Neue Corona-Maßnahmen? Was vom Bericht des Sachverständigenrates zu erwarten ist
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Eine Intensivpflegerin versorgt einen schwer an Corona erkrankten Patienten auf der Intensivstation des Klinikums in Fulda (Archivbild).
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Berlin. Die Ampelkoalition wartet auf einen Bericht, der die Corona-Politik im Herbst beeinflussen wird: Es geht um die gesetzlich verankerte Evaluation der Corona-Maßnahmen, die der Sachverständigenrat bis zum 30. Juni abgeben soll. Am 30. September geht der Bericht inklusive einer Stellungnahme der Bundesregierung an den Bundestag.
Das Gremium besteht unter anderem aus Juristen, Ärztinnen sowie Virologen. Es soll die bisherigen Corona-Regeln auf ihre Wirksamkeit prüfen. Das Gremium ist nicht zu verwechseln mit dem Corona-Expertenrat im Bundeskanzleramt, der regelmäßig Empfehlungen zur aktuellen Pandemielage abgibt.
Die Ampel streitet sich
Von dem Bericht hängt das weitere Vorgehen der Bundesregierung zum Umgang mit Corona ab. So knüpft die FDP Verhandlungen über Corona-Regeln im Herbst an die Ergebnisse – vorher wollen die Liberalen nicht über womöglich notwendige Maßnahmen diskutieren. Das sorgt für Streit innerhalb der Koalition. Die Grünen werfen den Liberalen vor, auf Zeit zu spielen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen zeigte Verständnis für die FDP, unterstrich aber gleichzeitig, dass der Bericht für ihn nur ein Baustein in der Pandemiebekämpfung ist. Er wolle sich zudem auf die Empfehlungen des Expertenrates stützen.
Kritik von Virologe Drosten
Auch der Sachverständigenrat selber ist nicht frei von Kontroversen. Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité verließ das Gremium, weil „die Aufgabe mit dem Personenkreis“ nicht zu schaffen war. Im Spiegel-Interview erklärte er: „Wenn man das wissenschaftlich ernsthaft machen will, braucht man Leute, die die Literatursuche übernehmen, beim Schreiben helfen, zusätzliche wissenschaftliche Expertise einbringen. Die Epidemiologie zum Beispiel war gar nicht vertreten. Die Kommission ist politisch und nicht nach wissenschaftlichen Kriterien zusammengesetzt“, sagte er.
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Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, hat den Corona-Sachverständigenrat verlassen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Wenig Hoffnung auf aussagekräftige Empfehlungen des Sachverständigenrats hat Patientenschützer Eugen Brysch. „Wer vom Sachverständigenrat glasklare politische Empfehlungen für die zukünftige Pandemiebekämpfung erwartet, kann nur enttäuscht werden“, sagte Brysch dem RND.
„Einschätzungen von Expertengremien sind zwar hilfreich, aber kein Ersatz für Entscheidungen des Bundestages und der Bundesregierung.“ Er forderte ein tagesaktuelles Corona-Radar auch für die stationäre Altenpflege. Lauterbach hatte ein Radar für Krankenhäuser angekündigt. Brysch sagte: „Jetzt müssen endlich die Menschen in den Blick genommen werden, die das Virus am stärksten bedroht.“
Montgomery: Infektionsschutzgesetz jetzt neu zu beschließen
Weltärztebund-Chef Frank Ulrich Montgomery kritisierte das Abwarten der Ampel bei der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes. Die Kommission werde die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen, „die Maßnahmen zu beschließen, die wir zu einer effektiven Bekämpfung der nächsten Herbst- und Winterwelle brauchen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Wenn die Wellen wieder über uns zusammenbrächen, fehle die Zeit, langwierige Grundsatzdiskussionen zu führen. „Dann muss schnell gehandelt werden können. Und deswegen wäre es auch besser, das Infektionsschutzgesetz jetzt neu zu beschließen – und nicht erst, wenn das Kind wieder ‚in den Brunnen gefallen‘ ist.“
Welche Corona-Regeln kommen könnten
Zu den Maßnahmen gehören nach Ansicht von Montgomery die Maskenpflicht in Innenräumen, Kontaktbeschränkungen und Teststrategien. „Auch über Impfkampagnen und Impfpflichten sollten die Regeln vorliegen und allen klar sein. Das wäre kraftvoll handelnde Politik und nicht populistisch abwartende Beschlussverweigerung“, ergänzte er.
Die Maske sei nach wie vor das effektivste Instrument zur Infektionsvermeidung. „Diese wissenschaftliche Evidenz ist unbestritten“, betonte Montgomery. „Wer aus der Politik heute den Sinn des Maskentragens hinterfragt, dem geht es nicht um die Infektionsverhinderung; dem geht es vielmehr um die Fragen der ökonomischen und sozialen Folgen.“
Lauterbach kündigt Erhöhung des Krankenkassenbeitrags an
Auf die über 57 Millionen Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommt 2023 ein deutlich höherer Beitrag zu.
© Quelle: Reuters
Zurückhaltender äußerte sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). „Grundsätzlich wollen wir die Ergebnisse der Evaluation zunächst abwarten, um entscheiden zu können, ob eine Fortführung einzelner Maßnahmen sinnvoll ist oder eben nicht“, sagte die stellvertretende DKG-Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer dem RND. „Gleichwohl waren Maßnahmen wie die Maskenpflicht oder 2/3G-Regelungen wirksame Instrumente und auch relativ milde Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen.“