Lambrecht war ein Fehlgriff von Scholz
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Seit dem 8. Dezember 2021 ist sie Bundesministerin der Verteidigung: Christine Lambrecht (SPD).
© Quelle: IMAGO/Mike Schmidt
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
wohl jeder hat die Szene mit der zum Schwur erhobenen Hand schon mal gesehen: Bundesministerinnen und Bundesminister versprechen vor Amtsantritt, dass sie ihre Kraft „dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren und Schaden von ihm wenden“ werden. So verlangt es Artikel 56 des Grundgesetzes.
Was aber nützt eigentlich dem Volk? Was schadet ihm? Darüber kann man im Alltag trefflich streiten. Solange es um politische Sachfragen geht, können die Regierungsmitglieder sich selbst meist irgendwie über die Runden bringen. Man kann ja Kompromisse suchen, den Kurs notfalls rasch wieder korrigieren.
Kommt aber eine Ministerin oder ein Minister als Person ins Gerede, wird es prekär. Dann kann es sein, dass die Amtsinhaberin oder der Amtsinhaber gemäß Artikel 56 eine Entscheidung gegen sich selbst treffen muss. Christine Lambrecht hat genau dies jetzt getan: Sie hat entschieden, dass es ihrem Land am meisten nützt, wenn sie zurücktritt.
Häme für Lambrecht gab es schon genug
Für diese Klärung verdient Lambrecht Respekt. Es spricht für ihre anerkennenswerte Haltung, Deutschland dienen zu wollen – auch wenn ihr vieles nicht glückte.
Häme wurde in den vergangenen Wochen schon genug ausgegossen über die 57-jährige Sozialdemokratin. Natürlich war es peinlich, und sie fand auch die richtigen Worte nicht, als sie die unvergesslichen 5000 Helme für die Ukraine als Großtat vorstellte. Noch schlimmer wurde es, als sie ihrem Sohn eine Mitfluggelegenheit im Bundeswehrhubschrauber bot und dies später zu verteidigen suchte. Und vollends ohne Gespür wirkte ihr von Silvesterböllerei überlagertes „privates“ Video, in dem sie in der Pose missglückter Nachdenklichkeit das Kriegsjahr 2022 Revue passieren ließ. „Tone-deaf“ nennen die Amerikanerinnen und Amerikaner so etwas.
Fehler über Fehler. Der alles entscheidende erste Fehler aber lag bereits darin, dass Kanzler Olaf Scholz sie überhaupt für dieses Amt auswählte. Damals, es war noch vor dem Krieg, dominierten noch altes sozialdemokratisches Denken und überkommene Proporzkategorien. Eine Frau sollte es sein, eher vom linken Flügel – und bitte nicht noch jemand aus Niedersachsen. Von dort kamen schon Parteichef Lars Klingbeil und Arbeitsminister Hubertus Heil. Auf diese Art darf es nicht noch einmal laufen. Das zumindest hat die SPD jetzt hoffentlich gelernt.
Thunberg und die Arroganz der Macht
Auch der Klimabewegung kann man nur wünschen, dass sie endlich mal die Kraft zur nötigen Selbstkorrektur aufbringt, zumindest in stilistischen Fragen und im Umgang mit anderen. Doch alte Muster abzulegen ist, wie Greta Thunberg höchstpersönlich am Freitag in Lützerath vorführte, nicht so einfach. Lieber bedient man Klischees. Das ist so herrlich bequem und bringt Applaus von den eigenen Leuten.
„Die Polizeigewalt“ in Lützerath sei „empörend“, mokierte sich Thunberg. Und prompt gingen ihre Worte um die Welt. Sogar in der „Hindustan Times“ in Indien ist nun von „police violence“ in Deutschland die Rede, die nach dem Urteil Thunbergs „outrageous“ sei.
In welcher Selbsthilfegruppe kann man sich melden, wenn man es anders sieht und das Verhalten von Thunberg empörend findet?
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„Empörende Polizeigewalt“? Die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg und deutsche Polizeibeamte am Freitag in Lützerath.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
In Wahrheit gerät der allerbeste und wohlmeinendste Rechtsstaat in einem Fall wie Lützerath in ein unentrinnbares Dilemma. Die in das Null-Einwohner-Dorf entsandten Beamtinnen und Beamten versuchen in diesen Tagen, einerseits die Autorität des Rechtsstaats zu bewahren, zugleich aber „police violence“ so gut es geht zu vermeiden.
Thunberg aber wollte davon gar nichts wissen. Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach berichtet, den größten Teil ihres Aufenthalts habe Thunberg genutzt, um mit der Presse zu sprechen und Statements zu geben. „Sie hat zu keiner Zeit die Gelegenheit ergriffen, sich bei den zahlreichen Einsatzkräften über die Situation der letzten Tage zu informieren. Es ist mir unverständlich, wie sie zu ihrer erstaunlichen Beurteilung kommt. Das, was ich hier erlebt habe, ist ein hochprofessionelles und deeskalierendes Vorgehen der Einsatzkräfte.“
Die viel zitierte Arroganz der Macht, so zeigt sich, gibt es nicht nur bei Regierenden. Es gibt sie auch bei weltweit einflussreichen Bewegungen, die ihr Gefühl der Erhabenheit aus einem vermeintlichen Erleuchtetsein ableiten. Ein Beitrag zu mehr Respekt in den komplizierten modernen Gesellschaften von heute sähe anders aus.
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Karl Lauterbach,
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Aus unserem Netzwerk: Schnitzelantrag
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Termine des Tages
In Weimar endet heute eine Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands unter Leitung von Parteichef Friedrich Merz. Für 13.30 Uhr ist eine Pressekonferenz vorgesehen.
Der Parteivorstand der Linken berät heute in Berlin mit den Landes- und Fraktionsvorsitzenden aus den Ländern über Grundsätze der künftigen Wirtschaftspolitik der Partei.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas besucht heute die Gedenkstätte für NS-Opfer in Bernburg. Die Gedenkstätte widmet sich den dort ermordeten rund 14.000 Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten sowie Häftlingen aus Konzentrationslagern.
Wer heute wichtig wird
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In Tschechien läuft die erste Runde der Präsidentschaftswahl. Erstmals werden dabei auch einer Frau gute Chancen eingeräumt, der Wirtschaftsprofessorin Danuse Nerudova (links). Kopf an Kopf liegen allerdings zwei Männer, der frühere Premier Andrej Babis und der Ex-General Petr Pavel.
© Quelle: IMAGO/CTK Photo
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Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Tag,
Ihr Matthias Koch
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