Nie wieder Putin
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Der russische Präsident Wladimir Putin.
© Quelle: imago images/SNA
Liebe Leserin, lieber Leser,
als Donald Trump US-Präsident war, hielt sich meine Lust in Grenzen, morgens das Radio anzumachen. Mit der Zeitverschiebung erreichte Deutschland in den frühen Morgenstunden, was der Milliardär in den USA abends via Twitter irgendjemandem angedroht hatte. Oder er behauptete irgendetwas, was nachts nicht zu überprüfen war. Mehrfach kündigte er mühselig ausgehandelte internationale Verträge, einmal wollte er Dänemark Grönland abkaufen, meistens beschimpfte er Feind – und auch Freund. Eine Aufregung nach der anderen. Man hatte schon vor dem ersten Schluck den Kaffee auf.
Man mag sich gar nicht vorstellen, was heute passieren würde, wäre Trump noch im Amt. Ein leicht reizbarer, unpolitischer Mann hätte es mit dem Kriegsverbrecher Wladimir Putin aufnehmen müssen. Wenn man sich an Trumps Kriegsdrohung gegen Nordkorea und dann an seine Verbrüderungsinszenierung mit dem Diktator erinnert, kann einem immer noch schlecht werden.
Heute schauen wohl die meisten von uns morgens als erstes voller Sorge im Internet, in Funk und Fernsehen auf die Nachrichten über Putins Krieg gegen die Ukraine. Wie viele Tote? Haben die Russen eine weitere Stadt eingenommen? Ist ein Atomkraftwerk getroffen? Leben der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Klitschko-Brüder noch? Der Tag beginnt mit furchterregenden Bildern, Tönen und Texten.
Russische Panzer rücken weiter in Richtung Kiew vor
Die russische Armee setzte am Donnerstag den Beschuss ukrainischer Städte fort, konnte aber offenbar weiter nur wenig entscheidende Geländegewinne verzeichnen.
© Quelle: Reuters
Es stimmt, dass Putin mit seinem Krieg die Nato, die EU und auch die Ukraine mehr zusammengeschweißt hat, als sie es selbst je vermocht hätten. Aber es tut sich kein Ausweg auf, sondern nur ein Abgrund. Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow belügen und bedrohen die Welt und ihre eigene Bevölkerung. Diplomatie zwecklos.
Und doch ist es jeder noch so vergebliche Versuch wert, weil daran das Leben von Menschen hängt. Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit Putin am Freitag eine Stunde lang telefoniert. Die anschließende Mitteilung des Kanzleramts hört sich nach dem geflügelten Wort an: „Du hast keine Chance, also nutze sie!“ Scholz und Putin hätten sich über ihre „unterschiedlichen Standpunkte“ ausgetauscht, hieß es da. Vornehm ausgedrückt, dass es um Krieg und Frieden ging.
Scholz forderte die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen, was Putin ziemlich egal sein dürfte. Immerhin informierte er den Bundeskanzler, dass Delegationen aus Russland und der Ukraine an diesem Wochenende zum dritten Mal über den Krieg sprechen würden. Auch Putin und Scholz vereinbarten, zeitnah weitere Gespräche zu führen.
Scholz zum russischen AKW-Beschuss: „Wichtig, dass wir einen kühlen Kopf bewahren“
Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim Besuch des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Schwielowsee vor einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine gewarnt.
© Quelle: Reuters
Solang Krieg ist, muss Scholz auf dieser Ebene alles versuchen. Aber klar ist heute schon: Putin darf nie wieder deutschen Boden betreten. Solang er im Amt ist, darf es keine deutsch-russischen Regierungskonsultationen mehr geben, und nach seinem Rauswurf aus der G8‑Gruppe darf er auch nicht mehr zu den G20‑Staaten gehören.
In diesem Jahr hat Indonesien die G20‑Präsidentschaft. Es sollte jetzt mit China und Indien darüber gesprochen werden, Putin von dem diesjährigen Gipfel auszuschließen. Geschieht das nicht, müssen Deutschland und so viele andere Mitglieder wie möglich das Treffen der Staats- und Regierungschefs boykottieren. Gemeinsame Bilder mit Putin darf es nicht mehr geben. Nicht einmal mehr digital.
