Häfen für russische Schiffe schließen? Warum eine Sperre so kompliziert ist
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Russische Schiffe können immer noch in deutsche Häfen einlaufen. Ein Verbot ist schwierig umzusetzen und hätte weitreichende Folgen.
© Quelle: Marcus Brandt/dpa
Berlin. Nach mehr als drei Wochen des Krieges gegen die Ukraine steigt der Druck auf den Westen, weitere Sanktionen gegen Russland zu verabschieden. So werden Forderungen innerhalb der Europäischen Union lauter, den Seeweg für russische Schiffe nach Europa zu schließen. Zuletzt hatte etwa der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) auf ein Einfuhrverbot gepocht.
Das Bundesverkehrsministerium unter der Leitung von Minister Volker Wissing (FDP) will die Sanktion zwar nicht ausschließen, bleibt aber vorsichtig. „Wir halten uns derzeit alle Optionen offen und stehen dazu im engen Austausch auf europäischer Ebene“, teilte ein Ministeriumssprecher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit.
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Die Ampelregierung hält sich wohl auch zurück, weil die Sanktion für Deutschland energiepolitisch nicht ohne Folgen bleiben würde. „Die Energieträger wie Öl, Mineralölerzeugnisse und Kohle aus Russland kommen zu großen Teilen über den Schiffsverkehr nach Deutschland“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Daniel Hosseus, dem RND. „Deutsche Seehafenbetriebe haben 2021 aus Russland 23,8 Millionen Tonnen Güter über den Seeweg importiert, etwa 12,1 Millionen Tonnen davon sind Kohle sowie Öl und sechs Millionen Tonnen Kokerei‑ sowie Mineralölerzeugnisse.“
Energieembargo weiter tabu
Ein Einfuhrverbot würde also eine Sanktion der Energieträger durch die Hintertür bedeuten. Die Bundesregierung lehnt ein Energieembargo allerdings ab – Deutschland ist abhängig von russischen Energieträgern. Die Häfen sind dadurch auch eine weitere Möglichkeit für andere EU-Staaten, Druck auf Deutschland in der Frage der Energieimporte auszuüben. Polen argumentiert bereits seit einigen Wochen für umfassendere Sanktionen.
Dass ein EU-Staat dahingehend einen Alleingang macht, gilt jedoch als ausgeschlossen. Ohne eine EU-weite Lösung wäre die Hafenschließung ein zahnloser Tiger. „Für die Hafenwirtschaft ist essentiell, dass ein mögliches Einfuhrverbot europäisch gelöst wird“, mahnte ZDS-Chef Hosseus. „Nur so wären die Sanktionen effektiv und würden den Wettbewerb mit anderen Staaten unterbinden. Denn wenn Deutschland den Hafenanlauf verbiete, während er in anderen Länder weiter erlaubt sei, könne die Ware dort einlaufen.
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Die EU scheut sich auch aus anderen Gründen vor einem Einfuhrverbot. Die politischen Entscheidungsträger müssten zunächst definieren, welche Schiffe unter das Embargo fallen sollen. Das ist kompliziert: „Bei Schiffen unter russischer Flagge ist das eindeutig, aber es gibt Schiffe im russischen Eigentum, die unter anderer Flagge fahren. Mit dem tatsächlichen Flaggenstaat müsste die Politik dann auch in den Dialog treten“, erklärte Hosseus und zählte weiter auf: „Dann gibt es Schiffe aus Drittstaaten, die mit russischer Ladung unterwegs sind.“ Großbritannien beispielsweise hat alle Seehäfen für Schiffe unter russischer Flagge gesperrt.
Möglich sei auch, Schiffe, die vorher in russischen Häfen anlegten, keinen EU-Hafen mehr ansteuern zu lassen, sagte Hosseus. „Das wäre dann ein komplettes Einstellen des Schiffsverkehrs mit Russland, was letztlich auch das Unterbinden des Güterverkehrs insgesamt bedeuten würde“, ergänzte er und verwies auf die damit einhergehenden rechtlichen, diplomatischen und wirtschaftlichen Anforderungen.
Ein teilweises Embargo – zum Beispiel ein reiner Ausschluss von Containerschiffen – würde allerdings wenig bezwecken. Laut Frank Huster, Geschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik, hätte ein Einlaufverbot russischer Schiffe in deutsche und europäische Häfen kaum Auswirkungen auf den Containerbereich, da aktuell keine russischen Containerschiffe in deutschen Seehäfen ankommen. Diese Teilsanktion würde Russland also finanziell nicht weiter treffen.
Rekordhohe Spritpreise: Unternehmen sind verzweifelt
Die deutsche Logistikbranche schlägt angesichts rekordhoher Kraftstoffpreise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine Alarm.
© Quelle: Reuters
Eine weitere Schwierigkeit in Deutschland ist die Zuständigkeit: Häfen sind, anders als der Luftverkehr, Ländersache. Für die Schließung müsste Verkehrsminister Wissing also die Länder hinter sich versammeln.
Die Sanktion wäre wirtschaftlich ein Dämpfer für die deutsche Industrie. Nach Angaben des Seehafenbetriebe-Zentralverbands haben die Unternehmen im Jahr 2021 insgesamt 288,7 Millionen Tonnen auf der ganzen Welt umgeschlagen. „Davon stammen 26,6 Millionen Tonnen aus dem Verkehr mit Russland – Import und Export zusammengerechnet.“ Verbandschef Hosseus unterstrich: „So würden also mehr als 9 Prozent des Umschlags wegfallen, sollte es eine Schließung der Häfen geben.“ Ein Einfuhrverbot könne „große wirtschaftliche Folgen“ haben.