Nach Tod von George Floyd: Mehrere Tatvorwürfe steigern Chance auf Schuldspruch

Eine Demonstrantin kniet während eines Protests vor Bereitschaftspolizisten und hält ein Schild mit der Aufschrift «Die Polizei tötet».

Eine Demonstrantin kniet während eines Protests vor Bereitschaftspolizisten und hält ein Schild mit der Aufschrift «Die Polizei tötet».

Chicago. Das Video, auf dem George Floyd vergeblich um sein Leben ringt, dürfte vor Gericht schwer wiegen. Dass es für eine Verurteilung des angeklagten Polizisten ausreicht, ist nach Einschätzung von Experten indes nicht ausgemacht. “Das ist kein sicherer Hafen”, sagt Anwalt Mike Brandt aus Minnesota. “Die Staatsanwälte müssen viele Linien zusammenführen. Wenn nur eine in Frage gestellt wird, kann man begründete Zweifel erheben.”

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Die Anklage im Fall George Floyd ist eine Gratwanderung. Die Staatsanwaltschaft muss die Geschworenen von der Schuld des Polizisten Derek C. überzeugen, der fast neun Minuten lang auf dem Hals des gefesselten Schwarzen kniete, auch als der schon bewegungslos war. Dabei darf die Anklage aber nicht überfrachtet werden. Denn wenn Punkte vorgebracht werden, die nicht klar belegt werden können, tendieren die Geschworenen insgesamt eher zu Freispruch – oder werden sich nicht einig.

Anklage hochgestuft

Der öffentliche Druck, den Hauptverdächtigen und drei weitere an der tödlichen Festnahme beteiligte Polizisten zur Rechenschaft zu ziehen, ist groß. Bei dem Einsatz am 25. Mai in Minneapolis drückte C. dem auf dem Boden liegenden Floyd das Knie auf den Hals, während zwei weitere Polizisten die Beine des mit Handschellen gefesselten Mannes festgehalten haben sollen. Ein anderer stand daneben, kehrte seinen Kollegen teilweise den Rücken zu.

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Die Anklage für den 44-jährigen Hauptbeschuldigten wurde am Mittwoch von “Mord dritten Grades” auf “unbeabsichtigten Mord zweiten Grades” hochgestuft, wie aus einem Justizdokument hervorgeht. Als “unbeabsichtigter Mord zweiten Grades” gilt nach dem Recht von Minnesota, wenn der Täter ein Schwerverbrechen begehen wollte und das Opfer dabei unbeabsichtigt tötete. Der Passus mit dem Verbrechen ist dabei wesentlich: Die Staatsanwaltschaft legt dem Polizisten im konkreten Fall schwere Tätlichkeit zur Last.

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Bei Anti-Rassismus-Protesten im englischen Bristol haben Demonstranten die Statue eines Sklavenhändlers von einem Sockel geholt und ins Hafenbecken geworfen.

Vorsatz und Absicht schwer nachweisbar

Der Tatvorwurf "Mord dritten Grades", was in etwa einem Totschlag nach deutschem Recht entspricht, bleibt aber ebenso bestehen wie die Anklage auf "Totschlag zweiten Grades". "Mord zweiten Grades" kann mit bis zu 40 Jahren Haft geahndet werden, "Mord dritten Grades" mit bis zu 25 Jahren und Totschlag mit bis zu zehn Jahren.

Die Familie Floyds fordert, dass die Anklage noch um "Mord ersten Grades" erweitert wird. Der Generalstaatsanwalt von Minnesota, Keith Ellison, hat die Möglichkeit einer Erweiterung noch offengelassen. Doch bei "Mord ersten Grades" müsste die Anklage Vorsatz und Absicht nachweisen. Auch ein Motiv wäre nötig. Nach Ansicht von Anwalt Mike Brandt ginge das zu weit. "Ich denke, das kommt nicht in Frage", lautet seine Einschätzung. "Mord zweiten Grades" hält er hingegen für angemessen.

Mehrere Tatvorwürfe steigern Chance auf Schuldspruch

Dass die Staatsanwaltschaft verschiedene Tatvorwürfe aufs Tapet bringt, eröffnet dem Gericht mehr Optionen. Damit steigen die Chancen für einen Schuldspruch bei zumindest einem der Tatvorwürfe. Vor allem wenn die Geschworenen untereinander uneins sind, lässt sich so leichter ein Kompromiss finden.

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Ein zentraler Punkt in Verfahren um Polizeigewalt ist die Frage, ob eine Bedrohung für den Beamten vorlag. Im Fall Floyd dürfte es für die Verteidigung schwierig sein, zu argumentieren, dass sich ihr Mandant bedroht fühlte – angesichts der Tatsache, dass Floyd gefesselt und mit dem Gesicht zu Boden gepresst auf der Straße lag. Auf dem Video erscheint der Polizist fast lässig, er steckt sogar mehrmals ruhig die Hand in seine Tasche.

RND-Reporter im Zentrum der Proteste: "Eine mächtige Bewegung"
HANDOUT - 05.06.2020, USA, Washington: Das Washington Monument und das Wei��e Haus sind hinter dem Schriftzug "Black Lives Matter" zu sehen, der von st��dtischen Arbeitern und Aktivisten in leuchtend gelben riesigen Buchstaben auf die 16th Street gemalt wurde. Die Aktion ist ein Zeichen daf��r, dass der District of Columbia eine Protestbewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod von George Floyd unterst��tz. Foto: Khalid Naji-Allah/Executive Office of the Mayor/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollst��ndiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

In Washington gehen die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in die nächste Runde. RND-Korrespondent Karl Doemens berichtet aus der US-Hauptstadt.

Hatte Floyd gesundheitliche Probleme?

Allerdings könnte sich die Verteidigung auf die Todesursache konzentrieren und bereits vorher bestehende gesundheitliche Probleme für den Tod Floyds verantwortlich machen, sagt Experte Brandt. Unabhängig davon wird die Anklage aber davon ausgehen, dass letztlich das Verhalten des Hauptverdächtigen ausschlaggebend war.

Abschied von George Floyd
09.06.2020, USA, Houston: Auf einem Bildschirm wird die Videobotschaft von dem designierten demokratischen Pr��sidentschaftskandidaten Joe Biden w��hrend der Trauerfeier f��r George Floyd in der The Fountain of Praise Church abgespielt. Biden hat bei der Trauerfeier f��r George Floyd in einer emotionalen Videobotschaft zur ��berwindung von Rassismus aufgerufen. Foto: Godofredo A. V��squez/POOL Houston Chronicle/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Mit einem bewegenden Trauergottesdienst haben in Houston Angehörige, Freunde und Bürgerrechtler von dem getöteten Afroamerikaner George Floyd Abschied genommen.

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Die drei anderen Polizisten sind wegen Beihilfe bei den Tatvorwürfen “Mord zweiten Grades” und “Totschlag zweiten Grades” angeklagt. Sollte der Hauptangeklagte wegen “Mordes zweiten Grades” verurteilt werden, könnte auch ihnen bis zu 40 Jahre Haft drohen. Bei den beiden, die Floyd festgehalten haben sollen, betonen die Verteidiger, dass ihre Mandanten im Rang weit unter dem Hauptbeschuldigten standen und ihm Folge geleistet hätten. Im Falle des dritten Polizisten, der offenbar einige Meter entfernt stand, könnte nach Ansicht Brandts gelten, dass die reine Anwesenheit am Tatort noch keine Beihilfe darstellt.

RND/AP

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