Linke und Hacker loben digitalpolitische Pläne der Ampel
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Die künftige Ampel-Koalition hat beim Thema Digitalisierung einiges vor.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Berlin. Die künftige Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP plant im Bereich der Digitalpolitik und der IT-Sicherheit einige grundlegende Änderungen im Vergleich zur Politik der Großen Koalition. Zustimmung erhalten die Ampelparteien dafür auch aus der Linksfraktion im Bundestag und von traditionell regierungskritischen Hackern.
„Der Koalitionsvertrag enthält bei Digitalisierungsthemen durchaus einiges an positiven Ansätzen“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete und Digitalpolitikerin Petra Sitte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Sich von der Stillstandspolitik der letzten Bundesregierung abzuheben, ist allerdings auch nicht schwer“, schränkte sie jedoch ein. Vieles im Koalitionsvertrag sei „so vage formuliert, dass sich erst bei Umsetzung zeigen wird, welche tatsächlichen Verbesserungen damit realisiert werden.“
CCC findet Koalitions-Pläne „in weiten Teilen recht hoffnungsvoll“
Auch die Hackervereinigung Chaos Computer Club (CCC) hat überwiegend lobende Worte für den Ampelvertrag. Die darin enthaltenen Absichtserklärungen erschienen „in weiten Teilen recht hoffnungsvoll“, sagte CCC-Sprecher Dirk Engling dem RND. Im Koalitionsvertrag fänden sich dutzende Punkte, die der CCC so oder so ähnlich auch in einer Formulierungshilfe ausgearbeitet habe, erklärte er. Der Fokus auf eine moderne digitale Verwaltung sei wichtig, außerdem „das klare Bekenntnis zum Schließen gefundener Sicherheitslücken und der Haftung für fahrlässig unsicher programmierte Lösungen“.
Die Ampelkoalition will besonders in Fragen der digitalen Sicherheit neue Akzente setzen. So wollen SPD, Grüne und FDP alle staatlichen Stellen verpflichten, entdeckte Software-Sicherheitslücken an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden, das für eine Schließung der Lücken sorgen soll. Bisher waren solche Sicherheitslücken vom BKA und auch vom Bundesnachrichtendienst verwendet worden, um die Endgeräte von Kriminellen und Terrorverdächtigen zu hacken und zu überwachen.
Ampel-Koalition will IT-Projekte als Open Source umsetzen
Neue Wege wollen die Koalitionäre auch bei öffentlichen IT-Projekten beschreiten, die künftig als Open Source, also unter Verwendung quelloffener Software beauftragt werden sollen. Das trifft sowohl beim CCC, als auch bei der Linken auf Zustimmung. „Zu begrüßen sind der Rechtsanspruch auf Open Data und der Verzicht auf Gesichtserkennung“, sagte Sitte weiter. „Ebenfalls positiv bewerten wir die Positionen zu Digitalen Bürgerrechten und IT-Sicherheit, wenngleich wir uns weitergehende Ansätze wünschen.“
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© Quelle: dpa
Der CCC lobte zudem die Ampel-Vorschläge zu „einem Recht auf die anonyme Benutzung des Internets, einem klar formulierten Fokus auf Formen digitaler Gewalt, das Recht auf Reparatur und ein Anspruch auf Pflege von zu physischen Produkten gehörender Software“ als klare Schritte in die richtige Richtung.
Vorratsdatenspeicherung nicht gänzlich ausgeschlossen
Auch die von der Ampelkoalition geplante Einführung einer Überwachungsgesamtrechnung, also einer Auswertung aller gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen, mit denen der Staat Bürger überwacht, wird von der Linken unterstützt. „Eine eindeutige Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung dagegen vermissen wir“, sagte Sitte. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Angesichts der gegenwärtigen rechtlichen Unsicherheit, des bevorstehenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs und der daraus resultierenden sicherheitspolitischen Herausforderungen werden wir die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.“
Grundsätzliches Lob für den Koalitionsvertrag kommt vom Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber – der seines Zeichens selbst langjähriger SPD-Politiker ist. „Im Koalitionsvertrag stehen viele gute Ansätze zu den Themen Digitalisierung und Datenschutz“, sagte Kelber dem RND. „Nach einer ersten kurzen Auswertung freue ich mich vor allen Dingen über die Pläne zur Stärkung der Datenschutzkonferenz und zur Erstellung einer Überwachungsgesamtrechnung.“
Linke erwartet „verantwortungsbewussten Umgang“ mit Daten und Rechten
„Aber auch bei vielen anderen Ideen beispielsweise bei der Datennutzung oder der Digitalen Gesellschaft legen die Koalitionäre viel Wert auf die Achtung der Grundrechte“, so Kelber. Schwierige Aspekte seien etwa „das Opt-out-Verfahren bei der elektronischen Patientenakte oder die Online-Durchsuchung zur Terrorismusabwehr.“ Diese Punkte seien im Koalitionsvertrag jedoch nicht detailliert genug beschrieben, um ein abschließendes Urteil zu fällen.
Im Bereich der Künstlichen Intelligenz und der Automatisierung scheine die Innovation wichtiger zu sein als die Regulierung, kritisierte Petra Sitte. „Insbesondere bei Anwendungen im öffentlichen Sektor erwarten wir jedoch einen verantwortungsbewussten Umgang sowohl mit Daten als auch mit Rechten von Bürgerinnen und Bürgern.“
Nachbessern müsse die Koalition im Bereich des Urheberrechts, so Sitte. „Das Urheberrecht bleibt in der digitalen Welt nach wie vor auf der Strecke“, sagte die Linken-Politikerin. Beim E-Lending, also dem digitalen Verleih von Büchern, finde sich „nur ein Allgemeinplatz, der hinter den bislang vertretenen Positionen aller drei Parteien zurückbleibt.“ Ebenso wenig reiche es, sich verbal gegen Uploadfilter zu stellen, „ohne zugleich und zeitnah die Baustellen anzugehen, die von der letzten Reform hinterlassen wurden.“ Sittes negatives Fazit: „Hier – und bei anderen Urheberrechtsthemen – duckt sich die Ampel mit Allgemeinplätzen weg.“
Linke und CCC kritisieren außerdem die von den Ampelkoalitionären geplante Förderung von sogenannten Blockchain-Anwendungen. Diese sei unsinnig, sagte Petra Sitte. Dirk Engling sagte, die mehrfache Nennung von Blockchains im Koalitionsvertrag zeige, „dass auch in den Parteien eine Widerstandsfähigkeit gegen die ganz heißen ‚Buzzwords‘ aus der Tech-Szene noch nicht vollständig entwickelt ist.“ Statt „Luftschlossprojekten“ solle die „dringend notwendige Grundsanierung durch digitale Tiefbau-Projekte“ angepackt werden. „Solange ganze Landstriche schon vom Breitband-Internet abgehängt sind, ist die digitale Verwaltung oder gar weitverbreitetes Crypto-Geld ein Luxus für Großstädter“, kritisierte der CCC-Sprecher.