Folgen des russischen Angriffskriegs

Brot wird knapp – Sorge um Ernährungslage im Nahen Osten wächst

Ägypten, Kairo: Ein Junge kauft Brot auf einem Markt (Symbolfoto)

Ägypten, Kairo: Ein Junge kauft Brot auf einem Markt (Symbolfoto)

Beirut. Der wirtschaftliche Kollaps im Libanon hatte Lajal Aswad bereits hart getroffen. Wegen der russischen Invasion in die Ukraine sind die Lebensmittelpreise in ihrem Heimatland jetzt noch weiter gestiegen. Oft schafft sie es kaum noch, ihrer vierköpfigen Familie ausreichend Essen auf den Tisch zu stellen. „Selbst Brot ist für uns nicht mehr etwas, das wir als selbstverständlich betrachten“, sagt die 48-jährige Hausfrau.

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+++ Alle Entwicklungen zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine im Liveblog +++

Ob im Libanon, im Irak und in Syrien oder im Sudan und im Jemen – Millionen Menschen, die ohnehin schon von Krieg, Vertreibung und Armut betroffen waren, stehen vor einer existenziellen Krise. Denn Russland und die Ukraine deckten bisher etwa ein Drittel der globalen Exporte von Weizen und Gerste ab.

Auch bei anderen Getreidesorten sowie bei Sonnenblumenöl zählen sie zu den wichtigsten Erzeugern. Im Nahen Osten spielten Lieferungen aus diesen beiden Ländern eine überragende Rolle bei der Ernährung der Bevölkerung.

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Experten warnen vor Unruhen

Viele Produkte sind wegen der von dem Krieg ausgelösten Störungen des Handels entweder nicht mehr verfügbar oder plötzlich sehr teuer. „Einfach ausgedrückt, können sich die Leute Nahrung in der benötigten Qualität und Menge nicht mehr leisten“, sagt die bei der Organisation Human Rights Watch für die Region zuständige Koordinatorin Lama Fakih.

Einige Experten warnen, dass die Versorgungsengpässe auch zu Unruhen führen könnten. Stark gestiegene Brotpreise seien auch einer der Auslöser der regierungskritischen Proteste gewesen, die ab Ende 2010 zum Arabischen Frühling geführt hätten, sagte Kristalina Georgiewa, die Leiterin des Internationalen Währungsfonds IWF, am Sonntag beim „Doha Forum“ in Katar. „Wenn Preise in die Höhe gehen und arme Menschen ihre Familien nicht mehr ernähren können, werden diese auf die Straßen gehen.“

Im Irak und im Sudan hat öffentlicher Frust wegen Versorgungsengpässen in den vergangenen Wochen bereits mehrfach zu Protesten geführt. „Die Menschen haben ein Recht auf Nahrung. Und Regierungen sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um dieses Recht zu schützen“, sagt Fakih. „Ansonsten riskieren wir nicht nur Ernährungsunsicherheit, sondern auch die Unsicherheit und Instabilität, die ein krasser Mangel von diesem Ausmaß auslösen könnte.“

Dürre und Krieg: Hilfsorganisation Oxfam befürchtet Hungerkrise in Ostafrika
ARCHIV - 13.12.2021, Afghanistan, Hachka: Abdul Haqim begutachtet sein karges Feld, auf dem er früher Weizen anbaute, um seine 18-köpfige Familie zu ernähren. Hilfsorganisationen haben vor einer Zuspitzung der Hungerkrise in Afghanistan gewarnt. Foto: Mstyslav Chernov/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Entwicklungsorganisation Oxfam warnt vor einer Hungerkrise in Ostafrika. Grund dafür sei unter anderem der Krieg in der Ukraine und eine anhaltende Dürre.

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Sorge um Umleitung internationaler Hilfe

Befürchtet wird auch, dass wesentliche Teile der internationalen Hilfe, von der viele arabische Länder abhängig sind, wegen des Krieges in Richtung Ukraine umgeleitet werden könnten. Für viele Millionen Menschen in Krisengebieten wäre dies „gleichbedeutend mit der Abschaltung kritischer Lebenserhaltungssysteme“, hieß es vergangene Woche in einem Bericht des Instituts Carnegie Middle East.

