AOK-Bericht: Weniger Krebsfrüherkennung durch Pandemie
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Vorsorge kann Leben retten: Eine Frau nimmt mithilfe einer Krankenschwester eine Mammographie wahr. In der Pandemie hat die Krebsfrüherkennung jedoch merklich abgenommen.
© Quelle: Eduardo Briones/EUROPA PRESS/dpa
Berlin. Die Corona-Pandemie hat zu starken Einbrüchen bei den Krebsfrüherkennungss-Untersuchungen für gesetzliche Versicherte geführt. Insbesondere in der ersten Pandemiewelle im Frühjahr 2020, aber auch in der zweiten Welle von Oktober 2020 bis Februar 2021 gingen deutlich weniger Menschen für eine Vorsorgeuntersuchung zum Arzt. Das geht aus einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
„Die Studie zeigt, dass die Teilnahmeraten bei allen Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung erhöht werden sollten“, sagt Gerhard Schillinger, medizinischer Leiter im AOK-Bundesverband. Besonders stark waren die Rückgänge 2020 demnach bei der Früherkennung von Hautkrebs (minus 19,8 Prozent gegenüber 2019). Auch beim Mammografie-Screening sowie bei der Prostatakrebs-Früherkennung wurden 2020 deutliche Rückgänge von jeweils 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet.
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Lediglich bei den Koloskopien zur Früherkennung von Darmkrebs war trotz Rückgängen in der ersten Pandemiewelle in der Jahresbilanz sogar ein leichter Anstieg von 2,1 Prozent festzustellen. „Hier wäre der Anstieg ohne die Pandemie sicher noch höher ausgefallen, denn seit Anfang 2019 können Männer schon ab 50 statt ab 55 Jahren an der Vorsorge teilnehmen“, erläutert Jürgen Klauber, Geschäftsführer des WIdO, die Ergebnisse.
Eine Erfolgsgeschichte ist die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs: Über 80 Prozent der Frauen zwischen 29 und 40 haben den Empfehlungen entsprechend in mindestens drei von zehn Jahren an der Vorsorge teilgenommen.
Langzeitstudie offenbart noch Luft nach oben
Eine Langzeitanalyse des Instituts auf Basis der AOK-Abrechnungsdaten für die Jahre 2009 bis 2020 macht zudem deutlich, dass ein relevanter Teil der anspruchsberechtigten Menschen die Krebsfrüherkennung grundsätzlich nicht wahrnimmt. So wurden beim Darmkrebs-Screening in den vergangenen zehn Jahren nur etwa die Hälfte der anspruchsberechtigten Menschen, die im vergangenen Jahr 65 Jahre alt waren, erreicht.
Experten fürchten höhere Sterblichkeit
Die ausgebliebene Diagnostik lässt nach Einschätzung der Experten schwerere Erkrankungen und mehr Tote befürchten, etwa wenn Tumore erst später erkannt werden. Erste Anzeichen dafür machen sich bereits bemerkbar: Die Auswertung der AOK-Abrechnungsdaten aus den Kliniken im Pandemiezeitraum zeigt auch einen deutlichen Rückgang bei den Krebs-OPs.
So wurde von März 2020 bis Juli 2021 ein Rückgang der Darmkrebsoperationen von 13 Prozent gegenüber 2019 verzeichnet. Brustkrebs-OPs sind um 4 Prozent zurückgegangen. „Mittelfristig könnte sich dies in einem größeren Anteil höherer Schweregrade bei den Erkrankungen zeigen und auf die Sterblichkeit auswirken“, mahnt Klauber.
Scham als Grund für mangelnde Inanspruchnahme
Warum nehmen also nicht mehr Menschen die Vorsorgetermine wahr? Der AOK-Bundesverband hat dazu eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben. Ergebnis: Es handelt sich oft um schambesetzte Untersuchungen. Viele der Befragten geben an, im persönlichen Umfeld nicht gern über Gesundheitsvorsorge zu sprechen oder sich zu den Terminen überwinden zu müssen.
Ein überwiegender Teil der Menschen in Deutschland steht dem Thema Krebsvorsorge jedoch sehr offen gegenüber. Zwei Drittel der Befragten stimmen laut den Forsa-Ergebnissen der Aussage zu, dass sie regelmäßig zu Krebsvorsorgeuntersuchungen gehen. Auf der anderen Seite gibt fast jeder vierte Befragte an, dass er sich nicht für Krebsvorsorge interessiert.
Die Krankenkasse will nun mit einer Kampagne die Krebsfrüherkennung verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Der Mediziner Gerhard Schillinger fordert, die Anstrengungen im Kampf gegen den Krebs zu verstärken. Es gelte weiterhin, die Menschen zu motivieren, die gesetzlich vorgesehenen Untersuchungen wahrzunehmen.