Ministerpräsidenten verteidigen sich gegen Merkel-Kritik: Ramelow ärgert sich über „Tonart“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Berlin. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat kritisch auf die jüngsten Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel reagiert, die die Schuld für das Scheitern einer gemeinsamen Corona-Politik am Sonntag in der ARD-Sendung „Anne Will“ im Wesentlichen den Ländern gegeben hatte.

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„Ich reagiere da jetzt mit einer gewissen Schärfe, weil ich es wirklich leid bin, mir anhören zu müssen, was man hätte tun müssen, aber selbst tatsächlich nichts getan hat“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich fordere schon seit Langem einen Stufenplan und einheitliche Regeln für ganz Deutschland. Wenn die Kanzlerin das auch thematisiert, soll’s mir recht sein. Ich bin nur irritiert, dass sie das jetzt als Drohkulisse aufbaut. Denn es waren mehrere Ministerpräsidenten, die bei der vorletzten Ministerpräsidentenkonferenz ihre Enttäuschung zum Ausdruck gebracht haben, dass es wieder keinen Stufenplan gibt und nur ein paar dürre Eckpunkte über Inzidenzen. Deshalb ärgere ich mich ein bisschen über die Tonart.“

Ramelow beklagte zudem, dass das Saarland zusätzliche Impfdosen bekommen habe, obwohl die Inzidenzen in großen Teilen Thüringens viel höher lägen. Auch habe Bayern kurz vor der letzten Ministerpräsidentenkonferenz „die Baumärkte aufgemacht“. Die „Frau Bundeskanzlerin“ müsse deshalb „Ross und Reiter nennen“.

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Gegen eine von Merkel ins Spiel gebrachte Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um einheitliche Regeln verbindlich zu machen, habe er jedenfalls nichts einzuwenden, betonte der Linken-Politiker. Doch eine kurzfristig angesetzte neue Ministerpräsidentenkonferenz bringe nichts, wenn nicht klar sei, was dabei herauskommen solle.

Länder verteidigen Corona-Vorhaben

Trotz der deutlichen Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Corona-Krisenmanagement mehrerer Bundesländer sehen diese keinen Grund für Planänderungen. „Jeder will, dass die Infektionszahlen runtergehen, und jeder hat für sein Land entsprechende Maßnahmen gemacht“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Montag in Berlin. Der CDU-Chef räumte allerdings ein, diese Maßnahmen seien „sehr unterschiedlich“.

Der Ministerpräsident des Saarlands, Tobias Hans (CDU), kündigte an, an seinem Modellprojekt für Lockerungen durch massenhaftes Testen festzuhalten. „Wir werden diese Strategie weiterverfolgen“, sagte Hans am Montag. Es handele es sich „im Übrigen um eine sehr vorsichtige Strategie“, die ab dem 6. April schrittweise umgesetzt werden solle. „Wir sorgen mit dem Saarland-Modell dafür, dass Aktivitäten, die im Moment drinnen stattfinden, im Verborgenen, ins Freie kommen“, sagte er. „Ich halte es für ein falsches Signal, mit Botschaften wie ein Bundesgesetz jetzt sozusagen in die Öffentlichkeit zu gehen - nach dem Motto: „Das Einzige, was hilft, ist, wenn der Bund das regelt““, sagte Hans weiter.

„Wenn der Bund entscheidet, Gesetzgebungskompetenz zu übernehmen, dann kann er das selbstverständlich machen. Er wird am Ende die Länder aber wieder brauchen, so etwas im Bundesrat durchzusetzen.“ Er setze „weiterhin darauf, dass die Länder zusammen mit der Bundesregierung Entscheidungen treffen. Damit sind wir bisweilen recht ordentlich durch die Pandemie gekommen“.

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Modell zur Entdeckung von Infektionen

Hans erklärte laut Teilnehmerangaben auch im CDU-Präsidium, im Saarland würden nicht Beschränkungen durch Lockerungen ersetzt. Stattdessen würden Testauflagen an die Stelle von Beschränkungen gesetzt. Damit bringe man die Menschen dazu, im Freien getestet zusammenzukommen, statt im Verborgenen ohne Tests und Maßnahmen. Es handele sich nicht um ein Experiment, das Infektionen in Kauf nehme, sondern im Gegenteil um ein Modell zur Entdeckung von Infektionen. Natürlich gebe es einen klaren Exit, wenn exponentielles Wachstum mit hohen Belegungszahlen in den Krankenhäusern eintreten werde.

