Klimaschutz mit Gewalt?

„Pipelines in die Luft jagen“: der schwedische Vordenker Andreas Malm und seine deutsche Inspiration

Mit Aktionen blockieren Aktivisten des Klimaschutzbündnisses „Ende Gelände“ 2019 den Tagebau Garzweiler.

Mit Aktionen blockieren Aktivisten des Klimaschutzbündnisses „Ende Gelände“ 2019 den Tagebau Garzweiler.

Berlin. Die Schwelle zur Empörung ist in sozialen Medien niedrig. Das gilt insbesondere für Äußerungen der deutschen Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future. Der 26-Jährigen schlägt verlässlich auf Twitter und Co. Unverständnis und auch Hass entgegen.

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Meistens legt sich Neubauer mit der Bundesregierung an. Ob GroKo oder Ampel: die Klimaschutzziele der Politik sind den Aktivistinnen und Aktivisten stets zu unangemessen, zu unambitioniert, zu lahm, zu zögerlich. Neubauers Kommentare können nerven – und sollen es wohl auch.

Mit einem Video vom Copenhagen Democracy Summit in ihrer Instagram-Story sorgt Neubauer jetzt sogar für Verstimmung bei Wohlmeinenden. Sie filmte sich und sagte auf Englisch: „Natürlich denken wir darüber nach, wie man die längste Rohölpipeline der Welt in die Luft jagen könnte“ – gemeint ist die EACOP-Pipeline, die aktuell in Ostafrika geplant ist.

AfD-Abgeordnete von Storch zeigt Neubauer an

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Es sollte ein Gag sein, beteuerte Neubauer. Erstens gebe es die Pipeline noch gar nicht und zweitens ginge es doch nur um ein Buch. Es heißt: „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt – Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“ (2020; Matthes & Seitz Berlin).

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Geschrieben hat es der an der Universität Lund in Schweden forschende Ökologe Andreas Malm, der zugleich als Klimaschutzaktivist für eine Eskalation der Proteste gegen zu zögerliche Klimapolitik wirbt. Wer also ist Malm? Und was versteht er genau unter Sabotage und Gewalt?

Der 44-jährige Schwede managt die Masterkurse für Humanökologie an seiner Universität. Der promovierte Wissenschaftler ist als Experte auf seinem Gebiet anerkannt. Zuvor machte er als politischer Autor in einem anarchistischem Wochenblatt auf sich aufmerksam und war 2010 in die trotzkistische „Sozialistische Partei“ Schwedens eingetreten.

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Malm: Klimaschützer haben nicht genug getan

Malm, der von der Berliner Philosophin Rahel Jaeggi zur prominenten Stimme eines erneuerten ökologischen Marxismus gezählt wird, kann neben vielen Zeitungs- und Magazinbeitragen etliche Buchveröffentlichungen nachweisen. Sie beschäftigen zunehmend mit einer aus seiner Sicht notwendigen Radikalisierung der Klimaschutzbewegung weltweit.

In einem Ende Mai 2022 erschienen Beitrag für den „Spiegel“ legt er seine Meinung offen dar: „Die herrschenden Klassen auf diesem Planeten sind entschlossen, das, was von ihm übrig ist, so schnell wie möglich zu verbrennen, und nichts – gar nichts – hat sie bisher davon abgehalten. Sie sind vollständig und auf eine infernalische und dämonische Art und Weise außer Kontrolle.“

Malm zieht daraus den Schluss, dass die Klimaschützerinnen und ‑schützer nicht genug getan hätten. „Wir müssen mehr versuchen. Wir brauchen keine großen Konzepte, um zu erkennen, dass jetzt nur Sabotage und Sachbeschädigung helfen.“

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Malm für kompromisslosen Klimakampf

Als „Quelle der Inspiration“ für europäische Klimaschützerinnen und ‑schützer und als Rückgrat der deutschen Bewegung nennt Malm die Aktivisten von „Ende Gelände“. In dem Zusammenschluss verschiedener Initiativen aus den Anti-Atom- und Anti-Kohle-Bewegungen, der etwa für die Proteste im Hambacher Forst und Aktionen in Kohletagebauen steht, sieht der Schwede ein Vorbild für kompromisslosen Klimakampf. „Ende Gelände“-Vordenker Tadzio Müller, der einmal im „Spiegel“ von einer „grünen RAF“ sprach, bezeichnet Malm als „brillanten Strategen“.

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Als Form „äußerst friedlicher Sabotage“ bezeichnet der Schwede das Luftablassen aus den Reifen von SUV. „Aktionen wie diese sind unendlich wiederholbar – Sabotage als Meme“, empfiehlt Malm. Weil solche Aktionen jedoch auch infolge der Pandemie und nun des Ukraine-Kriegs nicht mehr als Druckmittel gegenüber Politik und fossiler Wirtschaft genügten, sei eine „unerbittliche Verschärfung“ notwendig.

