„Der Tag“

Melonis Erfolg rechts an Putin vorbei

Giorgia Meloni

Giorgia Meloni

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

wenn wir diese Zeilen versenden, steht das endgültige Wahlergebnis in Italien noch aus. Aber schon jetzt ist klar, wer die große Gewinnerin des gestrigen Abends ist: Giorgia Meloni. Ihre postfaschistischen Fratelli d’Italia holten ersten Prognosen zufolge rund 25 Prozent der Stimmen und sind im neuen Parlament damit die stärkste Kraft.

Ungarn, Frankreich, Schweden und jetzt Italien: Die Wahlen in diesem Jahr zeigen, wie salonfähig rechte Parteien in Europa heutzutage offenbar wieder sind. Aber während Viktor Orbans Sieg in Ungarn erwartbar gewesen sein mag und Marine Le Pen in Frankreich am Ende doch Amtsinhaber Emmanuel Macron unterlag, hätte das starke Abschneiden Melonis oder auch Jimmie Åkessons (Führer der Schwedendemokraten) vor einem Jahr wohl kaum einer vorausgesagt. Zumal Meloni auch die etablierteren rechten Kandidaten Silvio Berlusconi und Matteo Salvini klar hinter sich ließ.

Salonfähig ohne Putin

Und obwohl es dafür im Detail sicher zahlreiche Gründe gibt, fällt eine Sache doch direkt ins Auge. Anders als Berlusconi, Salvini und Le Pen (und auch die deutsche AfD, die bei den Landtagswahlen in diesem Jahr ebenfalls keine großen Erfolge feiern konnte) haben Åkesson und Meloni nicht mit Wladimir Putin geliebäugelt. Beide stehen klar für eine Unterstützung der Ukraine gegen den Aggressor Russland und vermeiden damit offenbar ein Thema, das für andere rechte Politikerinnen und Politiker zum Problem wird.

Der russische Präsident selbst hat aktuell auch Probleme. Die von ihm beschlossene Teilmobilmachung hat landesweit für Proteste gesorgt. Äußerst brutal gehen die Sicherheitskräfte gegen Demonstrantinnen und Demonstranten vor. Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler berichten von über 2000 Festnahmen seit Mittwoch, körperlicher Gewalt und Demütigungen von Inhaftierten. Zudem erwägt Russland offenbar, die Grenzen für junge Männer zu schließen – um der massenhaften Flucht vor dem Kriegseinsatz entgegenzuwirken. Und dann tauchen auch noch überall im Internet Videos von frischen Rekruten auf, die offenbar vollkommen betrunken bei ihren Meldestationen erscheinen.

Proteste gegen Mobilmachung: Hunderte Festnahmen in Russland

Bei Protesten gegen die Mobilmachung in Russland sind laut einer Menschenrechtsorganisation am Samstag erneut zahlreiche Demonstranten festgenommen worden.

In Deutschland hingegen werden heute und in den kommenden Tagen wieder Zehntausende auf die Straße gehen, um gegen die hohen Energiepreise und die von ihnen dafür verantwortlich gemachte Bundesregierung zu protestieren. Auch sofortige Friedensverhandlungen mit Aggressor Putin werden wieder viele fordern. Ihnen wird egal sein, dass sie dabei mit Rechtsradikalen marschieren und rechten Parteien in die Karten spielen. Bereits gestern demonstrierten in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) etwa 2000 Menschen für die Öffnung der Pipeline Nord Stream 2 und den Rücktritt der Regierung. Drei ukrainische Frauen, die auf die blutigen Folgen des Krieges in ihrem Heimatland hinweisen, werden bepöbelt und schnell entfernt, rechte Symbolik bei Mitdemonstrierenden aber ignoriert.

Salonfähig dank Putin

Vielleicht ein weiteres Zeichen für die Salonfähigkeit rechter Akteurinnen und Akteure, vielleicht aber auch nur ein Zeichen dafür, dass sich in der Krise jeder Mensch doch selbst am nächsten ist. Die Existenzängste, sie sind ja durchaus real. RND-Hauptstadt­korrespondent Jan Sternberg fordert deshalb auch von der Ampelkoalition schnelle Schritte gegen die Energiekrise. „Die Schuldenbremse muss fallen, die Gasumlage aus dem Haushalt finanziert werden und der Bund muss massive Hilfen aus einem Guss in Aussicht stellen“, schreibt Sternberg. Sonst könnte den Menschen ein kalter Winter ins Haus stehen. Und die Proteste könnten eskalieren.

Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen befand sich an diesem Wochenende die meiste Zeit im Warmen. Seine Reise hatte ihn von Saudi-Arabien in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar geführt. Er bringt einen Deal für fossile Energien mit, der dabei helfen wird, in diesem Winter die Wohnungen in Deutschland zu heizen, wie die stellvertretende RND-Chefredakteurin Eva Quadbeck berichtet, die den Bundeskanzler in den Mittleren Osten begleitet hat.

Passenderweise ist es ausgerechnet Putins Krieg, der die Staaten am Golf welt- und handelspolitisch erst wieder salonfähig gemacht hat. Gegen die Kriegstreiberei des russischen Präsidenten verblassen Menschenrechts­verletzungen, die Förderung des Islamismus in Afrika und der grausame Mord an einem Journalisten – Saudi-Arabien und seine Nachbarn, sie sind für Deutschland „schwierige“, aber notwendige Partner. „Wenn es eine Skala für Schurkenstaaten gibt, dann steht seit dem Überfall auf die Ukraine Russland ziemlich einsam am Ende der Skala“, bringt es Quadbeck in ihrem Kommentar auf den Punkt. Mögen die gemeinsamen Pressekonferenzen auch mehr an russische Verhältnisse erinnern. Fragen sind keine zugelassen.

 

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Italien hat uns gewählt.

Giorgia Meloni

 

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Termine des Tages

Bischöfe beraten in Fulda: Wie geht es mit dem Reformprozess in der katholischen Kirche weiter? Mit Spannung wird erwartet, ob es dem Limburger Bischof Georg Bätzing gelingt, den Rückhalt für den Synodalen Weg zu stärken.

Letzte Prüfung vor WM-Nominierung: Um 20.45 Uhr spielt die deutsche Fußball­national­mannschaft der Männer im Londoner Wembleystadion gegen England. Zwar ist es die finale Partie der Uefa Nations League – für beide Mannschaften geht es in dem Wettbewerb aber um nichts mehr.

 

Wer heute wichtig wird

Heute wird das neue Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Dienst gestellt. Auch Bundeskanzler Scholz wird an dem feierlichen Appell teilnehmen. Das Kommando hat die Verantwortung für die operative Führung beim Heimatschutz. Befehlshaber wird Generalleutnant Carsten Breuer.

Heute wird das neue Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Dienst gestellt. Auch Bundeskanzler Scholz wird an dem feierlichen Appell teilnehmen. Das Kommando hat die Verantwortung für die operative Führung beim Heimatschutz. Befehlshaber wird Generalleutnant Carsten Breuer.

 

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Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Tag,

Ihr Paul Berten

 

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