London streitet: Hatte Russland beim Brexit-Votum Hände im Spiel?

Warum gibt Premier Johnson den Bericht nicht frei? Die Opposition wittert Vertuschung.

Warum gibt Premier Johnson den Bericht nicht frei? Die Opposition wittert Vertuschung.

London. Die Opposition in Großbritannien wirft der Regierung von Premierminister Boris Johnson vor, einen Bericht über eine mögliche Einmischung Russlands in das Brexit-Referendum 2016 zurückzuhalten. Damit wolle Downing Street vermeiden, dass die britische Öffentlichkeit vor der Parlamentswahl am 12. Dezember möglicherweise brisante Details aus dem Report des parlamentarischen Geheimdienstausschusses erfährt. Europa-Staatssekretär Christopher Pincher wies die Vorwürfe am Dienstag im Parlament als politisch motiviert zurück.

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"Dies ist nichts weniger als ein Versuch, die Wahrheit vor der Öffentlichkeit und vor dem Parlament zu verschweigen und ein Affront gegen unsere Demokratie", sagte die außenpolitische Sprecherin der Labour-Partei, Emily Thornberry. "Was in aller Welt haben sie zu verstecken?" Der außenpolitische Sprecher der Liberaldemokraten, Chuka Umunna, schrieb bei Twitter: "Es stinkt nach Vertuschung."

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Hingegen betonte Pincher: "Es gibt keine Beweise, die nahelegen, dass es eine erfolgreiche russische Einmischung in britische Wahlabläufe gegeben hat." Aber auch Mitglieder der Konservativen forderten die Freigabe des Papiers. "Indem (Johnson) diesen Bericht nicht veröffentlicht, bietet er nur Raum für den Verfolgungswahn der Opposition", sagte der ehemalige Brexit-Minister David Davis.

Fall erinnert an Diskussion in den USA

Der Report sollte eine mögliche Einflussnahme Russlands auf die Volksabstimmung über den Brexit 2016 untersuchen. Mitglieder des Geheimdienstausschusses wollten ursprünglich noch vor der Parlamentswahl Empfehlungen für größere Sicherheitsmaßnahmen gegen externe Einmischung abgeben. Das Parlament traf sich am Dienstag zu seiner letzten Sitzung vor der Neuwahl. Der Fall erinnert an die Diskussion in den USA über russische Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016.

Der Bericht war am 17. Oktober an Johnson geschickt worden. Der Ausschussvorsitzende und ehemalige Generalstaatsanwalt Dominic Grieve sagte, die Bearbeitung dauere normalerweise zehn Tage. Dem entgegnete Pincher, notwendig seien drei bis vier Wochen. Mit Blick auf die Dauerdebatten über den Brexit und die Neuwahl ergänzte er: "Es ist ja nicht so, dass der Premierminister in den vergangenen Wochen nicht die ein oder andere Sache zu tun gehabt hätte."

Grieve sagte, der Bericht könne Informationen enthalten, die für die Wähler "von Belang" sind. Er war von Johnson aus der Tory-Fraktion ausgeschlossen worden, weil er sich im Brexit-Streit gegen die Regierung gestellt hatte. Er will als unabhängiger Kandidat bei der nächsten Wahl antreten. Der frühere Chef des Geheimdiensts MI5, Jonathan Evans, forderte eine Erklärung. "Falls die Regierung einen Grund hat, warum (der Bericht) nicht vor der Wahl veröffentlicht werden soll, dann sollte sie dies sehr deutlich begründen", sagte Evans dem Sender BBC Radio 4 am Dienstag.

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Labour-Chef Corbyn wirft Johnson Missbrauch des Brexits vor

Der Wahlkampf tobt indes in vollen Zügen. In seiner ersten großen Wahlkampfrede hat der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn Premierminister Boris Johnson schwere Vorwürfe gemacht. „Bei dieser Wahl versucht Boris Johnson, den Brexit zu missbrauchen, um unser nationales Gesundheitssystem (NHS) und die Werktätigen dieses Landes zu verkaufen“, sagte der Chef der Labour-Partei am Dienstag im südenglischen Harlow. Großbritannien und die USA würden im Geheimen über Medikamentenpreise verhandeln, zudem würden die Vereinigten Staaten vollen Marktzugang für US-Pharmaprodukte verlangen.

Labour wirft der konservativen Regierung vor, sie wolle bei einem Freihandelsabkommen mit den USA den NHS „verscherbeln“. Dadurch würden etwa Medikamente deutlich verteuert. In Sprechchören riefen Corbyns Anhänger: „Nicht zum Verkauf!“. Johnson und US-Präsident Donald Trump haben Absprachen dementiert.

Großbritannien steuert auf Neuwahl im Dezember zu
29.10.2019, Gro??britannien, London: Boris Johnson (M), Premierminister von??Gro??britannien, sitzt im britischen Unterhaus. Gro??britannien wird im Zuge des Brexit-Streits voraussichtlich im Dezember ein neues Parlament w??hlen. Die gr????te Oppositionspartei Labour gab ihren Widerstand gegen eine Neuwahl auf. (bestm??gliche Qualit??t) Foto: House Of Commons/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Es sieht danach aus, als würde Boris Johnson nun doch noch seine Neuwahl vor Weihnachten bekommen.

Die vorgezogene Wahl ist für den 12. Dezember geplant. Offiziell beginnt der Wahlkampf erst nach der Auflösung des Parlaments in der Nacht zu diesem Mittwoch.

Johnson betonte bei einer Kabinettssitzung die Erfolge seiner Regierung. In einem Brief warf der Premier seinem Herausforderer Corbyn vor, noch keinen klaren Brexit-Plan im Falle eines Labour-Wahlsiegs vorgelegt zu haben. Corbyn betonte in Harlow erneut, das Thema werde innerhalb von sechs Monaten vom Tisch sein. Der Altlinke will einen eigenen Deal mit der EU aushandeln und anschließend den Briten in einer Volksabstimmung vorlegen. Es werde keine Wiederholung des Brexit-Referendums von 2016 sein, sagte Corbyn. „Dieses Mal wird die Wahl sein, mit einem vernünftigen Abkommen die EU zu verlassen oder drinzubleiben.“

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RND/dpa

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