Abschaffung des Bildungsministeriums: Kretschmann erntet Kritik und Unverständnis
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/VVXA53GXV5EN5J5YQ6J3UDE7NU.jpeg)
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Berlin. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist für seine Forderung, das Bundesbildungsministerium (BMBF) abschaffen zu wollen, scharf kritisiert worden. Kretschmann mache sich damit „endgültig zum Symbol einer bildungspolitischen Kleinstaaterei“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Sie verwies auf den Digitalpakt, die Ganztagsbetreuung sowie die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten in der Corona-Pandemie. „All dies ist nur möglich, weil Bund und Länder in dieser Wahlperiode gemeinsam das Kooperationsverbot in der Bildung abgeschafft haben“, so Bas.
Die Bundes-FDP forderte einen Ausbau der Kompetenzen des Bundesbildungsministeriums. „Dass der Bund bei der Bildung so wenig mithelfen darf, ist genau das Problem, welches einer Modernisierung und etwa mehr Chancengerechtigkeit oft im Weg steht“, sagte Johannes Vogel, stellvertretender Bundesvorsitzender der Freien Demokraten.
Philologenverband kritisiert Kretschmanns Äußerungen
Kretschmann hatte am Dienstag im Interview mit dem RND über das BMBF gesagt, man könne die Frage aufwerfen, warum ein Ministerium auf einer Ebene eingeführt wird, für die man nicht zuständig ist. „In Baden-Württemberg gibt es ja auch kein Außenministerium“, so der Grünen-Politiker.
Ein Argument, dass die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, als „kurzschlüssig“ bezeichnete. Viele Bundesländer leisteten sich ja auch Europaminister und dazu entsprechende Landesvertretungen in Brüssel. Insbesondere in der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, „dass das BMBF die Länder positiv unterstützen kann“, sagte Lin-Klitzing dem RND. „Wir brauchen ein gutes Miteinander von Bund und Ländern, von BMBF und den Kultusministerien, keine Entweder-oder-Lösung.“
GEW: „Debatte um die zukünftige Ausgestaltung des Bildungsföderalismus“
Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, wies Kretschmanns Vorschlag zurück: „Das Bundesbildungsministerium abzuschaffen, wäre keine Lösung für unsere Herausforderungen im Bildungssystem.“ Die notwendige Reform der deutschen Bildungslandschaft sei ohne eine Beteiligung des Bundes kaum denkbar, so Finnern. Sie forderte eine grundsätzliche Debatte um die zukünftige Ausgestaltung des Bildungsföderalismus.
In Stuttgart wollte man sich zu Kretschmanns Forderungen nicht im Einzelnen äußern. „Bildung ist Ländersache – und das hat sich bislang bewährt“, sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Kultusministeriums auf RND-Anfrage und ergänzte: „Gleichwohl sind Rücksprachen wichtig, um unter anderem eine Vergleichbarkeit der Bildungssysteme zu gewährleisten. Hierzu findet daher ein regelmäßiger Austausch im Rahmen der Kultusministerkonferenz statt.“
Unterstützung aus Sachsen und von der AfD
Unterstützung für seinen Vorschlag bekam Kretschmann hingegen aus Sachsen. Zwar ginge dessen „Pauschalforderung“ zu weit, dennoch erscheine „eine Fokussierung auf die Kernaufgaben des BMBF“ sinnvoll, erklärte das Kultusministerium in Dresden, und verwies seinerseits auf die Erfahrungen in der Corona-Pandemie. Diese hätten gezeigt, „dass die Entscheidungen zur Schulpolitik nicht zentral von oben gesteuert werden können“.
Sachsen habe im Umgang mit der Pandemie in den Schulen einen guten Weg eingeschlagen, hieß es aus dem sächsischen Kultusministerium: Offene Schulen unabhängig der Inzidenz, aber mit verschärften Schutzmaßnahmen. Der Bund habe den Ländern aber „mit der Bundesnotbremse das Heft des Handelns aus der Hand geschlagen“. Das Ergebnis: Eine Vielzahl verwirrender Regeln, die für eine sinkende Akzeptanz in der Bevölkerung gesorgt hätten.
Ähnlich äußerte sich der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Götz Frömming. Kretschmann reagiere mit seinem Vorstoß auf „die wiederholten Zumutungen des Bundes, beispielsweise beim Digitalpakt“, schieße aber mit seiner Forderung über das Ziel hinaus, sagte Frömming auf RND-Anfrage.
Es sei „ein Mythos, zu glauben, dass wir mit einer zentralen Steuerung des Bildungswesens aus pädagogischer Sicht besser durch die Pandemie gekommen wären“. Er plädierte für eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. „Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen sollte sich der Bund heraushalten.“