungen miteinander unterhalten, diente das Gebäude in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong als De-facto-Botschaft. Bedeutungsschwer wurde es im Zuge des ersten Gipfeltreffens zwischen Präsident Moon Jae In und Machthaber Kim Jong Un im Jahr 2018 eröffnet. Bis zum Januar arbeiteten dort Delegationen der zwei Staaten Seite an Seite. Dann wurde das vierstöckige Gebäude aus Stahl und Glas aufgrund der Coronavirus-Pandemie geschlossen.
Sonnenscheinpolitik gilt als gescheitert
Dass ausgerechnet jetzt die Spannungen der zwei Koreas auf einem Tiefpunkt sind, ist historisch besonders tragisch: Vor genau sieben Jahrzehnten ist der Koreakrieg ausgebrochen; ein Konflikt, der zwar drei Jahre später mit einem Waffenstillstandsabkommen gestoppt, aber bis heute nie mit einem Friedensvertrag besiegelt werden konnte. Vier Millionen Menschen kamen dabei ums Leben.
Fast auf den Tag genau vor 20 Jahren trafen sich schließlich erstmals die beiden damaligen Staatschefs der zwei Koreas, um nach Jahrzehnten offener Feindschaft die sogenannte Sonnenscheinpolitik einzuläuten. Die Resultate der Annäherung waren entlang des verminten Grenzgebiets zu sehen, das sich zunehmend für Austausch öffnete: Im Ostteil der Halbinsel entstand ein Tourismusressort im Keumgang-Gebirge, das über mehrere Jahre für südkoreanische Besucher zugänglich war. Im Westen hingegen bauten südkoreanische Unternehmen Fabrikgebäude in der Sonderwirtschaftszone Kaesong, in der nordkoreanische Arbeitskräfte gegen Auslandsdevisen unter anderem Textilien produzierten. Beide Projekte sind längst geschlossen, wie wohl auch die Sonnenscheinpolitik mittlerweile als gescheitert gilt.
Pjöngjang vergrault den freundlich gestimmten Süden
2018 jedoch bot sich erneut ein historischer Moment der Öffnung, als Kim Jong Un in seiner Neujahrsansprache die rhetorische Hand gen Seoul ausstreckte. Dort saß mit Moon Jae In mittlerweile ein linksgerichteter Präsident im Amt, der sich den innenkoreanischen Friedensprozess zum Lebenswerk auserkoren hat. Jenes Ziel liegt jedoch spätestens mit den gescheiterten Abrüstungsverhandlungen zwischen Nordkorea und den USA brach. Pjöngjang wollte sein Atomarsenal nicht hergeben, ehe es von Washington auch sukzessive wirtschaftliche Zugeständnisse erhält – eine Strategie, die von Präsident Donald Trump nicht gebilligt wurde. Nun vergrault Pjöngjang auch den eigentlich freundlich gestimmten Süden. Als Vorwand nutzt Nordkorea den Aktivismus einiger Flüchtlinge, die im südlichen Teil des Grenzgebiets politische Flugblätter über speziell präparierte Luftballons in den Norden schmuggeln.
Seit Wochen bereits provoziert Pjöngjang darauf in immer steigernden Drohungen gegen den Süden. Zuletzt kappte das Regime am 9. Juni sämtliche Kommunikationsverbindungen mit dem Nachbarstaat. Ebenfalls bezeichneten die Propagandamedien Südkorea erstmals seit langer Zeit wieder als “Feind”. Nur wenige Stunden vor der Sprengung am Dienstag kündigte die nordkoreanische Armee an, Truppen entlang der entmilitarisierten Zone entsenden zu wollen. Zuletzt zogen beide Seiten ihre Streitkräfte vom Grenzgebiet entlang des Friedensdorfs Panmunjom ab.
Man könne der “nichtssagenden Sprache” der südkoreanischen Regierung nicht mehr trauen, sagte Kim Yo Jong, die kleine Schwester von Diktator Kim Jong Un, am Samstag: “Es ist höchste Zeit, mit den südkoreanischen Behörden zu brechen.” Den “nächsten Schritt” würde nun das Militär unternehmen. Kim Yo Jong gilt als rechte Hand des “Großen Führers”, für viele wird sie im Falle seines Ablebens als Nachfolgerin für den Diktatorensessel gehandelt. Für das streng patriarchalische Land ist es ungewöhnlich, dass eine Frau derart prominent von den Staatsmedien abgebildet wird. Doch über den Lebenslauf von Kim Yo Jong, die zur selben Zeit wie ihr Bruder ein paar Schuljahre in der Schweiz absolviert haben soll, ist nur wenig bekannt.