Mitte? Rechts? Die CDU im Richtungsstreit
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/R4WWVQAANIJF73DOJSOYPBFYQU.jpg)
„Wie Flitterwochen“: CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak stellt die Plakatkampagne der Union zur Europawahl vor.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Auf ein Detail ist Paul Ziemiak an diesem Freitagmorgen besonders stolz. Der CDU-Generalsekretär stellt die Plakatkampagne seiner Partei für die Europawahl Ende Mai vor. Auf einem Motiv sind die Parteilogos von CDU und CSU zu sehen – das hat es "in dieser Form noch nicht gegeben", sagt Ziemiak.
Das Plakat zeigt den gemeinsamen Spitzenkandidaten, den CSU-Europapolitiker Manfred Weber. Darauf der Slogan: "Für Deutschlands Zukunft. Unser Europa". Geschlossen wolle die Union dafür sorgen, "dass Weber Präsident der Kommission wird", betont Ziemiak. Für ihn jedenfalls fühle sich die bevorstehende Zeit des Wahlkampfs an "wie Flitterwochen".
Worin genau die Romantik in den Wochen bis zur Europawahl bestehen soll, wird an diesem Tag nicht ganz klar. Naheliegend ist allerdings die Deutung, dass CDU und CSU den Weg dorthin in trauter Einigkeit beschreiten wollen. Die neuen Parteivorsitzenden, Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, ließen in den zurückliegenden Wochen kaum eine Gelegenheit aus, gemeinsam vor die Presse zu treten und neue Harmonie zu demonstrieren.
Kramp-Karrenbauer und Söder demonstrieren Harmonie
Neulich zum Beispiel, als beide in Berlin das Wahlprogramm zur Europawahl vorstellten, lobte Söder, dass dies "aus einem Guss sei"; etwas, das "letztes Jahr gar nicht vorstellbar" gewesen sei. Um dies zu verdeutlichen, zitierte der Bayer aus dem Kapitel über Migration und Flucht.
Söder genoss es sichtlich, auf diese Weise aufzuzeigen, wie weit die CDU der kleinen Schwester unter neuer Führung entgegengekommen ist. Schließlich war es Kramp-Karrenbauer, die zuvor im „Werkstattgespräch“ zur Aufarbeitung der Flüchtlingskrise 2015/2016 zu dem Fazit kam, Grenzschließungen seien als „Ultima Ratio“ möglich.
Nicht nur in der Asylpolitik ging Kramp-Karrenbauer auf die Konservativen in der Union zu. Auch ihr Faschingswitz über Transgender-Toiletten, die Forderung nach einem europäischen Flugzeugträger und der Ruf nach einer Entlastung für Unternehmen waren ein Gruß an jene Teile ihrer Partei, die sich unter Angela Merkel an den Rand gedrängt wähnten.
Die Ultra-Konservativen fühlen sich ermutigt
Der konservative und der wirtschaftsliberale Flügel sehen sich seither im Aufwind und bestimmen zunehmend die Debatte. Vor allem die Werteunion – ein überschaubarer Kreis von Parteimitgliedern in nicht allzu wichtiger Funktion – sieht sich durch die neue Vorsitzende ermuntert zu immer neuen Anti-Merkel-Forderungen - und prägt so das Erscheinungsbild der CDU mit.
Eine Entwicklung, die liberale Christdemokraten jetzt stoppen wollen. Dazu haben sie eine Gegenbewegung initiiert: die „Union der Mitte“.
Dem Gesprächskreis gehören Bundestagsabgeordnete, Landes- und Kommunalpolitiker an. Er hat sich am Freitagnachmittag erstmals in Berlin getroffen. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, eine der Initiatorinnen, wollte mit diesem Treffen dem Eindruck entgegenwirken, die CDU rücke nach rechts.
Vorab twitterte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter: „Der gegenwärtige Kurs will das erzkonservative Lager befrieden, zieht die Union aber aus der Mitte und nimmt uns Koalitionsoptionen, stärkt die Grünen“. Kiesewetters Fazit: „Der Kurs von Merkel war schon weise!“
Eine „engagierte Runde“ sei am Freitag zusammengekommen, sagte Prien im Anschluss an das Treffen. „Die Union der Mitte will auch in Zukunft Annegret Kramp-Karrenbauer dabei unterstützen, uns als Volkspartei des konservativen, liberalen und christlich-sozialen Bürgertums breit aufzustellen“, so Prien.
Warnung vor Rechtsruck
Serap Güler, Staatssekretärin für Integration in der NRW-Landesregierung von Armin Laschet, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Wenn die Union weiterhin erfolgreich dieses Land gestalten will, muss sie die Partei der Mitte bleiben. Das sehen sehr, sehr viele in der Union so und deshalb ist es auch gut, dass wir jetzt lauter geworden sind.“
Güler warnt Parteichefin Kramp-Karrenbauer vor einer Rücksichtnahme auf die Ultrakonservativen in ihrer Partei: „Ein Rechtsruck, wie ihn sich eine Handvoll selbsternannter Konservativer wünscht, wäre das Ende der Union als Volkspartei.“
Von Marina Kormbaki/RND