Grünen-Abgeordneter: Wir müssen diskriminierendes Trans­sexuellen­gesetz austauschen

Sven Lehmann, Grünen-Abgeordneter im Bundestag.

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Die Uefa hat es abgelehnt, dass das EM-Stadion in München beim Spiel Deutsch­land gegen Ungarn in Regen­bogen­farben erleuchtet wird. Warum wäre Ihnen das wichtig gewesen?

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Die ungarische Regierung verletzt seit Jahren massiv die Menschen­rechte von Homo- und Trans­sexuellen. Das darf sich eine offene Gesellschaft nicht bieten lassen – vor allem inner­halb der EU nicht. Die öffentliche Debatte ist unglaublich wichtig, denn sie trägt dazu bei, dass wir uns als Gesell­schaft mit den wichtigen Belangen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und inter­geschlechtlichen Menschen auseinander­setzen und uns mit ihnen solidarisieren. Ich hoffe, dass sehr viele Menschen im Stadion beim Spiel gegen Ungarn Flagge zeigen. Meine volle Solidarität gilt Manuel Neuer und allen, die das bereits getan haben.

Uefa-Beschluss: Keine Regen­bogen­farben für EM-Stadion in München
ARCHIV - 09.07.2016, Bayern, M��nchen: Die H��lle der Allianz Arena leuchtet anl��sslich des Christopher Street Days in Regenbogenfarben. (zu "UEFA-Beschluss: M��nchner EM-Stadion nicht in Regenbogen-Farben") Foto: Tobias Hase/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das Münchner Stadion sollte beim deutschen EM-Spiel gegen Ungarn in Regen­bogen­farben erstrahlen. Die Uefa lehnte den Antrag jedoch ab.

Die große Koalition hat im Mai Entwürfe von FDP und Grünen zu einem neuen Selbst­bestimmungs­gesetz abgelehnt – das Trans­sexuellen­gesetz (TSG), das das Bundes­verfassungs­gericht in Teilen für verfassungs­widrig erklärt hat, bleibt bestehen. Was bedeutet das für trans­geschlechtliche Menschen?

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Selbst­bestimmt leben zu können ist ein zentrales Bedürfnis für alle Menschen. Trans­geschlechtliche Menschen fordern zu Recht, in dem Geschlecht anerkannt zu werden, mit dem sie sich identifizieren. Das Trans­sexuellen­gesetz stellt für die Änderung der Vornamen und die Berichtigung des Geschlechts­eintrages entsprechend der selbst bestimmten Geschlechts­identität unbegründete Hürden – Gerichts­verfahren, Begutachtungs­zwang – auf, die das Selbst­bestimmungs­recht in menschen­unwürdiger Weise beein­trächtigen.

Wir müssen das TSG durch ein Gesetz ablösen, das es trans- und inter­geschlechtlichen sowie nicht binären Menschen erleichtert, ihr Leben selbst­bestimmt zu leben, und das das Recht auf Persönlichkeits­entfaltung umsetzt.

Warum bezeichnen Sie das Trans­sexuellen­gesetz als diskriminierend?

Die Entscheidung über eine Änderung des Geschlechts­eintrags im Personen­stand wird von der Vorlage zweier Gerichts­gutachten abhängig gemacht. Das sind lang­wierige und teure Verfahren, deren Kosten von den Betroffenen selbst zu zahlen sind. Trans­geschlechtliche Menschen müssen dabei teils übergriffige Fragen nach sexuellen Vorlieben, Masturbations­verhalten oder Unter­wäsche über sich ergehen lassen. Sie müssen nachweisen, was von außen nicht nach­weisbar ist. Denn die geschlechtliche Identität kann nur eine Selbst­auskunft sein.

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Was sagt die Recht­sprechung?

Das Bundes­verfassungs­gericht sieht das auch so, indem es betont, das Grund­gesetz in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 schütze mit der engeren persönlichen Lebens­sphäre auch den intimen Sexual­bereich des Menschen, der die sexuelle Selbst­bestimmung und damit auch das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen Orientierung umfasst. Die Erfahrung mit TSG-Verfahren zeigt außerdem: In 99 Prozent der Fälle entscheiden die Amts­gerichte laut einer wissen­schaftlichen Erhebung im Sinne der Antrag­stellerinnen und Antrag­steller.

Worunter haben die Betroffenen zu leiden?

Das jetzige, lang­wierige Verfahren der Vornamens- und Personen­stands­änderung hat auch weit­reichende Folgen für den Alltag trans­geschlechtlicher Menschen. Personen, deren Ausweis­dokumente nicht zu ihrer Identität, zu ihrem Namen und zu ihrem Aussehen passen, haben dadurch auf vielen Ebenen immer wieder Schwierigkeiten und erfahren Diskriminierung: in der Schule, am Arbeitsplatz, bei Kontrollen durch Ordnungs­behörden und so weiter. Das ganze Verfahren ist also nicht zu recht­fertigen.

Sehen Sie Probleme in staatlichen Institutionen im Umgang mit trans­geschlechtlichen Menschen?

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Das Wissen um Trans­geschlechtlichkeit und die Sensibilität im Umgang damit ist in staatlichen Institutionen noch nicht weit verbreitet. Bei der Berichtigung von Urkunden oder Zeugnissen etwa gibt es immer wieder Probleme. Trans­geschlechtliche Menschen berichten davon, dass ihnen die Ausstellung von Dokumenten und Bescheinigungen immer wieder verwehrt wird.

Zudem ist die gesund­heitliche Versorgung nur selten auf die spezielle Belange dieser Gruppe ausgerichtet. Auch dort braucht es viel Aufklärung, damit alle die zu ihnen passenden Leistungen erhalten. Auch das ist die Voraus­setzung für ein selbst­bestimmtes Leben.

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