Kassenärzte-Chef Gassen gegen weitere Maskenpflicht auch für Geimpfte
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Die Kundin eines Drogeriemarktes trägt ihren Mund-Nasenschutz am Ellbogen.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/
Berlin. Der Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Maskenpflicht unabhängig vom Impfstatus bis Frühjahr 2022 beizubehalten, ist in der Ärzteschaft auf deutliche Kritik gestoßen. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Wer geimpft ist, ist weder relevant gefährdet noch ist er eine Gefahr für andere.”
Und er fügte hinzu: „Mit bestehenden Impfangeboten für alle wird das Tragen einer Maske mehr zu einer freiwillig zu wählenden individuellen Schutzmaßnahme, eine allgemeine Pflicht erscheint dann unnötig.” Gassen forderte mehr Anstrengungen, um die Impfquote zu erhöhen und argumentierte: „Grundsätzlich werden Impfungen und nicht Einschränkungen den größten Einfluss auf die Pandemie haben.”
Plan sieht Maskenpflicht bis Frühjahr 2022 vor
In einem am Dienstagabend bekannt gewordenen Bericht des Gesundheitsministeriums heißt es unter anderem, es bestehe die „Notwendigkeit zum verpflichtenden Tragen einer medizinischen Schutzmaske (…) bis ins Frühjahr 2022”, auch für Geimpfte und Genesene.
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Die Pandemie und wir
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Das müsse überall dort gelten, „wo in geschlossenen Räumen viele Personen, bei denen der Impfstatus nicht bekannt ist beziehungsweise unter denen besonders vulnerable Personen sein können, zusammentreffen”. Konkret aufgeführt werden hier der öffentliche Personennah- und -fernverkehrs- sowie der Einzelhandel.
Unabhängig von der Inzidenz sollte ab Anfang/Mitte September die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen „generell nur unter Einhaltung der 3G-Regel (3G: geimpft, genesen oder getestet) möglich sein”, heißt es in dem Bericht weiter. Genannt werden etwa Innengastronomie, körpernahe Dienstleistungen, Veranstaltungen drinnen sowie Großveranstaltungen drinnen und draußen.
Bericht schlägt Einschränkungen für Ungeimpfte vor
Ab bestimmten Grenzwerten werden gesonderte Einschränkungen für Ungeimpfte vorgeschlagen, etwa den Ausschluss von Veranstaltungen (2G statt 3G). Ab Mitte Oktober sollen zudem die „Bürgertests” kostenpflichtig werden, wobei Ausnahmen für alle geplant sind, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Das Papier soll Grundlage für die Beratungen von Bund und Ländern am kommenden Dienstag sein.
Immunologe: Daten zu Lambda-Variante nicht beunruhigend
Auch nach einer Veröffentlichung aus Japan sieht ein deutscher Immunologe in der sogenannten Lambda-Variante des Coronavirus noch keinen Grund zur Besorgnis.
© Quelle: dpa
Gassen begrüßte die Abschaffung der kostenlosen Tests: „Wenn sich jeder impfen lassen kann, sollte derjenige, der sich – von medizinischen Gründen einmal abgesehen – bewusst nicht impfen lassen will, seinen Schnelltest auch selbst bezahlen.” Er sprach sich aber dagegen aus, dass der Staat weiterhin Einlassvorgaben zu Veranstaltungen oder Restaurantbesuchen macht. Vielmehr sollten die Betreiber entscheiden, „wen sie bei sich reinlassen und wen eben nicht”.
Bartsch warnt vor Corona-Zweiklassengesellschaft
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die geplante Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften. „Ich warne vor einer Corona-Zwei-Klassen-Gesellschaft, die das politische Klima im Land nachhaltig beschädigen könnte”, sagte er dem RND.
Er übte zudem grundsätzliche Kritik an der aktuellen Corona-Politik der großen Koalition: „Es gibt keine klare Zielstellung und überhaupt keine nachvollziehbare Kommunikation der Bundesregierung, was das Ziel der Corona-Politik der nächsten Wochen und Monate sein soll”, beklagte er.
„Dieses Durchwurschteln und die Widersprüchlichkeit der Kommunikation an die Bürger sind auch Gründe für die Impfmüdigkeit”, meinte Bartsch. „Dass jetzt wieder zuallererst Diskussionen über Einschränkungen an den Schulen geführt werden, ist ein Armutszeugnis, auch weil im Sommer wieder viel zu wenig passiert ist”, kritisierte der Linken-Politiker.
Unterdessen ist weiterhin unklar, auf welcher gesetzlicher Grundlage ab Ende September gegebenenfalls weitere Maßnahmen gegen Corona festgelegt werden. Der Beschluss des Bundestags, wonach eine „epidemischer Lage von nationaler Tragweite” besteht, läuft Ende September aus. Daran gekoppelt sind eine Reihe von Anti-Corona-Maßnahmen.
Rüddel spricht sich gegen Verlängerung der Notlage aus
Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), plädiert dafür, die Notlage nicht weiter zu verlängern. „Da derzeit und auch wohl zukünftig die Grundlage – also eine drohende Überlastung unseres Gesundheitssystems – nicht gegeben ist, kann ich mir sehr gut vorstellen, die pandemische Lage im September auslaufen zu lassen”, sagte er dem RND. „Wir brauchen wieder mehr Mut zur Normalität”, fügte er hinzu.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen forderte rasche Entscheidungen. „Es ist Aufgabe der Bundesregierung jetzt umgehend zu erklären, wie angesichts ansteigender Infektionszahlen die Menschen in den nächsten Wochen weiter wirkungsvoll geschützt werden sollen”, sagte der Mediziner dem RND. „In einer Pandemie ist Abwarten stets ein schlechter Ratgeber”, warnte er.