Finanzminister bei „Maischberger“

„Ist in Zeiten von Homeoffice entbehrlich“: Lindner will Scholz‘ Multimillionen-Anbau streichen

Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Berlin. Mit Blick auf den Haushaltsstreit der Ampel-Koalition hat Bundesfinanzminister Christian Lindner gefordert, dass auch „im Bereich der Regierung im engeren Sinne“ Stellen und andere Vorhaben auf den Prüfstand gestellt werden. In der ARD-Sendung „Maischberger“ nannte der FDP-Vorsitzende auch ein explizites Beispiel: „Ich glaube, dass in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten ein mindestens 800 Millionen teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich ist.“

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Er bezog sich damit auf den geplanten Erweiterungsbau des Kanzleramts. Nach Angaben aus Regierungskreisen im September wurden dafür 777 Millionen Euro veranschlagt. Im Finanzministerium gebe es laut Lindner inzwischen 65 Prozent ortsflexibles Arbeiten, „das heißt die Kolleginnen und Kollegen können von zu Hause arbeiten, von unterwegs, und nutzen das auch“. Daraus folge doch aber auch, dass man Büroflächen anders nutzen und begrenzen könne. „Warum dann also noch ein so teurer Neubau?“, so Lindner. Mit Blick auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) fügte er an: „Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe. Aber das ist mein Job.“ Das Kanzleramt wollte sich am Donnerstag zunächst nicht dazu äußern.

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„Ein Stopp des Projektes ist nicht vorgesehen“

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat nun den geplanten Neubau neben dem Kanzleramt verteidigt. Hebestreit sagte am Freitag in Berlin, es gebe eine klare Beschlusslage, die auch im September vom Bundesministerium der Finanzen ergangen sei. Die notwendigen Haushaltsmittel seien im Haushaltsplan eingestellt. Die Vorbaumaßnahmen hätten bereits begonnen. Es gebe keinen veränderten Stand. Die Planungen liefen bereits seit vielen Jahren, seien immer wieder überprüft und im vergangenen September entschieden worden.

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Gegenüber dem „Tagesspiegel“ (Samstagsausgabe) sagte eine Regierungssprecherin, dass der Bedarf für einen Neubau unverändert bestehe. Sie machte deutlich, dass ein Stopp des Erweiterungsbaus oder dessen Verschiebung nicht zum Nulltarif zu haben wären. „Wesentliche Objekt-, Fachplanungs-, Beratungs- und Sachverständigenleistungen sowie Leistungen für vorgezogene Maßnahmen sind bereits beauftragt worden beziehungsweise werden durchgeführt, sodass bei Kündigung dieser Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt voraussichtlich über 100 Millionen Euro anfallen würden.“ Für eine Verschiebung des Baus habe das Kanzleramt aufgrund von Baupreissteigerungen zusätzliche Kosten von 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr der Verschiebung errechnet: „Ein Stopp des Projektes oder eine Umplanung ist aus den genannten Gründen nicht vorgesehen.“

Neubau offenbar teurer als Kanzleramtsgebäude

Der geplante Erweiterungsbau des Kanzleramts steht schon länger in der Kritik. Nach Schätzung aus Regierungskreisen vom vergangenen Herbst soll der Sandsteinbau mit etwa 400 Büros etwa 177 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich geplant. Bei der Entscheidung für den Neubau 2019 waren demnach noch 600 Millionen Euro veranschlagt worden. Damit soll der Neubau teurer werden als das eigentliche Kanzleramtsgebäude, das der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2001 bezog. Scholz hatte den Neubau im vergangenen Sommer öffentlich verteidigt. „Ich glaube, dass so eine lange vorbereitete Planung, die jetzt sehr weit fortgeschritten ist, auch zu Ende geführt werden muss“, hatte er gesagt.

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Nötig ist der Neubau aus Sicht der Regierung, weil die Belegschaft im Kanzleramt in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gewachsen ist. Nach Angaben vom September gab es 770 Mitarbeiter, von denen sich 600 in das für nur 400 Mitarbeiter ausgelegte Kanzleramt zwängten. Die restlichen 170 verteilten sich auf drei weitere Standorte in Berlin. Im Kanzleramt argumentierte man im Herbst, die Konzentration der Arbeitsplätze an einem Ort werde die Produktivität steigern. Man habe sich angesichts der Krise zwar angeschaut, was ein Ausstieg aus dem Bauvorhaben bedeuten würde, „das aber nicht als Alternative gesehen“.

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Nach bisherigen Plänen soll das bogenförmige Gebäude im Jahr 2028 fertig sein. Es soll im derzeitigen Kanzlergarten auf der anderen Spreeseite, also gegenüber des Hauptgebäudes, entstehen und das sogenannte „Band des Bundes“ nach Westen abschließen. Zu diesem Gebäudeensemble gehören auch zwei Bauten des Bundestags, die sich im Osten an das Kanzleramt anschließen.

Keine Einigung im Haushaltsstreit

Hintergrund von Lindners Vorstoß ist der koalitionsinterne Streit über den Etat des kommenden Jahres. Die Fachminister haben Zusatzwünsche von rund 70 Milliarden Euro angemeldet, für die der Finanzminister keinen Spielraum sieht, wenn die Schuldenbremse eingehalten und auf Steuererhöhungen verzichtet wird. Der FDP-Chef attestiert dem Bund ein Ausgabeproblem und verlangt Verzicht von Ministern und Kanzleramt. Erst wenn das erreicht ist, will er seinen Haushaltsentwurf dem Kabinett vorlegen.

Es gab es Einzelgespräche mit seinen Ministerkollegen, so der Finanzminister. „Und es gibt noch kein gemeinsames Verständnis für die finanzpolitischen Realitäten“, sagte Lindner. Es gebe ein strukturelles Defizit im Haushalt trotz Rekordeinnahmen. „Und deshalb haben wir jetzt Haushaltsberatungen vor uns, die es in dieser Art zuletzt im Jahr 2010 gegeben hat.“ In dem Jahr hatte sich die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung bei einer Haushaltsklausur auf ein umfassendes Sparpaket geeinigt.

Ursprünglich sollten die Eckwerte für den Haushalt 2024 am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Lindner ließ den Termin jedoch platzen, weil er sich mit seinen Kollegen nicht einigen konnte. Die Fachminister hatten Zusatzwünsche von rund 70 Milliarden Euro angemeldet, für die der Finanzminister keinen Spielraum sieht, wenn die Schuldenbremse eingehalten und auf Steuererhöhungen verzichtet wird.

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Die Stabilität des deutschen Finanzsystems sieht Lindner durch die Kurseinbrüche bei der Schweizer Credit Suisse sowie bei mehreren US-Banken nicht gefährdet. „Wir können sehr klar sagen: Das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – ist stabil“, so der Finanzminister. Die Bundesregierung sei mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch. Deutschland habe „mit der BaFin eine leistungsfähige Finanzaufsicht und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat“.

RND/dpa/seb

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