NRW-Innenminister Reul vor möglicher Lützerath-Räumung: „Es bleibt uns keine Wahl“
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Vorbereitung zur Räumung der Ortschaft Lützerath am Tagebau Garzweiler. Hundertschaften der Polizei NRW sichern den Fortgang des Tagebaus, der von RWE betrieben wird. Eine Mahnwache von Klima Aktivisten hält den Weiler weiterhin besetzt und will den Abriss von Lützerath verhindern.
© Quelle: IMAGO/Marc John
Düsseldorf/Erkelenz. Kurz vor einer möglichen Räumung des besetzten Dorfes Lützerath schaut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bereits auf die eventuell folgende Diskussion über den entsprechenden Polizeieinsatz. Er hoffe, dass „das Ganze“ nachher nicht „wie immer“ in eine Debatte ausarte, ob die Polizei das habe tun müssen, sagte Reul am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Laut Reul setzt nur eine kleine Minderheit der Klimaschutzbewegung auf Radikalität. Die meisten Demonstrierenden, die die Abbaggerung des Weilers verhindern wollten, seien „vernünftige Menschen, die ein echtes Anliegen haben“, so der CDU-Politiker.
Angriff auf Polizei in Tagebau-Gebiet Lützerath
Im Anschluss an eine Versammlung und ein Konzert im Braunkohleort Lützerath (NRW) am Tagebau Garzweiler am Sonntag ist es zu Übergriffen gekommen.
© Quelle: dpa
„Es bleibt uns keine Wahl. Wenn wir Zustände wie in anderen Staaten nicht haben wollen - dass Menschen wild auf die Straße gehen, dass Unruhen entstehen - dann müssen Regeln auch eingehalten werden“, sagte er weiter.
Der Aachener Polizeipräsident, Dirk Weinspach, sagte am Montagmorgen im WDR Radio, er erwarte einen herausfordernden Einsatz „mit vielen Risiken“. Die Szene der Demonstrierenden sei nach bisherigen Erfahrungen gemischt, aber „überwiegend bürgerlich und friedlich orientiert.“ Wie groß der gewaltbereite Teil sei, werde sich in den kommenden Tagen zeigen.
Polizei appelliert erneut an Aktivisten vor Ort
Bei den Protesten am Sonntag seien nach dem Ende eines Konzerts und eines friedlichen Dorfspaziergangs etwa 300 Menschen auf der Veranstaltungsfläche geblieben, erklärte die Polizei: „Ohne erkennbaren Grund“ sei die friedliche Stimmung umgeschlagen. Es seien Steine auf Sicherheitskräfte und Polizeibeamte geworfen worden. Zudem berichtete die Polizei von Sachbeschädigungen und Eigentumsdelikten. Die Kommunikationskräfte der Polizei Aachen seien bei Versuch der Vermittlung angegriffen worden.
Die Polizei appelliert erneut an die Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort, sich von Straftaten zu distanzieren und friedlich zu verhalten. Am Montagmittag wollte die Polizei Aachen die Öffentlichkeit darüber informieren, wie die geplante Räumung des Weilers Mitte Januar ablaufen soll. Umweltverbände und Klimagruppen planen am kommenden Samstag (14. Januar) eine weitere große Demonstration.
Weinspach betonte, die Polizei müsse die Entscheidung der Räumung des Weilers umsetzen. Daran ändere auch seine eigene Mitgliedschaft bei den Grünen nichts. „Ein Staat, wo jeder Polizist nach eigenem Gusto politisch oder behördlich zustande gekommene Entscheidungen umsetzt oder auch nicht, das wäre ein Willkür-Staat, in dem will keiner leben“, mahnte der Aachener Polizeipräsident.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger aus Mönchengladbach, bezeichnete die Proteste als demokratisch legitim. Sie hoffe, dass der Energiekonzern RWE „noch ein Einsehen hat, sich noch einmal an den Tisch begibt, dass wir nochmal miteinander reden“, sagte sie am Montag der RBB-Welle Radioeins. Sie befürchte, dass bei der Räumung viele Menschen verletzt werden könnten, wie schon 2018 im Hambacher Wald. „Dieser Preis ist zu hoch“, sagte Henneberger.
Der Energiekonzern RWE will den Weiler am Tagebau Garzweiler abreißen lassen, um die Braunkohle darunter abzubaggern. Der zuständige Landrat des Kreises Heinsberg, Stephan Pusch (CDU), hat dazu eine sogenannte Räumungsverfügung erlassen. Lützerath ist damit Sperrgebiet. Gemäß der Verfügung ist „ab dem 10. Januar 2023 mit der Ergreifung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durch Ausübung von unmittelbarem Zwang“ - also einer Räumung durch die Polizei - zu rechnen. Klimainitiativen wollen die Räumung blockieren, um den Abbau der Kohle unter dem Weiler zu verhindern.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) hatten sich im Oktober 2022 mit RWE auf einen vorgezogenen Braunkohleausstieg von 2038 auf 2030 verständigt. Die Vereinbarung sieht außerdem vor, die noch zur Verstromung verfügbare Braunkohlemenge im Tagebau Garzweiler II auf rund 280 Millionen Tonnen zu halbieren. Fünf bislang von Umsiedlung bedrohte Dörfer im rheinischen Revier sollen erhalten bleiben. Der umkämpfte Ort Lützerath allerdings soll den Kohlebaggern weichen.
RND/dpa/epd