Nach dem russischen Rückzug
Die Menschen in Kiew trotzen ihrer Angst. Sie strömen trotz der Gefahr von Luftangriffen in die Frühlingssonne und auf die Terrassen der Cafés und Bars. Einsamkeit und Angst verbergen sich hinter der Lebenslust. Kiew nimmt sich keine Zeit zum Trauern.
Kiew. Jogger drehen in aller Frühe ihre Runden auf dem Maidanplatz in Kiew. Die Frühlingssonne sticht ins Auge, viele tragen Sonnenbrillen unter ihren Stirnbändern. Die Jogger weichen Barrieren aus Metall und Beton und den Sandsäcken vor dem Eingang zur Metro aus, als gehöre der Slalom zu ihrem Trainingsparcours. Es ist einiges los für eine Stadt im Krieg. Junge Leute sitzen an einer Bushaltestelle und gähnen, als hätten sie gerade einen Club verlassen. Dabei herrscht Ausgangssperre in Kiew nach 23 Uhr. Ein Nachtleben existiert nicht mehr.
Plötzlich schrillen Sirenen über den Platz. Doch niemand erhebt sich von der Bushaltestelle, niemand hastet zum Eingang der Metro. Die Jogger halten ihre Geschwindigkeit, als würde der Alarm sie nicht stören. Nur ein paar Tauben fliegen vom Lärm irritiert davon. Dann ist der Spuk vorbei und der Maidan wieder ein ruhiger Ort, der am frühen Morgen in der Sonne glänzt.