Zukunftsrede an Uni Heidelberg

Morawiecki: „Die Niederlage der Ukraine wäre die Niederlage des Westens“

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (r.) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sitzen in der Alten Aula der Universität Heidelberg.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (r.) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sitzen in der Alten Aula der Universität Heidelberg.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Europa angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zum Zusammenhalt aufgerufen. „Europa sollte eine Kathedrale des Guten und eine Universität der Wahrheit sein“, sagte er am Montag an der Universität Heidelberg in einer Rede zur Zukunft Europas und der Frage, ob angesichts der Invasion Russlands in der Ukraine die europäischen Werte Bestand haben werden.

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Mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stehe der Kontinent an einem „historischen Wendepunkt“. Es brauche nun mutige Visionen der Staats- und Regierungschefs, um wieder auf Kurs zu kommen, betonte er. Vor allem das Thema Sicherheit müsse oben auf der Liste stehen, so Morawiecki. Der Krieg in der Ukraine bedrohe nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa sowie die europäischen Werte wie Nationalstaat, Freiheit und Solidarität.

Morawiecki betont Ablehnung zu EU-Reformen

Dies seien auch die Prinzipien, für die die Ukraine aktuell kämpfe. „Der Kampf der Ukrainer für das Existenzrecht auf nationale Selbstbestimmung ist eine weitere heroische Manifestation der Verteidigung des Nationalstaats und der Freiheit“, würdigte der polnische Ministerpräsident den Einsatz des Landes und unterstrich dessen Bedeutung. Der Kampf werde die Zukunft des gesamten Kontinents bestimmen. „Eine Niederlage der Ukraine wäre die Niederlage des Westens.“

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Er mahnte weiter die Gefahr durch Russlands Neoimperialismus an: „Heute wird Europa Zeuge von Verbrechen, die im Namen einer antinationalen Ideologie begangen werden“, sagte Morawiecki. „Das motiviert Putin: der Wunsch, alle Unterschiede zu beseitigen, nationale Identitäten zu zerstören und sie mit dem großen russischen Imperium zu verschmelzen.“

Seiner Ansicht nach zeichne sich Europa aber durch seine Vielfalt und Einheit aus. „Wir teilen gemeinsame Werte, aber jede Nation hat ihre eigene Identität“, so der polnische Ministerpräsident. Dieses geistige Erbe gelte es unter allen Umständen zu schützen. Nichts könne in Europa besser für die Freiheit von Nationen, ihre Kultur und ihre militärische Sicherheit garantieren, als die Nationalstaaten selbst. Es sei ein Irrweg, einen europäischen Superstaat anzustreben, wie dies so manche Bürokraten in Brüssel wollten. „Die Basis unserer Identität liegt in unserer nationalen Identität. Und nicht darin, dass wir unsere Identität verleugnen.“

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Morawiecki warnte vor einer „Gleichschaltung“ innerhalb der EU. „Wenn die EU-Eliten hartnäckig auf der Vision eines zentralisierten Superstaates beharren, werden sie auf den Widerstand weiterer europäischer Nationen stoßen, und je mehr sie darauf beharren, desto heftiger wird die Rebellion ausfallen“, sagte der nationalkonservative Politiker.

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Natürlich sei es möglich, Nationen durch Organisationen wie etwa die EU zu unterstützen. Niemals aber ließen sich Nationalstaaten ersetzen. Gerade in Zeiten politischer Krisen seien sie unabdingbar, betonte Morawiecki auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch in der Vergangenheit habe sich bewährt, wie effizient einzelne Staaten agiert hätten – etwa im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Jedes System, das sich über die Souveränität einzelner Nationen oder deren Willen hinwegsetze, werde früher oder später in Tyrannei oder der Utopie landen, prophezeite er.

Morawiecki kritisiert Schröder

Gleichzeitig kritisierte Morawiecki diejenigen scharf, die auf eine Kooperation mit Russland gesetzt hätten im Tausch gegen Energie und im Sinne von „Handel durch Wandel“. Diese Politiker hätten einen schrecklichen Fehler gemacht, der nun offenbar werde. Wäre die Ukraine auch nur auf materielle Güter konzentriert gewesen, hätte sie längst klein beigegeben angesichts der russischen Aggression. Stattdessen habe sie sich auf sich selbst als Nation besonnen.

Morawiecki warf dabei Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, er habe mit seiner russlandfreundlichen Politik ganz Europa gefährdet. „Es ist ein Versagen, nicht auf die Stimmen der Länder zu hören, die mit ihrer Meinung zu Putin recht hatten.“ Leute wie Schröder hätten Europa von Russland abhängig gemacht und den ganzen Kontinent in existenzielle Gefahr gebracht, sagte Morawiecki. Die Politik, mit Russland Deals zu machen, sei gescheitert.

28.02.2023, Russland, Moskau: Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Wladimir Putin, Präsident von Russland, der eine Rede während einer Sitzung des Vorstands des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) hält. Putin hat den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag mit den USA außer Kraft gesetzt. Dazu habe Putin ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet, teilte der Kreml am Dienstag in Moskau mit. Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wie Putin Revanche für eine empfundene Kränkung nimmt

Schon 2005 bezeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin den Zerfall der Sowjetunion als „die größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Während viele der ehemals 15 Sowjetrepubliken das Ende auch als Chance begriffen, trauern alte russische Eliten dem kollabierten Gebilde bis heute nach. Für Putin stellt er auch persönlich eine Kränkung dar. Seit Jahren arbeitet der Kremlchef zielstrebig an einem Comeback des untergegangenen Imperiums.

Morawiecki ging in seiner Rede auch auf die deutsch-polnische Beziehung ein. Beide Länder seien seit Jahrhunderten Nachbarn und Partner. Heute noch arbeiteten Polen und Deutschland wirtschaftlich eng zusammen, seien voneinander abhängig. Doch es gebe auch noch ungeklärte Fragen, die aus polnischer Sicht noch immer ein Dorn im Auge seien. „Polen hat von Deutschland nie Wiedergutmachung für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs, für die Zerstörung, den Diebstahl von Eigentum und die Schätze der nationalen Kultur erhalten“, monierte Morawiecki und spielte damit erneut auf die von Polen geforderten Reparationszahlungen an. Er argumentierte: „Während Westdeutschland sich frei entfalten durfte, verlor Polen durch den Zweiten Weltkrieg 50 Jahre seiner Zukunft.“

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Kretschmann würdigt Polens Einsatz im Konflikt mit Russland

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dankte Polen für seinen Einsatz im Ukraine-Krieg. Kein Land habe so viele Flüchtlinge aufgenommen. „Millionen von Polinnen und Polen helfen mit einer großen Selbstverständlichkeit“, sagte er am Montag in Heidelberg in einem Grußwort an den polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki vor dessen Rede zur Zukunft Europas. „Sie teilen ihr Zuhause, stellen ihre Wohnung zu Verfügung, helfen bei allem, was die Not lindern könnte“, sagte der Grünen-Politiker. „Diese Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft beeindrucken uns zutiefst.“

Warschau habe mehr als 8 Milliarden Euro für die Unterbringung der Flüchtlinge ausgegeben, mehr als jeder andere Staat. Wenn man nach den europäischen Werten angesichts des russischen Angriffskrieges frage, „dann muss unsere Antwort sein: unverbrüchliche Solidarität“, so Kretschmann weiter. Polen unterstütze die Ukraine uneingeschränkt finanziell, politisch, humanitär und militärisch – „Polen setzt hier Maßstäbe“.

mit dpa


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