Auch Niedersachsen will an geplanten Lockerungen und Modellprojekten festhalten. „Der Beschluss von Bund und Ländern über die Durchführung von Modellvorhaben ist eine Woche alt und es gibt seitdem auch keine wesentlichen neuen Erkenntnisse“, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Montag.

Deswegen sei vorgesehen, in Niedersachsen nach Ostern mit Modellprojekten zur Öffnung von Handel, Kultur und Außengastronomie in Kombination mit Schnelltests zu beginnen. „Dabei werden die Infektionsentwicklung in den interessierten Kommunen und die Möglichkeit der Gesundheitsämter zur Kontaktnachverfolgung selbstverständlich eine wichtige Rolle spielen.“ Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Althusmann verteidigte die geplanten Öffnungen in Modellkommunen trotz steigender Infektionszahlen. „Ich befürchte, wir werden mit einem gewissen Infektionsgeschehen in Deutschland leben müssen. Deshalb sind solche Modellversuche, wie ich finde, nicht unvorsichtig oder gar leichtsinnig“, sagte der CDU-Politiker dem Radiosender NDR Info.

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Müller weist Kritik zurück

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wies die Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Corona-Kurs seines Senats zurück. „Ich glaube nicht, dass es klug ist, aus dem Kanzleramt heraus jetzt ein Länder-Bashing zu betreiben, denn wir haben alle gemeinsam eine große Aufgabe zu bewältigen und haben auch schon viel gemeinsam erreicht“, sagte Müller am Montag in der „Tagesschau“.

Berlin will mit einer Doppelstrategie die Corona-Pandemie in den Griff bekommen. Vorsichtige Lockerungen etwa in Handel und Kultur bleiben. Sie werden durch verschärfte Regeln vor allem beim Testen und der Maskenpflicht ergänzt.

Die rot-schwarz-grüne Landesregierung in Brandenburg sieht sich mit den Plänen für schärfere Corona-Regeln auf dem beschlossenen Kurs von Bund und Ländern. „Brandenburg setzt die 100er-Notbremse auf Kreisebene um“, teilte Regierungssprecher Florian Engels am Montag mit. Hinzu kämen Ausgangsbeschränkungen von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr in der Osterzeit. „Wir sind damit auf der Linie der MPK (Ministerpräsidentenkonferenz).“

Bovenschulte sieht Bremen nicht von Merkels Kritik getroffen

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) bezieht die Kritik der Kanzlerin nicht auf sein Bundesland. „Wir setzen die Corona-Maßnahmen um, die vereinbart sind. Auch die Notbremse“, sagte Bovenschulte am Montag der Zeitung „Die Welt“ in Berlin. „Insofern fühle ich mich von der Kritik der Kanzlerin nicht angesprochen.“ Die Stadt Bremen nahm am Montag Lockerungen zurück, wie es in dem Bund-Länder-Beschluss von Anfang März vorgesehen war.

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„Die Bundesregierung sollte nicht mit dem Finger auf andere zeigen“, sagte Bovenschulte zu Merkels Auftritt in der ARD-Sendung „Anne Will“ vom Vorabend. „Denn umgekehrt könnten die Länder ja auch darauf hinweisen, dass es mit der Impfstoffbestellung nicht geklappt hat. Das aber hilft uns nicht weiter, wir müssen nach vorne schauen.“

Der Sozialdemokrat äußerte sich skeptisch zu Merkels Empfehlung von Ausgangsbeschränkungen in Risikogebieten. „Zur Wahrheit gehört auch: Ausgangsbeschränkungen haben nur eine sehr begrenzte Wirkung“, sagte Bovenschulte. Ich bin deshalb dafür, dass wir zunächst alle milderen Mittel im Kampf gegen die Pandemie ausschöpfen.“ In der Stadt Bremerhaven, die derzeit schlimmer als Bremen betroffen ist, will der Magistrat aber ab Dienstagabend den nächtlichen Ausgang beschränken.

Bouffier gegen Zentralisierung der Pandemiebekämpfung

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier widersprach Merkel zumindest inhaltlich und sprach sich gegen eine zentralisierte Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland aus. Die Situation in Frankreich zeige, dass das nicht erfolgreicher sei, sagte der CDU-Politiker dem „Handelsblatt“. Der Zeitung zufolge warb Bouffier dafür, regional differenziert vorzugehen. „Ich rate davon ab, das Regelwerk zu zentralisieren und die Gesetze zu verschärfen.“ Der Ministerpräsident sagte der Zeitung weiter: „Wir müssen erst einmal die gefassten Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz umsetzen und schauen, wie es funktioniert.“

Mit Material der dpa.

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