Minderheitsregierung in Thüringen? Das sollten Sie jetzt wissen

Stehen vor einer komplizierten Regierungsbildung in Thüringen: CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring (l.) und Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Stehen vor einer komplizierten Regierungsbildung in Thüringen: CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring (l.) und Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Berlin. Nach der Landtagswahl in Thüringen deutet sich eine Minderheitsregierung in dem Freistaat an. Sowohl CDU als auch FDP haben nach den Hochrechnungen am Sonntagabend eine Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen. Auch mit der AfD will keine der im Erfurter Landtag vertretenen Parteien koalieren. Das wahrscheinlichste Szenario ist also eine Minderheitsregierung. Was hat es damit auf sich? Wir klären die wichtigsten Fragen.

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Wer kann eine Minderheitsregierung bilden?

Theoretisch jede Partei. In Erfurt könnte es nun auf eine Minderheitsregierung unter Führung der Linkspartei mit Ministerpräsident Bodo Ramelow hinauslaufen. In diesem Fall müsste sich aber Ramelows Rot-Rot-Grün-Bündnis von einer weiteren Partei tolerieren lassen – von der CDU, der FDP oder der AfD. FDP-Chef Christian Lindner hat bereits angekündigt, eine sachbezogene Zusammenarbeit mit der Linkspartei zu prüfen. Umgekehrt könnte es auch CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring mit einer Minderheitsregierung versuchen. Dann müsste er regelmäßig mit den Linken – oder Teilen der Fraktion – als Tolerierungspartei zusammenarbeiten.

Wie funktioniert eine Minderheitsregierung?

Eine Minderheitsregierung braucht bei Abstimmungen die Unterstützung von anderen Parteien im Parlament, um Gesetze zu beschließen. Eine Minderheitsregierung muss also von anderen Parteien im Parlament geduldet werden, sonst würde sie rasch scheitern. Das bedeutet, dass immer wieder neue Kompromisse mit anderen – womöglich wechselnden – Parteien ausgehandelt werden müssen. Einfacher als Gesetzesbeschlüsse wäre zunächst die Wahl des Ministerpräsidenten. Dafür ist im dritten Wahlgang nur noch eine relative Mehrheit nötig – und keine absolute Mehrheit wie in den ersten beiden Wahlgängen.

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Hat es Minderheitsregierungen in Deutschland schon mal gegeben?

Ja, allerdings meist nur auf Landesebene. Zeitlich begrenzte Minderheitsregierungen gab es bisher in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Schleswig-Holstein. Lange gehalten haben sie in der Regel nicht. Das bisher letzte spektakuläre Scheitern mit einer Minderheitsregierung erlebte SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen, der zusammen mit den Grünen 2010 nur ein Mandat zur absoluten Mehrheit fehlte. Keine zwei Jahre nach der Wahl erhielt Krafts Haushaltsentwurf im Landtag keine Mehrheit, woraufhin sich das Parlament auflöste.

Deutlich stabiler war die Minderheitsregierung unter Reinhard Höppner (SPD), der ab 1994 acht Jahre lang mit einer Minderheitsregierung Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt war. Bei der Landtagswahl verfehlte die CDU-FDP-Koalition ihre bisherige Mehrheit, für Rot-Grün allein reichte es ebenfalls nicht. Höppner bildete daher eine von der PDS gestützte rot-grüne Minderheitsregierung. Vier Jahre später regierte Höppners SPD nach dem Ausscheiden der Grünen aus dem Landtag allein auf Minderheitsbasis. Die beiden Regierungen gingen als „Magdeburger Modell“ in die Geschichte ein. In Thüringen gab es noch keine Minderheitsregierung.

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Auf Bundesebene gab es Minderheitsregierungen erst viermal. Sie währten fast immer nur wenige Wochen innerhalb einer Legislaturperiode. Meist waren sie Folge des Rückzugs eines Koalitionspartners aus der Regierung.

Woran sind Minderheitsregierungen in Deutschland bisher gescheitert?

Deutsche Parlamente tun sich traditionell schwer mit Minderheitsregierungen. Das liegt unter anderem daran, dass man in der Weimarer Republik schlechte Erfahrungen mit wackeligen Regierungsmehrheiten gemacht hat. Ihr größter Nachteil ist nämlich ihre Instabilität. Eine Koalition mit absoluter Mehrheit kann sich durch die in aller Regel eingehaltene Fraktionsdisziplin sicher sein, Gesetzesvorhaben durch das Parlament zu bekommen. Verhandlungen mit Tolerierungspartnern können mitunter sehr lange dauern und gelten nur themenspezifisch. Ob es bei den einzelnen Themen überhaupt zu Einigungen kommt, ist oft unklar, da die Fraktionen nicht in eine Koalitionsdisziplin eingebunden sind. Stabiler sind Minderheitsregierungen oft in Skandinavien, wo aber traditionell deutlich mehr Fraktionen und damit deutlich mehr potenzielle Tolerierungspartner in den Parlamenten vertreten sind.

mit dpa

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