Doch Malm selbst hält die Frage, „ob die Klimabewegung dazu in der Lage ist“, für bislang unbeantwortet. „Aber je weiter die Erderwärmung voranschreitet, desto mehr Menschen dürften das Gefühl haben, dass mehr getan werden muss. Und Sabotage als Massenbewegung beginnt damit, dass einige wenige den ersten Schritt machen.“

Andreas Malm in einem auf Youtube veröffentlichten Gespräch vom 20.5.2020 „Corona-Kapitalismus: Kämpfe um die Natur“, organisiert vom Center for Humanities and Social Change (HU Berlin) und dem Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften (FU Berlin).

Andreas Malm in einem auf Youtube veröffentlichten Gespräch vom 20.5.2020 „Corona-Kapitalismus: Kämpfe um die Natur“, organisiert vom Center for Humanities and Social Change (HU Berlin) und dem Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften (FU Berlin).

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Klimaproteste: Sachen beschädigen, Leben schützen

Entscheidend bei einer Eskalation der Proteste sei jedoch die Einhaltung der Grenze zwischen Sachen und Menschen, betont der Schwede. „Ersteres darf beschädigt werden, Letzteres nicht.“ Eine Überschreitung dieser Grenze würde dem Klimakampf „schweren Schaden“ zufügen. Das Blockieren von Krankenwagen zählt Malm zu den taktischer Fehlern. „Alles, was Leben gefährdet, muss vermieden werden. Denn darum geht es im Klimakampf und der Strategie ökologischer Sabotage: Leben zu schützen, anstatt es zu gefährden.“

Auf der anderen Seite befürwortet Malm gewalttätige Konfrontationen wie bei den Black-Lives-Matter-Aktionen in den USA, wo in Minneapolis eine Polizeiwache gestürmt und angezündet worden war, wie er der „Zeit“ vor gut einem Jahr in einem Gespräch zu Protokoll gab. „Weil wir so lange mit dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gewartet haben, ist jetzt kein Vorgehen risikofrei“, sagte er. „Auch militante Aktionen bergen Risiken, unter anderem die Gefährdung von Menschen.“

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Malm will mehr Leute für Klimaschutzbewegung mobilisieren

Was also kommt auf die Klimaschutzbewegung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu?

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„Wenn ein neuer Protestzyklus einsetzt, müssen wir noch mehr Leute mobilisieren als 2019″, gab sich Malm in der „Zeit“ überzeugt. „Und wir sollten unsere Taktik diversifizieren, offen sein für radikalere Auseinandersetzungen – die ähnlich wie die Black-Lives-Matter-Bewegung auch eine militante Komponente haben. Gewalt war in diesem Fall Teil einer sozialen Bewegung, der es gelungen ist, so viele Menschen wie nie zuvor in der amerikanischen Geschichte auf die Straße zu bringen. Ohne drohende Revolte gibt es selten Reformen.“

Für Malm ist das eine Sache von Aktion und Reaktion. „Wir sehen also gerade, wie sich das fossile Kapital radikalisiert, und das muss ein Teil der Klimabewegung durch eine eigene Radikalisierung beantworten. Je schneller sich die Welt erwärmt, desto aufgeschlossener werden die Menschen sein, Pipelines in die Luft zu jagen.“

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Malm fordert die klare Konfrontation

Entscheidungen, wie etwa aus der Kohle auszusteigen, müssen im Parlament fallen, doch der Druck dazu entsteht außerhalb, so Malm. Das fossile Kapital müsse verschwinden, „anders geht es nicht“. Dies erfordere eine klare Konfrontation. „ExxonMobil oder Shell werden sich nicht selbst abschaffen und auf ihre Gewinne verzichten. Der Staat muss eingreifen und das fossile Kapital zerschlagen.“

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Malm schlägt auch den Bogen zur Corona-Pandemie. Er findet es erstaunlich, dass neben der raschen Entwicklung von Impfstoffen kaum ein Versuch unternommen worden wäre, die Ursachen zu beseitigen. „Die Entwaldung der Tropen hat sich 2020 beschleunigt. Das produziert unvermeidlich neue Zoonosen.“ Das kapitalistische System sei gut darin, an Symptomen herumzudoktern – „ob mit Vakzinen oder CO₂-Speicherungs-Technologien. Das allein reicht aber nicht. Wenn wir die Krise in den Griff bekommen wollen, müssen wir an die Ursachen.“

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Und wie hält es nun Luisa Neubauer mit der Gewalt bei Protesten? Sie antwortet auf Twitter (“So, ok. Einmal Klartext“): „Dass ich auf Instagram den Namen eines Buches als Metapher für unsere Kampagne gegen die EACOP-Pipeline genutzt habe, heißt nicht, dass ich nun Pressesprecherin für den Autor oder Unterstützerin aller seiner Inhalte bin.“

Dass Fridays for Future sich friedlichem Aktivismus verschrieben hätte, sei allgemein bekannt, so Neubauer. „Zumindest für die Welt jenseits der AfD.“

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