Maas über Afghanistan: „Alles steht auf dem Spiel“

In Afghanistan sind in den vergangenen Jahren im Durchschnitt täglich fast fünf Kinder und Jugendliche getötet oder verwundet worden.

In Afghanistan sind in den vergangenen Jahren im Durchschnitt täglich fast fünf Kinder und Jugendliche getötet oder verwundet worden.

Berlin. Am Montagmorgen fielen mal keine Geschosse vom Himmel über Kabul. Es fiel Schnee. In sozialen Netzwerken kursierten Bilder, auf denen die in Weiß gehüllte afghanische Hauptstadt ruhig und friedlich erschien. Und damit so ganz anders als in den Aufnahmen vom Wochenende, die das Grauen in Kabul nach dem Einschlag von rund zwei Dutzend Raketen und Mörsergranaten dokumentierten. Zehn Tote, 50 Verletzte, mindestens. Und ein Bekenntnis der Terrormiliz „Islamischer Staat“.

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Auch nach fast zwei Jahrzehnten militärischer Präsenz des Westens in Afghanistan ist die Sicherheitslage am Hindukusch schlecht. Täglich werden dort fast fünf Kinder und Jugendliche getötet oder verwundet, teilte die Hilfsorganisation Save the Children am Montag mit. Die „New York Times“ hat ermittelt, dass allein seit Monatsbeginn 349 Menschen bei Anschlägen starben – darunter 186 Sicherheitskräfte der Regierung und 163 Zivilisten. Das Gros der Attentate wurde von Taliban ausgeführt. Auch zwei Jahrzehnte nach ihrem Sturz überziehen die Islamisten das Land mit Gewalt und prägen damit das Leben der Menschen dort.

Derzeit handeln die Taliban unter Vermittlung und Druck der USA mit der gewählten afghanischen Regierung ihre Wiedererlangung politischer Macht aus. Erst am Wochenende traf US-Außenminister Mike Pompeo führende Vertreter der Taliban in Katar und rief sie zu weniger Gewalt auf. Pompeo kam auch mit einer Delegation der afghanischen Regierung zusammen. Mit ihrem Drängen auf einen dauerhaften Waffenstillstand konnte sich die US-Regierung bisher nicht durchsetzen. Dennoch planen die Amerikaner den Abzug von rund 2000 Soldaten bis Mitte Januar.

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„Afghanen stellen nach wie vor mit die meisten Geflüchteten weltweit“, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Filippo Grandi, am Montag. Allein in diesem Jahr seien innerhalb Afghanistans fast 300.000 Menschen vor der Gewalt geflohen. Grandi mahnte ein Friedensabkommen an, das die Rechte aller Afghanen wahrt – „auch von Frauen und Mädchen“, so Grandi. „Die internationale Gemeinschaft muss ihr Engagement aufrechterhalten“, forderte er.

Zu dem Zweck halten die Vereinten Nationen am Montag und Dienstag eine Geberkonferenz für Afghanistan ab. Auf der von Afghanistan und Finnland mitorganisieren virtuellen Konferenz sollen 70 Länder weitere finanzielle Hilfen für Afghanistan zusagen, darunter Deutschland. Die Bundesrepublik ist mit rund 430 Millionen Euro jährlich zweitgrößter Geber ziviler Unterstützungsleistungen für Stabilisierung und Entwicklungszusammenarbeit.

Maas sichert Hilfe zu

„Deutschland wird sich weiter in einem vergleichbaren Umfang wie in den vergangenen Jahren engagieren, bei ziviler Hilfe ebenso wie im politischen Bereich“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas dem RND. „Wir stehen außerdem auch weiter an der Seite Afghanistans, um die Bedingungen zu schaffen, dass die Friedensverhandlungen erfolgreich vorangetrieben werden können“, betonte er.

Die Corona-Pandemie erschwere die schwierigen Lebensbedingungen vieler Afghaninnen und Afghanen weiter. „Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Deshalb darf sich die internationale Gemeinschaft jetzt nicht von Afghanistan abwenden“, appellierte Maas. Zwar sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel erreicht worden – „dennoch steht weiterhin alles auf dem Spiel“, sagte der SPD-Politiker und rief die Verantwortlichen in Afghanistan zu „ebenso konsequenten und kontinuierlichen Kraftanstrengungen“ auf.

Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour mahnte mit Blick auf die Pandemie und den Wintereinbruch zu rascher Hilfe. Diese müsse jedoch „an Bedingungen wie Korruptionsbekämpfung, Geschlechtergerechtigkeit, gute Regierungsführung und Staatsaufbau“ geknüpft sein. „Nicht zu helfen wäre genauso falsch wie eine Hilfe, die korruptiv und damit staatszersetzend wirkt“, sagte Nouripour dem RND.

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Nach Ansicht des FDP-Außenexperten Bijan Djir-Sarai findet die Konferenz zu einem kritischen Zeitpunkt statt. Die Entwicklung des Landes sei offen, sagte er dem RND. „Sowohl die Zukunft der internationalen Militärpräsenz als auch der Verhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung bleibt ungewiss“, sagte Djir-Sarai. Zugleich nähmen Gewalt und Armut im Land massiv zu. Die Bundesregierung und die EU müssten rasch Strategien für sämtliche Szenarien entwickeln. „Auch wenn der militärische Einsatz in Afghanistan zu Ende geht, sollte der politische Einsatz für Afghanistan fortgesetzt werden, damit die Kräfte der Vergangenheit nicht die Zukunft des Landes bestimmen“, forderte der Liberale. Er mahnte: „Ein Rückfall zu einem islamistischen Terrorregime muss unbedingt verhindert werden.“

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