Nach Tod von Ginsburg: Rechtsverschiebung des Supreme Court im Turbotempo
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Der mit einer amerikanischen Flagge bedeckte Sarg mit dem Leichnam der US-Richterin Ruth Bader Ginsburg kommt vor dem Supreme Court an, in dem der Leichnam aufgebahrt werden soll. Im Anschluss an eine private Zeremonie im Gerichtsgebäude können Bürger der Juristin ab heute zwei Tage lang am Eingang die letzte Ehre erweisen und Abschied nehmen. Ginsburg, Richterin am Obersten Gericht der USA und amerikanische Justizikone, ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
© Quelle: J. Scott Applewhite/AP/dpa
Washington. Der Senator gab sein Ehrenwort. “Wenn es im letzten Jahr der Trump-Präsidentschaft eine Vakanz (am Supreme Court, d. Red.) geben sollte, werden wir bis nach den Wahlen warten”, sagte Lindsey Graham. “Das ist offiziell?”, fragte der Interviewer vorsichtshalber nach. “Sie können das Band aufheben”, bestätigte der Republikaner aus South Carolina.
In den sozialen Medien wird die Aufnahme aus dem Oktober 2018 derzeit viel geteilt. Doch hat sie Graham, der inzwischen den Justizausschuss des US-Senats leitet und gern mit dem Präsidenten Golf spielen geht, nicht daran gehindert, sein Versprechen nach dem Tod der Verfassungsrechtlerin Ruth Bader Ginsburg eilig zu brechen: “Ich werde Donald Trump in jeder Hinsicht unterstützen”, sagt er nun und kündigt die Neubesetzung des Postens noch im Oktober an – also wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl.
Grahams 180-Grad-Wende ist typisch für die Republikaner, denen die Loyalität zu Trump längst wichtiger ist als die Prinzipientreue. So scheint fünf Tage nach Ginsburgs Tod festzustehen: Der Präsident hat die erforderliche Unterstützung zur Neubesetzung des Postens im Turbotempo. Die Republikaner, die seinen Vorschlag billigen müssen, haben im Senat eine Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen. Bei Patt entscheidet Vizepräsident Mike Pence. Es bräuchte also vier Abweichler, um das Vorhaben zu stoppen. Doch die sind nicht in Sicht.
Auch der Trump-Kritiker Mitt Romney knickt ein
Zuletzt hatte es so ausgesehen, als wenn sich einige republikanische Senatoren mit der heiklen Last-minute-Aktion schwertun könnten. Doch am Dienstag erklärten die als Wackelkandidaten gehandelten Mitt Romney (Utah), Chuck Grassley (Iowa) und Cory Gardner (Colorado), dass sie Trumps Kurs unterstützen. Damit bleiben nur die notorisch unzuverlässige Senatorin von Maine, Susan Collins, und Lisa Murkowski, die Senatorin von Alaska, als wahrscheinliche Neinsager.
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Die Schicksalswahl
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“Ich glaube, wir haben alle Stimmen, die wir brauchen”, jubelte Trump: “Es wird also passieren.” Am Samstagnachmittag (US-Zeit) will er seine Kandidatin vorstellen. Als Favoritinnen gelten die 48-jährige Amy Coney Barrett, eine erzkatholische Abtreibungsgegnerin, und die 52-jährige Barbara Lagoa, die als Tochter von Kuba-Flüchtlingen wichtige Stimmen im Swing-State Florida sichern könnte. Die Richter am Obersten Verfassungsgericht werden auf Lebenszeit berufen. Wegen ihres Alters könnten beide Kandidatinnen daher für Jahrzehnte eine rechte Mehrheit bei wichtigen Entscheidungen etwa zur Abtreibung, zum Waffenrecht oder in der Einwanderungspolitik garantieren.
Normalerweise dauert das Anhörungs- und Bestätigungsverfahren im Schnitt zwei Monate. Bei der Nominierung des umstrittenen Trump-Kandidaten Brett Kavanaugh 2018 waren es sogar 89 Tage. Nun soll nach amerikanischen Medienberichten am 12. Oktober die erste Anhörung vor dem Justizausschuss stattfinden. Für den 29. Oktober ist offenbar schon die abschließende Abstimmung im Senatsplenum geplant. Am 3. November wird der US-Präsident gewählt. In den Umfragen liegt der demokratische Herausforderer Joe Biden vor Trump.
Mit dem Eilverfahren verstoßen die Republikaner gegen den letzten Willen von Ginsburg. Die prominente Verfassungsrichterin hatte ihrer Enkelin kurz vor dem Tod diktiert, ihr wichtigster Wunsch sei, dass mit der Neubesetzung bis nach der Wahl gewartet werde. Trump unterstellt ohne Beweise, dass der letzte Wille von den Demokraten gefälscht worden sei. Derweil wurde Ginsburgs Leichnam am Mittwoch vor dem Supreme Court aufgebahrt. Die Öffentlichkeit hat nun zwei Tage Zeit, von der beliebten linken Justizikone Abschied zu nehmen. Die Beerdigung im kleinen Kreis ist für die kommende Woche geplant.