Noch immer ist nichts gut in Afghanistan

Kabul: Eine Frau hält eines ihrer beiden Babys, die in der Unterernährungs­station des Indira Gandhi Children’s Hospital behandelt werden, auf dem Arm.

Kabul: Eine Frau hält eines ihrer beiden Babys, die in der Unterernährungs­station des Indira Gandhi Children’s Hospital behandelt werden, auf dem Arm.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr soll heute mit einem Abschlussappell, dem Großen Zapfenstreich sowie einer Kranzniederlegung in Berlin gewürdigt werden. Gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Veranstaltung teilnehmen. Es werde „ein umfassendes Gedenken“ an den Einsatz sein, heißt es. Doch wie beschließt man eine Mission, die nach fast 20 Jahren in einem Desaster endete?

Das Wirken der Bundeswehr in Afghanistan wird, so traurig das ist, als Scheitern in die Geschichte eingehen. Die Leben Tausender versehrter und traumatisierter Soldatinnen und Soldaten werden sie erzählen, aber auch die Ortskräfte, von denen nach der Machtübernahme der Taliban im September noch immer mehr als 6000 in verzweifelter Angst in Afghanistan ausharren.

Erst gestern hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem digitalen G20-Sondergipfel mit Nachdruck dazu aufgerufen, eine humanitäre Katastrophe am Hindukusch zu verhindern. „Zuzuschauen, wie 40 Millionen Menschen ins Chaos verfallen, weil weder Strom geliefert werden kann noch ein Finanzsystem existiert, das kann und darf nicht das Ziel der internationalen Staatengemeinschaft sein“, sagte sie in Berlin.

Die Lage ist noch immer mehr als ernst in Afghanistan: Nach UN-Angaben sind rund 18 Millionen Afghanin­nen und Afghanen und damit die Hälfte der Gesamtbevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. 93 Prozent der Haushalte haben nicht genug zu essen. Die Grundversorgung steht offensichtlich vor dem Zusammen­bruch. Unicef-Mitarbeitende in Afghanistan berichteten, dass es Gesundheitsstationen an allem fehle: an Personal, Medikamenten, Krankenbetten und Ausrüstung. Besonders in den ländlichen Regionen sei die Lage besorgniserregend.

Kabul: Ein Sicherheitsmann der Taliban spielt mit einer Peitsche, während er vor Männern steht, die vor einer Bank darauf warten, Geld abzuheben.

Kabul: Ein Sicherheitsmann der Taliban spielt mit einer Peitsche, während er vor Männern steht, die vor einer Bank darauf warten, Geld abzuheben.

Die EU-Kommission hat Hilfe zugesichert: Rund eine Milliarde Euro will sie den Menschen in und um Afghanistan zukommen lassen. Mit Blick auf eine internationale Geberkonferenz im September sagte Merkel gestern, Deutschland habe bekräftigt, 600 Millionen Euro einsetzen zu wollen. Die Aufgabe, dass die Mittel da ankommen, wo sie hingehören, nämlich bei der Not leidenden Bevölkerung, liegt nach dem Abzug der deutschen Truppe allein bei den Hilfsorganisationen, die nun ohne Schutz versuchen, trotz der oder gar mit den Taliban zu arbeiten, um ans Ziel zu kommen.

Lässt sich unter diesen Umständen guten Gewissens ein Gedenken begehen? Vermutlich nicht. Es werden Worte des Bedauerns sein, der Demut, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungs­ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer heute um 17.15 Uhr beim Empfang des Deutschen Bundestages vor dem Großen Zapfenstreich auf dem Platz der Republik aussprechen werden.

Evangelische Theologen aus mehreren Bundesländern haben sich gegen eine Teilnahme von Repräsen­tantinnen und Repräsentanten ihrer Kirche am Abschlussappell ausgesprochen. Der Zapfenstreich sei zynisch gegenüber den Opfern einer gescheiterten Politik, erklärten am Montag die Unterzeichner eines Briefes an die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, und an den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm.

Immerhin: Nach mehrwöchiger Pause fliegen die USA wieder Schutzsuchende aus Afghanistan vom Stützpunkt im pfälzischen Ramstein in die Vereinigten Staaten. Seit der Wiederaufnahme der Flüge am vergangenen Samstag seien bereits mehr als 2500 Evakuierte mit neun Flügen abgereist, teilte die Leitung der weltweit größten US-Air-Base außerhalb Amerikas gestern mit. Doch: „Das endgültige Datum, an dem alle Evakuierten ausgereist sein werden, steht noch nicht fest.“

Die Gedenkveranstaltung können Sie ab 17.15 Uhr live bei uns im Stream verfolgen.

 

Zitat des Tages

Das kann etwas Gutes werden.

Lars Klingbeil,

SPD-Generalsekretär, am Dienstag zu den Ampelsondierungen

 

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Termine des Tages

Parteienfinanzierung: Um 10 Uhr soll das Urteil des Bundesverfassungs­gerichts in Karlsruhe über Oppositionsklagen gegen die Aufstockung der staatlichen Parteienfinanzierung fallen. Die Anhebung um jährlich rund 25 Millionen Euro war 2018 im Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD beschlossen worden. Grüne, Linke und FDP haben gemeinsam einen Normenkontrollantrag eingereicht, die AfD eine Organklage. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet (Az.: 2 BvF 2/18, 2 BvE 5/18).

Steigende Energiepreise: Die Europäische Kommission will heute um 13 Uhr in Brüssel eine „Toolbox“ mit Vorschlägen für Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise vorlegen. Mitgliedsstaaten sollen sich an den Maßnahmen orientieren können, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor hohen Strom- und Heizkosten zu schützen.

 

Wer heute wichtig wird

„Captain Kirk“ fliegt ins All: Die „Star Trek“-Ikone William Shatner soll heute (15.30 Uhr MESZ) erstmals wirklich ins All fliegen. Der 90 Jahre alte kanadische Schauspieler ist vor allem wegen seiner Rolle als Weltraumkapitän auf dem „Raumschiff Enterprise“ berühmt. Er soll nun mit einer Raumkapsel der Firma Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos einen rund zehnminütigen Allausflug unternehmen. Shatner würde mit dem Flug zum ältesten jemals ins All gereisten Menschen.

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