Allein in Syrien werden nach UN-Angaben dieses Jahr 14,6 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sein – 9 Prozent mehr als 2021 und 32 Prozent mehr als 2020.

Dramatische Lage im Jemen

Auch im Jemen ist die Lage nach sieben Jahren Bürgerkrieg dramatisch. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht schätzten die Vereinten Nationen und internationale Hilfsorganisationen, dass dort im laufenden Jahr mehr als 160.000 Menschen von hungerähnlichen Zuständen bedroht seien. Angesichts des Krieges in der Ukraine könnte die Zahl noch steigen.

„Ich habe nichts“, sagt Ghalib al-Nadschdschar, ein jemenitischer Vater von sieben Kindern. Vor gut vier Jahren war die Familie des 48-Jährigen aus ihrem Viertel in der von Rebellen besetzten Hauptstadt Sanaa geflohen. Seitdem lebt sie in einem Flüchtlingslager außerhalb der Stadt. „Ich brauche Mehl, ein Paket Mehl. Ich brauche Reis. Ich brauche Zucker“, sagt Al-Nadschdschar. Er brauche all das, was zum Überleben notwendig sei.

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Im Hafen von Beirut reichen Vorräte nur noch für sechs Wochen

Im Libanon, wo die wichtigsten Getreidespeicher 2020 durch eine gewaltige Explosion im Hafen von Beirut zerstört wurden, reichen die Vorräte nur noch für sechs Wochen. In vielen Supermärkten gab es in der vergangenen Woche schon kein Mehl und kein Maiskeimöl mehr.

„Was immer in die Regale kommt, wird gekauft“, sagt Hani Bohsali, Leiter eines Verbands von Nahrungsimporteuren. Bisher seien 60 Prozent des im Libanon konsumierten Speiseöls aus der Ukraine gekommen, der Rest überwiegend aus Russland. „Das ist kein kleines Problem.“

Der Preis für fünf Liter Speiseöl entspricht im Libanon inzwischen etwa dem monatlichen Mindestlohn – dieser ist in der schweren Wirtschaftskrise des Landes unverändert geblieben, obwohl die Währung seit Oktober 2019 etwa 90 Prozent an Wert verloren hat.

Im Nachbarland Syrien, wo nach elf Jahren Bürgerkrieg mehr als 90 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, sind Waren wie Speiseöl, wenn überhaupt verfügbar, doppelt so teuer wie vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine.

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Mitarbeiter des World Food Programme, WFP, verladen Grundnahrungsmittel an einem Logistikstuetzpunkt in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik. 14.03.2014. Bangui Zentralafrikanische Republik PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xThomasxKoehlerx

Employees the World Food Programs WFP loaded Basic food to a  in Bangui in the Central African Republic 14 03 2014 Bangui Central African Republic PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright xThomasxKoehlerx

Krieg in der Ukraine treibt Welthunger: Wie lässt sich das stoppen?

Lesen Sie hier, wie verhindert werden kann, dass noch mehr Menschen unter Hunger leiden.

Ägypten importiert so viel Weizen wie kein anderes Land

Ägypten, das so viel Weizen importiert wie kein anderes Land der Welt, ist besonders gefährdet. Nach offiziellen Angaben lebt etwa ein Drittel der mehr als 103 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Bei Stichproben eines Journalisten der Nachrichtenagentur AP auf Märkten in drei verschiedenen Stadtteilen von Kairo zeigte sich kürzlich, dass die Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot um bis zu 50 Prozent gestiegen waren.

Im Gazastreifen, wo die Lebensmittelpreise schon vor dem Krieg in der Ukraine gestiegen waren, sind diese nun dramatisch in die Höhe geschnellt. Der örtliche Geschäftsmann Fajek Abu Aker importiert über eine türkische Firma Waren wie Speiseöl, Linsen und Nudeln.

Als diese Firma vor wenigen Wochen den Vertrag für Speiseöl gekündigt habe, habe er sich im angrenzenden Ägypten nach Alternativen umgesehen. Aber dort seien die Preise noch höher gewesen, sagt er. „In 40 Jahren in meinem Geschäft habe ich noch nie eine solche Krise erlebt.“

RND/AP

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