Dem Kriegsverbrecher aus Moskau gebührt auf der Weltbühne nur noch ein Platz: vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, in einer Zelle. Er darf nie wieder irgendwo dazu gehören.
Politsprech
Ein sofortiger Waffenstillstand, Rückzug der russischen Truppen, die Anerkennung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, aber im Gegenzug die Zusicherung des Westens, künftig darauf zu verzichten, die ukrainischen Streitkräfte weiter in die militärischen Strukturen der Nato zu integrieren.
Sahra Wagenknecht,
Linken-Bundestagsabgeordnete
Putin müsse ein solches „Angebot“ gemacht werden, damit wieder Frieden einkehre, sagte die Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Wagenknecht stellt damit einmal mehr unter Beweis, wie sehr sie Putins Grausamkeit auch weiterhin unterschätzt. Der russische Präsident erkennt eben nicht die Souveränität der Ukraine an – sonst würde er keinen Krieg gegen sie führen.
Und Wagenknecht geht von einer völlig falschen Ausgangslage aus. Der Westen hat die Ukraine bisher nicht in die militärischen Nato-Strukturen eingebunden, deswegen kann er auch nicht darauf verzichten, so etwas „weiter“ zu machen. Es sieht nach einem durchsichtigen Versuch Wagenknechts aus, mit der Schuldzuweisung an den Westen von der eigenen jahrelangen Fehleinschätzung zu Putin abzulenken.
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Sahra Wagenknecht in der ARD-Talkshow „Anne Will“ (Archivfoto).
© Quelle: imago images/Eventpress
Wie unsere Leserinnen und Leser auf die Lage schauen
An dieser Stelle geben wir Ihnen das Wort. Putins Krieg gegen die Ukraine ist das beherrschende Thema. Uns erreichen sehr viele Zuschriften. Deshalb an dieser Stelle eine größere Auswahl als sonst:
Bettina Evers-Hoffs zum Hauptstadt-Radar vor einer Woche:
„Was für eine weise, liebevolle und mahnende Betrachtung. Meine Oma kam auch aus Königsberg und ist in derselben Konstellation geflohen und wieder zurückgekehrt, bevor sie endgültig vor den Russen geflohen ist. Ich habe diese Erzählungen und diese Bereitschaft zur Hilfe auch erlebt – und jeder Probealarm der Sirenen war für sie, die in Lübeck im Zonenrandgebiet lebte, eine Nervenqual.
Aber sie wusste eben auch um den Krieg, das Elend, die Angst und den Wahnsinn, den er mit sich bringt. Diese Alten fehlen heute wirklich und es macht mir Sorge, wenn geglaubt wird, dass Gewalt ein probates Vergeltungsmittel sei. Isolation – und zwar auf sämtlichen Gebieten in unserer globalisierten Welt – wäre eine angemessene Lösung. Auch wenn es uns etwas kosten würde, zumindest wäre es nicht das Leben, das die armen Unschuldigen in der Ukraine jetzt im schlimmsten Fall für den Irrsinn und die Eitelkeit der russischen Führung bezahlen müssen.
Ich hoffe so sehr auf die Vernunft und das Hören auf die Stimme unserer Altvorderen, die wussten, wovon sie sprachen, wenn es um den Krieg ging – und manche Erlebnisse aus gutem Grund einfach ‚unaussprechlich‘ waren.“
Ukraine-Flüchtlinge: laut UN bisher 1,25 Millionen Menschen geflohen
Die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine beläuft sich nach Angaben der UN-Organisation für Migration, kurz IOM, inzwischen auf 1,25 Millionen.
