Großbritannien: Russland könnte Separatistengebiet in Cherson anstreben – Johnson stellt die Ölfrage
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Der britische Premierminister Boris Johnson.
© Quelle: Justin Tallis/PA Wire/dpa
London. Russland könnte in der ukrainischen Stadt Cherson nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums ein Separatistengebiet anstreben. Das Ministerium erklärte, möglicherweise plane Russland, in der von russischen Truppen besetzten Stadt eine prorussische Regierung in Stellung zu bringen. Ziel sei es, „politische Kontrolle“ in ukrainischen Gebieten auszuüben.
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Demnach könnte Russland versuchen, ein „Referendum“ in Cherson zu veranstalten, um das Gebiet als „abtrünnige Republik“ nach dem Vorbild der Separatistengebiete in den Regionen Luhansk und Donezk sowie auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim zu legitimieren.
Ministerium: Zwei Bürgermeister verschleppt
Außenstaatssekretär James Cleverly erklärte, jeder Versuch, lokale Referenden abzuhalten, wäre „ein weiterer Versuch, einer inakzeptablen, ungerechtfertigten, illegalen Invasion einen Anstrich von Glaubwürdigkeit zu verpassen“.
Auf Grundlage von Geheimdienstinformationen erklärte das Ministerium, in den von Russland besetzten Städten Melitopol, Berdjansk und Cherson habe es Demonstrationen von Ukrainern gegen die Besatzer gegeben. Russische Soldaten hätten dabei Warnschüsse auf Demonstranten abgegeben.
Russland habe in Melitopol zudem einen eigenen Bürgermeister in Stellung gebracht, nachdem dessen Vorgänger am Freitag verschleppt worden sein soll. Auch der Bürgermeister der Stadt Dniprorudne wurde den Angaben zufolge von russischen Streitkräften verschleppt.
Premierminister: Abhängigkeit des Westens hat zu Invasion geführt
Der britische Premierministers Boris Johnson betonte indes, die Abhängigkeit des Westens von russischem Öl habe den Weg für die Invasion in der Ukraine geebnet. Die Länder des Westens hätten einen schrecklichen Fehler gemacht, als sie nach der russischen Annexion der Krim 2014 die wirtschaftlichen Beziehungen zu Moskau wieder aufgenommen hätten, schrieb Johnson in einem Beitrag für die Zeitung „The Telegraph“ vom Dienstag.
Der russische Präsident Wladimir Putin habe zu Beginn des Krieges in der Ukraine gewusst, dass der Westen ihn nur schwer bestrafen könne, schrieb Johnson. „Er wusste, dass er eine Abhängigkeit geschaffen hatte.“
Selenskyj fordert neue Strafmaßnahmen für Kriegsverantwortliche
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will die Schuldigen für die schweren Kriegshandlungen in seinem Land ohne Nachsicht zur Verantwortung ziehen.
© Quelle: dpa
Deshalb habe sich der Präsident in der Lage gefühlt, Entbindungskliniken zu bombardieren und deshalb fühle er sich ermutigt, wahllose Angriffe auf fliehende Familien zu starten.
Johnson will Öl- und Gasimporte aus Russland einstellen
Die Beendigung der weltweiten Abhängigkeit von russischer Energie werde Putin das Geld aus der Tasche ziehen, schrieb der Premierminister und warb für den Plan der britischen Regierung, die Öl- und Gasimporte aus Russland bis Ende des Jahres einzustellen.
Stattdessen wolle er stärker auf heimisches Öl und Gas setzen. „Es ist verrückt, dass wir Öl und Gas aus (Wladimir) Putins Russland importieren, obwohl wir unsere eigenen Ressourcen in der Nordsee haben“, schrieb Johnson. „Es ist Zeit, Investoren mehr Vertrauen in britische fossile Brennstoffe zu geben.“
Dem Portal „Politico“ zufolge sollen entsprechende Gesetze, die die Lizenzierung von Öl- und Gasvorhaben unter bestimmten klimapolitischen Gesichtspunkten verhindern, geändert werden. So könnten etwa Notfallklauseln eingefügt werden, mit denen die bisherigen Regeln umgangen werden könnten.
Gegen die Lizenzierung neuer Ölvorhaben gibt es Widerstand. Auch Großbritannien selbst inszenierte sich kürzlich als Gastgeber der Weltklimakonferenz COP26 verstärkt als Vorreiter beim Klimaschutz. Johnson und COP-Präsident Alok Sharma betonten immer wieder die Notwendigkeit, sich von fossilen Energieträgern zu verabschieden.
Abkehr von Kernenergie für Johnson „historischer Fehler“
„Erneuerbare sind der schnellste und günstigste Weg zu größerer Energie-Unabhängigkeit. Sie sind immun gegen Putins Manipulationen. Er mag seine Hand am Hahn für Öl und Gas haben. Aber er kann nichts tun, um den Nordseewind zu stoppen“, so Johnson in seinem Gastbeitrag im „Telegraph“.
Neben Windenergie gelte es auch in andere Formen erneuerbarer Energien wie Solar-, Gezeiten-, Geothermie- und Wasserkraftwerke zu investieren, erklärte Johnson.
Das Vereinigte Königreich müsse auch den historischen Fehler der Abkehr von der Kernenergie rückgängig machen.
RND/AP/dpa