Putin unterschätzt unsere größte Stärke
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„Der eine wird als Kriegsverbrecher, der andere Vorbild in die Geschichte eingehen“: Russlands Präsident Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.
© Quelle: imago/alimidi/ITAR-TASS/Xinhua/RND Montage Behrens
Berlin. Es ist nicht absehbar, wie sehr dieser russische Präsident die Welt in Trümmern legen wird. Ob er das nach Demokratie strebende Nachbarland vernichtet und auch noch einen Nato-Staat angreift. Aber es gibt eine Hoffnung, dass der Überfall auf die Ukraine der Anfang vom Ende des Wladimir Putin ist.
Mögen westliche Länder sein Aggressionspotenzial nicht für möglich gehalten haben – es ist mitnichten naiv, Beziehungen zu Russland mit Handel zum Guten wenden und den Krieg gegen Kiew mit Diplomatie stoppen zu wollen. Das ist das Wesen von Demokraten. Zum Scheitern verurteilt ist das, wenn auf der anderen Seite ein Mann sitzt, der für die eigene Macht über Leichen geht und kontinuierlich Größenwahn entwickelt.
Selenskyj verleiht westlichen Demokratien Schub
Aber jetzt ist es der Kremlchef, der etwas unterschätzt hat: die Stärke der Demokratie. Es ist das Potenzial der ihm verhassten besten aller Staatsformen. Es ist die Freiheit, nach der sich Menschen sehnen und die sie mit aller Kraft verteidigen. Putin hat es nicht für möglich gehalten, dass der ukrainische Präsident die Attacken aushält und sein Volk mutig beschützt.
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Wolodymyr Selenskyj bietet ihm die Stirn und verleiht den westlichen Demokratien damit mehr Schub, als sie sich zuletzt selbst geben konnten. Er ist zum Vorbild geworden und hat vielen die Augen geöffnet, was auf dem Spiel steht: Nicht nur die Ukraine, auch der Zusammenhalt Europas. Sein Land konnte er über das Wochenende noch nicht retten. Aber er hat die Nato, die EU und die internationale Gemeinschaft weitgehend zusammengeschweißt.
Russlands Krieg: So lief die Sondersitzung des Bundestages
Am Sonntag fand sich der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich erneut zum Krieg in der Ukraine geäußert.
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Die Sondersitzung des Bundestags und die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Sonntag werden in den Geschichtsbüchern stehen: Deutschland bricht mit jahrelangem Zaudern in der Verteidigungs- und der Energiepolitik.
Der Staat wird die unfassbare Summe von 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr bereitstellen und sich mit einer Turboenergiewende unabhängig von russischem Gas machen. Dazu kommt diese nicht für möglich gehaltene 180-Grad-Wende einer Regierung mit Grünen-Beteiligung: Deutschland liefert Waffen in ein Kriegsgebiet.
Geld allein hilft der deutschen Armee nicht
Das ist keiner tieferen Erkenntnis in die sicherheits- und klimapolitische Notwendigkeit geschuldet. Es ist die Konsequenz aus der Zeitenwende, die Putin am 24. Februar mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine eingeleitet hat. Die deutsche Außenpolitik erlebt mit den Waffenlieferungen gerade eine Zäsur. Es ist der Preis für die Verteidigung der Demokratie.
Deutschland hat die bittere Erfahrung gemacht, dass starke militärische Abschreckung mehr Sicherheit bietet als der bloße Wunsch nach Frieden. Entscheidend wird es aber darauf ankommen, wie die Bundesregierung die 100 Milliarden Euro für die deutsche Armee investieren wird. Geld allein reicht nicht. Die verkrusteten Strukturen der Bundeswehr müssen aufgebrochen und ihre offensichtliche Unbeweglichkeit überwunden werden. Das bedarf einer sicheren militärischen und vor allem politischen Führung. Und die ist derzeit nicht zu sehen.
Brandgefährlich ist die internationale Lage, weil Putin alles daran setzen wird, als Sieger aus seinem Völkerrechtsbruch herauszukommen. In großen Teilen der russischen Bevölkerung wird der Krieg gegen den Bruderstaat Ukraine mit Entsetzen verfolgt. Andere Kräfte wiederum wollen einen Sieg Putins sehen. Es wird sehr darauf ankommen, wie sich China verhält, das sich im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Resolution gegen Russland enthalten hat.
Peking könnte Putin Einhalt gebieten – wenn es sich denn Achtung in der Welt verschaffen möchte. Achtung kann sich aber in jedem Fall die internationale Gemeinschaft verschaffen: indem sie den Kriegsverbrecher Putin vor den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringt.