Entwicklungsministerin und Arbeitsminister unterwegs

Warum Schulze und Heil gemeinsam nach Afrika reisen

Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil stellen sich den Fragen der Teilnehmer.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil reisen zusammen nach Afrika.

Berlin. Noch vor einigen Jahren wäre es ungewöhnlich gewesen, dass ein Einwicklungs- und ein Arbeitsminister gemeinsam zu einer Reise nach Afrika aufbrechen. Viele Berührungspunkte gab es nicht. Entwicklungshilfe galt mit Blick auf den heimischen Arbeitsmarkt allenfalls als Bollwerk gegen unerwünschte Einwanderung. „Fluchtursachen beseitigen“ hieß auch immer, Arbeitsmigration zu verhindern.

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Doch die Zeiten haben sich geändert, seitdem in Deutschland ein akuter Fachkräftemangel herrscht. Aber auch das Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern hat sich stark verändert, was im gerade erst in Kraft getretenen Lieferkettengesetz zum Ausdruck kommt. Am Montag, dem „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ beginnen Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) eine Reise nach Ghana und in die Elfenbeinküste, um sich vor Ort anzuschauen, ob die neuen Regelungen am Anfang der globalen Lieferketten tatsächlich zu besseren Arbeits- und Umweltbedingungen führen.

Mitgliedsstaaten verwässern EU-Lieferketten-Richtlinie

Schulze und Heil besichtigen in Ghana unter anderem eine Textilfabrik und den wohl größten Secondhand-Textilmarkt der Welt in der Hauptstadt Accra. Begleitet werden sie vom Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Gilbert Houngbo. Ghana ist einer der größten Importeure von Alttextilien und Deutschland einer der Hauptexporteure. Allerdings sind rund 40 Prozent der ankommenden Ware für den Weiterverkauf unbrauchbar und werden in der Regel sofort nach Ankunft als Abfall aussortiert und anschließend an Flüssen und Stränden wild entsorgt oder verbrannt. Das sorgt für eine massive Umweltverschmutzung.

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In der Elfenbeinküste besuchen sie eine Kakaoplantage und eine Kooperative. Hier soll es zum Beispiel um die Frage gehen, wie Kinderarbeit verhindert und die gesamte Lieferkette überwacht werden kann. Schulze sagte vor Beginn der Reise, auch die deutsche Gesellschaft trage dafür Verantwortung, dass entlang der Lieferketten die Menschenrechte und Umweltstandards geachtet würden. „Gute Arbeit, von der die Menschen leben könnten“, sei das Ziel.

Das zum 1. Januar in Kraft getretene Lieferkettengesetz regelt die Einhaltung internationaler Standards zu Menschenrechten und Umwelt entlang der gesamten Lieferkette, zum Beispiel das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Es gilt zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten, wodurch etwa 900 Firmen betroffen sind. Diese Unternehmen sind verpflichtet, Regelverletzungen so schnell wie möglich abzustellen. Andernfalls drohen Bußgelder. Eine strafrechtliche Verfolgung ist nicht vorgesehen, auch eine zivilrechtliche Haftung ist in dem Gesetz nicht verankert. Auf EU-Ebene wird derzeit eine Lieferkettenrichtlinie erarbeitet, wobei der ambitionierte Entwurf der Kommission bereits durch die Mitgliedsstaaten verwässert wurde.

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Wirtschaft lamentiert über Lieferkettengesetz

Kritik am Lieferkettengesetz kam erneut von der Wirtschaft – vor allem mit Blick auf Afrika. Der Kontinent gewinne für Deutschland rasant an strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung, um die ausgeprägte Abhängigkeit einzelner Branchen von Asien zu reduzieren, sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Industrie (BDI) dem RND. Das Lieferkettengesetz „erschwert die Diversifizierungsbemühungen der deutschen Industrie und konterkariert in vielen Bereichen sogar ein stärkeres Engagement in Afrika“, beklagt er.

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Es gebe bereits erste Unternehmen, die die bürokratischen und rechtlichen Hürden zum Anlass nähmen, sich vom afrikanischen Markt zu verabschieden. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine bisher nicht veröffentliche BDI-Umfrage, bei der 65 Prozent der Unternehmen angaben, dass das Lieferkettengesetz ihre Afrika-Aktivitäten erschweren würde. „Wir alle wollen saubere Lieferketten, aber die erreichen wir nicht durch bürokratische Überforderung“, sagte Niedermark. „Das Worst-Case-Szenario für die Unternehmen wäre, wenn die EU-Regulierung über die Anforderungen des deutschen Gesetzes noch hinausgehen würden“, warnte er.

ARCHIV - 30.03.2022, Berlin: Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, stellt den UNFPA Weltbevölkerungsbericht 2022 der Vereinten Nationen vor. Schulze will als Reaktion auf Folgen des Krieges in der Ukraine ein neues Bündnis für globale Ernährungssicherheit schaffen. (zu dpa «Entwicklungsministerin will Bündnis für globale Ernährungssicherheit») Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Svenja Schulze: „Wer Kinderarbeit zulässt, muss verklagt werden können“

Das deutsche Lieferkettengesetz gilt Kritikern als nicht streng genug. Die EU-Kommission will deutlich schärfere Regelungen durchsetzen. Entwicklungsministerin Svenja Schulze im RND-Interview zur Haltung der Ampelkoalition in dieser Frage, zur anhaltenden Nahrungsmittelkrise und zu ihren Erwartungen an die nächste Weltklimakonferenz.

Die Initiative Lieferkettengesetz, ein Zusammenschluss aus mehr als 130 zivilgesellschaftlichen Organisationen, wies die Kritik zurück. Mit ihrer Fundamentalopposition gegen derartige Gesetze seien die deutschen Wirtschaftsverbände völlig aus der Zeit gefallen, sagte Bündnis-Sprecher Johannes Heeg. „Ob von Kundinnen und Kunden, Investoren oder Regierungen: Weltweit gibt es einen Trend, mehr Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz von Unternehmen einzufordern“, sagte er. Diesem Trend müssten sich alle Unternehmen früher oder später stellen. Ein Wettbewerbsvorteil sei, sich schon jetzt damit auseinandersetzen, argumentierte Heeg. Die Kosten seien überdies gering: Selbst konservative Studien kämen hier auf maximal 0,6 Prozent des Umsatzes.

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