„Für Russland hat ein Spiel gegen die Zeit begonnen“

Kriegspause im Donbass täuscht: Warum Russland jetzt schnell neue Angriffe vorbereitet

Ein ukrainischer Soldat fotografiert eine beschädigte Kirche in Mariupol.

Ein ukrainischer Soldat fotografiert eine beschädigte Kirche in Mariupol.

Erstmals seit Beginn des Kriegs haben russische Streitkräfte keine neuen Gebietsgewinne in der Ukraine gemeldet. Darüber informierte die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) in ihrem jüngsten Lagebericht. Die ISW-Militärexperten gehen davon aus, dass Russland eine Pause seines Angriffskriegs einlegen könnte. „Die russischen Streitkräfte werden sich wohl auf relativ kleine Offensivaktionen beschränken, um ihre Kampfkraft für größere Angriffe in der Zwischenzeit aufzubauen.“ Das russische Verteidigungsministerium kündigte am Donnerstag sogar offiziell eine Kampfpause an. „Soldaten erhalten die Möglichkeit, sich auszuruhen und Briefe und Pakete von zu Hause zu erhalten“, zitierte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass einen Beamten des Verteidigungsministeriums.

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Selenskyj lobt Treffsicherheit der westlichen Artillerie
06.07.2022, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem irischen Premierminister Martin (nicht im Bild) im ukrainischen Regierungsgebäude. Foto: Niall Carson/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der ukrainische Präsident sagt, die Ukraine zerstöre mit zielgenauer Artillerie Depots und andere Ziele der Russen.

Der Militärexperte Christian Mölling von der Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) glaubt jedoch nicht an eine Pause. „Nur weil die russischen Truppen nicht mehr vorankommen, heißt es nicht, dass es eine operative Pause gibt“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Pause“ sei das völlig falsche Wort, denn die russischen Streitkräfte haben laut dem Experten bei den vergangenen Kämpfen „massive Verluste“ hinnehmen müssen, sodass jetzt die Offensive zum Erliegen kommt. Selbstbestimmt sei die Kampfunterbrechung daher nicht. „Die Kräfte schwinden und die Soldaten laufen in der Region Donezk auf ein Gebiet zu, bei dem sie nur wenige Fortschritte machen können.“

„Für Russland hat ein Spiel gegen die Zeit begonnen.“

Franz-Stefan Gady,

Militäranalyst beim Institute for International Strategic Studies (IISS)

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Ähnlich beurteilt auch der Militäranalyst Franz-Stefan Gady vom Institute for International Strategic Studies (IISS) in London die Lage im Donbass. Seiner Einschätzung nach kann sich Russland in der derzeitigen Kriegsphase keine Pause leisten. „Die russischen Streitkräfte werden die Offensive fortsetzen, da ihnen nur noch ein kleines Zeitfenster dafür bleibt, bevor westliche Waffensysteme effektiv und in großer Anzahl integriert sind“, sagte er im Gespräch mit dem RND. „Für Russland hat ein Spiel gegen die Zeit begonnen.“ In wenigen Wochen könnte laut Gady die Ukraine wieder die Oberhand gewinnen.

Die russischen Truppen stehen an der Front in Donezk, die etwa 70 Kilometer von den nächsten größeren Städten entfernt verläuft. Weitere 70 Kilometer entfernt liegt die Grenze der Region Donezk. Will Russland den gesamten Donbass einnehmen, stehen laut den Experten noch lange und schwere Kämpfe bevor. „Zuletzt war die ukrainische Verteidigungslinie sehr effektiv und wir können damit rechnen, dass die Verteidigung sehr lange halten wird“, erklärt Gady. Jetzt komme es darauf an, wie gut die nächste Verteidigungslinie der Ukraine ist. Die Ukraine hat in den vergangenen Monaten die Stellungen sehr stark ausgebaut, weil bereits mit einem Vorstoß Russlands gerechnet wurde.

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