Bericht: Russland versucht Umsturz der prowestlichen Regierung in Moldau
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In der moldauischen Hauptstadt Chisinau hängt im Jahr 2019 ein Wahlkampfplakat des Oppositionspolitikers Ilan Shor. (Archivbild)
© Quelle: picture alliance/dpa
Als Russland Ende Februar in die Ukraine einmarschierte, wurden schnell Befürchtungen laut, dass sich der Konflikt auf weitere Regionen ausweiten könnte. Insbesondere die Republik Moldau mit ihrer Konfliktregion Transnistrien wurde dabei immer wieder genannt. Offenbar nicht zu Unrecht, denn laut eines Berichts der „Washington Post“ (WP) versucht sich Moskau am Umsturz der moldauischen Regierung.
In der ehemaligen Sowjetrepublik finden derzeit regelmäßig Proteste gegen die Preissteigerungen der vergangenen Monate und die prowestlich eingestellte Regierung statt. Organisiert werden diese offenbar von einem Handlanger Moskaus: dem Oppositionspolitiker Ilan Shor, der wohl im Exil in Israel lebt. Er soll im Zentrum eines Netzwerks von moldauischen Politikern stehen, die zur Unterstützung ihrer Arbeit im Sinne Moskaus vom russischen Geheimdienst FSB bisher mehrere 10 Millionen Euro erhielten.
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Demonstrierende nehmen an von der Shor-Partei organisierten Antiregierungsprotesten in Chisinau teil.
© Quelle: IMAGO/SNA
Zudem habe die nach Shor benannte Oppositionspartei politische Beratung erhalten. Das weist der Politiker zurück. Vom ukrainischen Geheimdienst beschaffte und von der WP ausgewertete Dokumente belegen jedoch genau diesen Vorgang. Zudem erhält Shor großen Zuspruch aus Moskau für die Proteste gegen die moldauische Regierung.
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Moldau könnte ein „leichteres Ziel als die Ukraine“ sein
Shor sei ein „langfristig wertvoller Partner“, wird ein russischer Politiker von der WP zitiert. Zudem habe man der moldauischen Region, die bereits von der Shor-Partei regiert wird, einen günstigen Gasdeal angeboten. Insbesondere unter den hohen Energiepreisen leidet das Land aktuell. Es ist zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig, und die Preise für den Rohstoff hatten sich zuletzt mehr als verfünffacht. Die Energiekosten machten zuletzt 60 Prozent der durchschnittlichen Lebenskosten in Moldau aus, schreibt die WP.
Die Republik Moldau ist das ärmste Land Europas, rund ein Viertel der nur 2,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner umfassenden Bevölkerung lebt in Armut. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Lage im Land angespannt. Besonders in den ersten Monaten der russischen Invasion wurde auch ein Einmarsch auf moldauisches Territorium befürchtet. Ende Juni erteilte die EU dem Land gemeinsam mit der Ukraine den Status als Beitrittskandidat.
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Gegenüber dem US-Blatt machte der Vizepremier Moldaus, Oleg Serebrian, auch Russlands Misserfolge in der Ukraine für das Interesse Moskaus an seinem Land verantwortlich. „Ihnen ist die ganze Operation in der Ukraine sehr peinlich, und sie brauchen irgendwo einen Erfolg“, wird er zitiert. Er befürchte, dass Moldau ein „leichteres Ziel ist als die Ukraine“. Laut Serebrian verfolge der Kreml „eine Art moralische Aufrüstung der russischen Gesellschaft“ – und könnte dafür in Moldau verschiedene Instrumente einsetzen: „Das erste ist das wirtschaftliche.“
Angriffe auf ukrainische Energieinfrastruktur treffen auch Moldau
Zunächst habe der Staatskonzern Gazprom der Ex-Sowjetrepublik die Gaslieferungen um 30 Prozent gedrosselt und drohe mit weiteren Kürzungen. Zudem sei Moldau auch direkt von Russlands Angriffen auf die Energieinfrastruktur in der Ukraine betroffen, denn von dort beziehe man ein gutes Drittel des Stroms. Und jene Kraftwerke, die die restliche Elektrizität für das Land lieferten, liegen laut des Berichts in der Konfliktregion Transnistrien, die prorussisch eingestellt ist. Auch dort habe man angeblich wegen der gedrosselten Gaslieferungen eine Kürzung der Stromproduktion angekündigt.
Nun steht der Winter bevor – und damit könnte sich die moldauische Energiekrise verschärfen. „Jede Bombe, die auf ein ukrainisches Kraftwerk fällt, ist auch eine Bombe, die auf die moldauische Stromversorgung fällt“, sagte etwa Außenminister Nicu Popescu. Ilan Shor und seinen Antiregierungsprotesten könnte das in die Karten spielen.
RND/sic