Folgen von Putins Krieg

Großbritannien und die EU: wieder Seite an Seite

Nach dem Brexit ein ungewohntes Umfeld: Die britische Außenministerin Liz Truss im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel bei einem Sondertreffen der EU-Außenminister.

Nach dem Brexit ein ungewohntes Umfeld: Die britische Außenministerin Liz Truss im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel bei einem Sondertreffen der EU-Außenminister.

London. Der Streit um den Brexit war in den vergangenen sechs Jahren bitter, der Graben zwischen Brüssel und London tief. Und so traut man es sich auf beiden Seiten des Ärmelkanals kaum laut zu sagen, doch seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine setzen sich britische und europäische Politiker wieder zu konstruktiven Gesprächen an einen Tisch.

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Am vergangenen Freitag lud die EU die britische Außenministerin Liz Truss zur Teilnahme an einem Treffen der europäischen Außenminister ein – eine Premiere seit dem Brexit. Bei ihrer Ankunft in Brüssel sagte Truss, es sei „von entscheidender Bedeutung“, dass das Vereinigte Königreich und seine Verbündeten in ihrer Reaktion auf Russlands Militäraktion „vollständige Einheit zeigen“.

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Sie nannte die EU dabei zwar nicht beim Namen, aber die Botschaft war klar: Nach Jahren, die von Überheblichkeit, mangelnder Kommunikation und Meinungsverschiedenheiten geprägt waren, nähern sich Großbritannien und das europäische Bündnis an und stehen angesichts des gemeinsamen Aggressors Seite an Seite.

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Warum die EU die Briten braucht

„Die russische Invasion ist eine tiefgreifende Bedrohung für die Europäer, eine Herausforderung, der sich der Westen gemeinsam stellen muss“, sagte Sophia Gaston, Direktorin des Forschungsinstitutes British Foreign Policy Group. Großbritannien war, so betonen Experten, gemeinsam mit Frankreich schon vor dem Brexit eine wichtige Stimme, wenn es um eine gemeinsame Außenpolitik ging.

Während Länder wie Deutschland eine politische Kehrtwende vollzogen, war man im Königreich über die Invasion Russlands weniger überrascht. Denn dort stehen Politik und Medien dem Kreml schon seit Jahren skeptisch gegenüber. Gründe dafür sind unter anderem die Nähe der Briten zu den USA sowie die Giftanschläge auf die russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko sowie Sergej Skripal auf britischem Boden, die mutmaßlich durch den Kreml verübt wurden.

Dementsprechend habe man früh auf die russische Bedrohung aufmerksam gemacht, Ukrainer ausgebildet und bewaffnet, und warnte, als die Katastrophe näher rückte, kommentierte der frühere konservative Brexit-Minister David Frost. Großbritannien nimmt deshalb laut Experten eine wichtige Rolle im strategischen Umgang mit dem Krieg in Europa ein – auch wegen seiner Atomwaffen.

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Damit hat Johnson nicht gerechnet

Gleichzeitig musste Großbritannien feststellen, dass die EU doch nicht so unflexibel ist, wie von Befürwortern des Brexit immer wieder behauptet wurde. Die Regierung unter Boris Johnson sei – anders als seine Vorgängerin Theresa May – davon ausgegangen, dass das „Bündnis weiterhin keine Rolle spielen wird, wenn um eine gemeinsame Sicherheitspolitik für Europa geht“, betonte Ian Bond, Experte bei der Denkfabrik „Centre for European Reform“.

Alleine könne man schneller und besser auf Krisen reagieren, behaupteten diejenigen, die für einen Austritt aus dem europäischen Bündnis waren. Diese Annahme habe sich angesichts des russischen Krieges in der Ukraine laut Bond jedoch als falsch herausgestellt.

Tatsächlich war die EU sogar schneller als Großbritannien, beispielsweise als es um Sanktionen für russische Oligarchen ging, die dem Kreml nahestehen. Laut Gavin Barwell, dem früheren Stabschef Theresa Mays, sollte der Brexit-Deal deshalb künftig auch „Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in der Außen- und Verteidigungspolitik beinhalten“. Wenn man Großbritannien in Zukunft schützen wolle, brauche man die Nato und die EU, betonte Bond.

Der Premierminister profitiert von der Krise

Insgesamt gesehen profitiert der krisengebeutelte Premierminister Boris Johnson jedoch innenpolitisch von dem Krieg. Die Schlagzeilen um Partys von Regierungsbeamten während des Lockdowns sind in den vergangenen zwei Wochen aus den britischen Tageszeitungen verschwunden.

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Während der Oppositionschef Keir Starmer kürzlich noch den Rücktritt des Premiers forderte, schlägt er nun sanftere Töne an. Der britische Fernsehsender BBC argumentierte am Montag, dass auch für die überwiegende Mehrheit der Tories nun einfach nicht die Zeit für einen Führungswechsel sei. „Die Sorgen um die Führung von Boris Johnson in seiner eigenen Partei sind vorerst nicht mehr aktuell, aber nicht vergessen“, heißt es dort.

Der schottische Schriftsteller, Politiker und Johnson-Kritiker Rory Stewart sagte angesichts des Krieges in Europa über ihn: „Er ist ein schrecklicher Mensch. Er ist ein schrecklicher Premierminister. Aber er hat sich in der Ukraine-Krise gut geschlagen.“

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