Kliniken warnen: Hospitalisierung allein ist kein sinnvoller Parameter
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Ein Intensivbett in einer Intensivstation der Uniklinik Dresden: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt davor, zukünftig die Hospitalisierungsrate als alleinigen Parameter zur Beurteilung der Pandemielage heranzuziehen.
© Quelle: Ronald Bonss/dpa-Zentralbild/dpa
Berlin. In der Debatte um die künftigen Parameter zur Beurteilung der Pandemielage haben die Krankenhäuser vor einer einseitigen Ausrichtung auf die Rate der Klinikeinweisungen gewarnt. „So wie wir seit Wochen sagen, dass die Inzidenz nicht alleiniger Indikator sein kann, so gilt das jetzt auch für die Hospitalisierung“, sagte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Notwendig sei, verschiedene Indikatoren nebeneinander qualitativ zu betrachten, um sich ein wirkliches Bild von der Infektions- und Gefahrenlage im Gesundheitswesen zu machen. So müssten neben der Inzidenz und der Hospitalisierung zum Beispiel auch die Impfquote und die Dynamik verschiedener Parameter berücksichtigt werden. „Es gibt nicht die Glücksformel, bei der die eine Zahl herauskommt, die die Pandemie umfassend erklärt“, betonte der DKG-Chef.
„Es ist Aufgabe der Politik, klar zu kommunizieren, dass die Grundlage für die Bewertung des Pandemiegeschehens komplexer ist, als es ein einziger Wert darstellen könnte“, sagte Gaß.
50er-Inzidenz wird gestrichen “ was kommt danach?
Viele Landkreise sind längst wieder über der Inzidenzschwelle von 50. Die Zahl hat „ausgedient“, sagt Gesundheitsminister Spahn. Doch was kommt danach?
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Gerade die Impfungen führten zu einer Entkopplung von Inzidenz und Hospitalisierung. So habe in der Vergangenheit der Anteil der hospitalisierten Covid-19-Fälle bei 12 Prozent gelegen, heute seien es nur noch 5 Prozent. Nach seinen Angaben sind 90 Prozent der derzeit eingewiesenen Patienten ungeimpft, die Hälfte aller aktuell einliegenden Patienten ist danach jünger als 48 Jahre.
Gaß nannte es zudem „unmöglich“, eine Obergrenze für der Aufnahme von Covid-19-Patienten im Krankenhaus festzulegen. „Wenn sich die pandemische Lage dramatisch zuspitzen würde, womit wir aktuell nicht rechnen, müssen die Möglichkeiten unseres Gesundheitswesens auf die dringendsten Fälle aus allen Behandlungsbereichen konzentriert werden“, sagte er.
Um eine hohe Zahl von Intensivpatienten versorgen zu können, müssten dann erneut planbare Behandlungen und Operationen verschoben werden, warnte er. Die Belastungsgrenze wird nach Einschätzung von Gaß erreicht, wenn wie bei der zweiten und dritten Welle mehr als 5000 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen behandelt werden müssten.
Hintergrund der Äußerungen ist die erklärte Absicht der Bundesregierung, die Inzidenzschwellwerte für Einschränkungen aus dem Infektionsschutzgesetz zu streichen. Künftig sollten sich die Schutzmaßnahmen „insbesondere auch an der Covid-19-Hospitalisierungsrate ausrichten“, heißt es in einem Antrag von Union und SPD, den der Bundestag am Mittwoch angenommen hat.
Erster Entwurf am Montag erwartet
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird darin aufgefordert, bis kommenden Montag einen Vorschlag für eine entsprechende Gesetzesänderung vorzulegen. Sie soll dann bei der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl am 7. September beschlossen werden.
Der Bundestag hatte am Mittwoch zudem die Pandemie-Notlage um weitere drei Monate verlängert. Dazu wurde erneut das „Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ festgestellt. Andernfalls wäre die Notlage zum 11. September ausgelaufen.
An sie geknüpft sind zum Beispiel zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die die Bundesländer erlassen können, etwa eine Maskenpflicht. Daher hatten die Länder bei einer Konferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang August darum gebeten, die Erklärung der Notlage zu verlängern. Die Opposition stimmte geschlossen gegen eine Fortführung.