© Quelle: dpa
Gerhard Sperber aus Bergisch Gladbach zum selben Thema:
„Ein emotionaler, nahegehender Beitrag, der die Problematik eines jeden Krieges hautnah fühlbar macht. Schade, dass solche Gedanken Putin völlig fremd sind. Hat der eigentlich keine Eltern, Großeltern, die ihm gleiches erzählen könnten? Es ist doch erschreckend, wie es einzelnen Despoten gelingt, der Menschheit, aber auch der eigenen Bevölkerung solche Leiden zuzufügen.“
Ingeborg Choeb aus Ludwigsburg ebenfalls dazu:
„Das Einzige, das in der unsäglichen Situation, in die die Welt von diesem Wahnsinnigen gestürzt wurde, helfen kann, hat mir eine ältere Dame (86 Jahre) gesagt: ‚Es findet sich hoffentlich einer, der den Putin …‘ Ich selbst bin 70 Jahre, gehöre der Nachkriegsgeneration an und habe alles, über das Frau Dunz erzählt, auch nur aus Erzählungen meiner Oma und Mutter gehört.“
Tanja Schwieger aus Wunstorf schreibt dies zum Umgang mit Putin:
„Es ist schön und gut und richtig, dass wir um Frieden beten, blau-gelbe Accessoires tragen, vielleicht sogar Geld spenden und in unserer Kommune Geflüchtete aufnehmen. Die Frage ist, ob das nicht uns selbst und unserer Gefühlslage mehr hilft als den vor Ort von Putins Krieg betroffenen Ukrainer*innen? Fühlen sie sich dadurch von uns unterstützt? Wenn ich versuche, mich in ihre Lage hineinzuversetzen, sofern mir das überhaupt ansatzweise gelingen kann, muss ich zu dem klaren Schluss kommen: Nein.
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An Tag acht von Putins Krieg in der Ukraine stellt sich die Frage: Was hat der russische Präsident nun noch vor? Eine Analyse von Kristina Dunz.
© Quelle: RND
Aus langjähriger Lebens- und Berufserfahrung und zahlreichen kontroversen Gesprächen weiß ich: Man kann und sollte es einmal, vielleicht auch zweimal, im Guten versuchen und dem Gegenüber eine Chance geben. Nutzt er diese nicht, muss mit aller gebotenen Härte gesprochen und gehandelt werden – in der Sprache, die er versteht. Die Sprache der Diplomatie versteht Putin ganz offensichtlich nicht. Da es hier um alles geht, nämlich Menschenleben und die Verteidigung der Demokratie in Europa, müssen wir uns wohl oder übel anders mit ihm verständigen, um unser Ziel zu erreichen.“
Günter Ilper aus Rixförde zum Kommentar zu Putins Anfang von Ende:
„Sie haben mit Ihrem Leitartikel mit wenigen Worten den Nagel auf den Kopf getroffen! Mehr zu dem Thema zu schreiben, ist eigentlich nicht nötig! Der hohe Wert und die unbändige Kraft des Wortes ‚Freiheit‘ waren dem russischen Diktator beim Überfall auf das ukrainische Volk nicht bekannt. Putin führt sein großes Volk mit Drohungen, Angst, Bestrafung und auch mit Mord. Er hat keine Freunde, nur Abhängige! Ein Leben in ständigem Misstrauen gegenüber Jedermann! Was für ein Leben!
Es ist nun zu spät, er wird es nie mehr ändern können. Die ständige Angst um sein eigenes Leben wird ihn langsam töten. Putin wird in die Geschichte eingehen als Nachfolger Stalins, der 1932/33 durch die von ihm geplante ‚Holodomor‘ (Hungersnot) eine Massentötung von vielen Millionen Ukrainern auslöste. Das haben die Ukrainer nicht vergessen und verleiht ihnen Stärke. Das beispiellose Verhalten der Bürger, sich für ihre Ukraine angstlos den einrückenden russischen Panzern in den Weg zu stellen, verdient allerhöchsten Respekt. Wer möchte schon unter einem solchen unberechenbaren Diktator leben! Möge diese Kraft in diesem Konflikt irgendwie zu einem Sieg der Freiheit führen!“
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Herzlich
Kristina Dunz
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