Kurz verkündet harten Lockdown: „Treffen Sie niemanden“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MOEE62LISJGRFP2NWWJHDHRBWE.jpeg)
Wien: Werner Kogler (v.l.n.r), Österreichs Vizekanzler, Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, und Innenminister Karl Nehammer nehmen an einer Pressekonferenz nach dem Ministerrat im Bundeskanzleramt teil.
© Quelle: Herbert Neubauer/APA/dpa
Österreich verschärft seine Corona-Regeln. Dies sei nun „notwendig“, erklärte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag während einer Pressekonferenz. Gesundheitsminister Rudolf Anschober warnte, dass das Gesundheitssystem in vielen Bereichen bereits an seine Grenzen komme. „Wir brauchen deshalb eine Notbremsung und das wirklich sofort“, sagte er. Deshalb treten vom kommenden Dienstag an bis zum 6. Dezember treten folgende Maßnahmen in Kraft:
- Schulen und ein Großteil der Geschäfte werden geschlossen.
- Ausgangsbeschränkungen gelten nun den ganzen Tag. Das Verlassen des privaten Wohnraums ist nur aus triftigen Gründen wie Grundbedürfnissen, der Arbeit, der Hilfe etwa für Angehörige und zur Erholung im Freien erlaubt.
- Homeoffice soll überall gelten, wo es möglich ist.
Kurz erklärte, dass die Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar seien: „Die Behörden wissen gar nicht mehr, wo die Ansteckungen stattfinden.“ In manchen Bundesländern würden die Zahlen noch immer „exponentiell“ steigen. Beispielsweise in Oberösterreich. Nun heiße es: „Treffen Sie niemanden. Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel.“ Kurz hoffe, dass durch die harten Maßnahmen das „Weihnachtsfest gerettet“ werden könne. Die österreichische Bundesregierung baue nun auf eine „Stimmung der Solidarität“.
Für Unternehmen, die nun schließen müssen, würden rasche Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Auch Arbeitnehmer sollen geschützt werden. „Auch wenn sich niemand einen zweiten Lockdown wünscht, so ist der zweite Lockdown das einzige Mittel, von dem wir verlässlich wissen, dass es funktioniert“, sagte Kurz.
Österreich wird zweiten Voll-Lockdown verhängen
© Quelle: Reuters
Offen bleiben Geschäfte für die Deckung des täglichen Bedarfs, etwa Supermärkte, Drogerien, Apotheken und Banken. Schulen stellen auf Fernunterricht um und bieten wie auch Kindergärten Betreuung bei Bedarf. Private Treffen sind auf einzelne engste Angehörige oder Bezugspersonen beschränkt. Das Ziel sei, am 7. Dezember Schulen und Handel wieder öffnen zu können.
Schon seit dem 3. November sind in Österreich die Gastronomie, der Tourismus sowie Kulturbetriebe und Freizeiteinrichtungen geschlossen. Ausgangsbeschränkungen galten bisher von 20 bis sechs Uhr. Die Infektionszahlen sind seit Anfang November zunächst weiter gestiegen, am Freitag lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen bei 554,2. Mediziner befürchten einen Zusammenbruch der Intensivversorgung.
Opposition wirft Kurz-Regierung Kontrollverlust vor
Doch wie konnte sich die Lage überhaupt wieder derart negativ entwickeln? Gab es Versäumnisse? Darüber wurde am Samstag teils heftig gestritten. Die Regierung hatte immer wieder betont, mit allen Mitteln einen Lockdown verhindern zu wollen. Gesundheitsminister Anschober hatte noch vor fast genau einem Monat solche strikten Maßnahmen praktisch ausgeschlossen. „Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen“, sagte er am 11. Oktober dem Sender ORF.
Das sei nur vor einem flächendeckenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems möglich. „Davon sind wir Gott sei Dank meilenweit entfernt“, sagte er damals.
Die Oppositionsparteien warfen der Regierung nun Kontrollverlust vor. „Jetzt bekommen alle Österreicher die Rechnung für das Managementversagen der Bundesregierung präsentiert“, sagte etwa die Chefin der Sozialdemokraten, Pamela Rendi-Wagner. Die Regierung habe die Kontaktnachverfolgung vernachlässigt und die Länder und Krankenhäuser bei der Vorbereitung der Intensivstationen alleingelassen.
Ein großer Streitpunkt blieb das Schließen der Schulen. Die Corona-Expertenkommission hatte sich Medien zufolge am Donnerstag dagegen ausgesprochen. Das Bundeskanzleramt war ein Befürworter der Maßnahmen. Die Schulen müssten geöffnet bleiben, betonte dagegen Rendi-Wagner. Die Vorsitzende der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, kündigte an, wegen der Schulschließungen rechtliche Schritte zu prüfen.
„Offene Schulen waren unser Ziel, weil wir vom Wert der Bildung und der sozialen Funktion der Schulen überzeugt sind“, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Samstag. Die Lage sei aber prekär und die Gesundheit habe Priorität. „Die Schulen sind keine Treiber der Infektionen, aber sie sind auch nicht frei von Infektionen.“ Schulen und Lehrer seien besser auf die Schließungen vorbereitet als im Frühjahr.
mit dpa