Mehr Macht für Merz im Bundesrat
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Olaf Scholz und Friedrich Merz
© Quelle: imago
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
im Land Berlin geschehen gerade Zeichen und Wunder. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) will ihren Posten aufgeben und ist bereit, Juniorpartnerin zu werden in einer großen Koalition unter Führung der CDU. Dies alles soll geschehen, obwohl Giffeys bisherige Koalition mit Grünen und Linkspartei weiterhin eine Mehrheit hätte.
Da kratzt sich jeder, der die Parteien kennt und ihren Willen zur Macht, am Kopf: Wie kann so etwas sein?
Klar, die Berliner CDU mit ihren 28,2 Prozent sieht sich als moralischer Sieger der Abgeordnetenhauswahl vom 12. Februar. Richtig ist aber auch, dass mehr als 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner eine andere Partei gewählt haben. Und diese anderen Parteien haben, das ist nun mal so in parlamentarischen Systemen, durchaus das Recht, sich zusammenzuschließen zu einer Koalition, auch an der relativ stärksten Partei vorbei. SPD (18,4 Prozent), Grüne (18,4) und Linkspartei (12,2) brächten zusammen genug auf die Waage.
Deutschlands neue Dozentin für Demut?
Warum will Giffey nicht mehr? Hat sie sich über Nacht zur Moralphilosophin gewandelt? Will sie auftreten als Deutschlands neue Dozentin für Demut in der Politik?
Naiven Deutungen dieser Art bleibt Kristina Dunz aus dem Berliner Büro des RND naturgemäß fern. In Wahrheit, meint sie, gehe es Giffey um den „kühl kalkulierten Versuch, für die SPD zu retten, was noch zu retten ist“. Schlimmer als alles andere sei für die SPD die Aussicht auf Schwarz-Grün im Land Berlin. „Dann würde die SPD nach mehr als 20 Jahren wieder auf der Oppositionsbank aufschlagen“, schreibt Dunz. „Von dort ist es sehr viel schwerer, wieder an die Macht zu kommen, als mit einer ganzen Reihe Senatsposten.“
Hinzu kommen, bislang kaum diskutiert, mögliche Interessen des Bundeskanzlers. Plant Olaf Scholz insgeheim ein engeres indirektes Zusammenspiel mit der Union in der Länderkammer? Überlegungen dieser Art böten eine ebenso hässliche wie logische Erklärung der Seltsamkeiten im Land Berlin.
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Zusammensetzung des Bundesrates.
© Quelle: Deutscher Bundesrat
Ein CDU-geführtes Land Berlin würde die bereits große Macht der Union im Bundesrat stärken. Bislang beeinflusst die CDU (ohne die CSU) als führende oder mitregierende Partei sieben Länder mit zusammen 33 Stimmen. Künftig wären es acht Länder mit 37 Stimmen, zwei mehr als die absolute Mehrheit.
Ramelow wittert bereits etwas
Scholz, könnte man zugespitzt sagen, müsste künftig über alle im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze früher oder später mit CDU-Chef Friedrich Merz reden. Das klingt nach einer neuen Beschwernis für den geplagten Kanzler. Doch zugleich, darin liegt eine Verlockung für Scholz, würde es Macht und Möglichkeiten der Grünen und der FDP innerhalb seiner Ampelkoalition reduzieren: Der Kanzler könnte beiden sagen, was am Ende Gesetz wird im Land, entscheide sich ohnehin erst im Vermittlungsverfahren mit dem CDU-beherrschten Bundesrat. Ähnlich verfuhr schon Gerhard Schröder, der unter der Überschrift „Bündnis für Arbeit“ die Unionsländer politisch einsammelte, aber wenig Rücksicht auf die Grünen nahm.
Steht heute wie damals das Heraufziehen einer Art großen Koalition durch die Hintertür bevor? Der Linken-Politiker Bodo Ramelow scheint so etwas bereits zu wittern. Gegenüber dem RND wies der Ministerpräsident von Thüringen darauf hin, dass es Merz bereits mehrfach gelungen sei, im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen – unter anderem beim Streit um das Bürgergeld – und dabei Veränderungen durchzusetzen. Dies könne sich bei der Kindergrundsicherung wiederholen. So verliere die Ampelkoalition im Bund Gestaltungsmöglichkeiten: „Das geht über Berliner Lokalpolitik weit hinaus.“
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in diesen Tag,
Ihr Matthias Koch
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Beim G20-Außenministertreffen in Neu-Delhi wird heute der Auftritt des Russen Sergej Lawrow mit Spannung erwartet. Darf man ihm noch die Hand schütteln? Westliche Diplomaten sind sich da nicht ganz einig. Ein G20-Treffen in Bali im vorigen Jahr verließ Lawrow sofort nach seiner eigenen Rede.
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Termine des Tages
Kanzler Olaf Scholz gibt heute um 9 Uhr eine Regierungserklärung zum Thema „Ein Jahr Zeitenwende“ ab. Am 27. Februar 2022 hatte Scholz drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Bundestag eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt. Unter anderem versprach er 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Aufrüstung der Bundeswehr.
Das Ringen um eine Regierungsbildung im Land Berlin geht heute in eine entscheidende Runde. Um 17.30 Uhr will sich CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche äußern.
Leseempfehlungen: feministische Außenpolitik und Turnsport
Dass Außenministerin Annalena Baerbock Leitlinien für feministische Außenpolitik erstellen ließ, führt bei manchen zu allergischen Reaktionen. Dabei handele es sich um eine Selbstverständlichkeit, kommentiert Daniela Vates in unserem heutigen Leitartikel: Es gehe darum, Frauen weltweit Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen.
Druck im Turnsport: Drei Olympische Spiele, neun Weltmeisterschaften, zwölf Europameisterschaften – mehr als 20 Jahre turnte Kim Bui auf Weltklasseniveau. Im vorigen August beendete die 34-Jährige ihre Karriere und berichtet nun in ihrem Buch „45 Sekunden“ in erstaunlicher Offenheit über die dunklen Momente in ihrer Laufbahn (+).
Aus unserem Netzwerk: Jugendlicher soll Erwachsenen erschossen haben
Am späten Dienstagabend eskalierte ein Streit an einem Bahnsteig in Hannover. Dabei wurde ein 34‑Jähriger erschossen. Die Tat soll ein Jugendlicher begangen haben, den die Polizei jetzt sucht, berichtet die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (+).
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