Alter Konflikt flammt wieder auf

Kann die EU zwischen Serbien und dem Kosovo vermitteln?

Kosovo, Mitrovica: Polizisten sichern mit ihren Fahrzeugen eine Brücke während in der Stadt Sirenenalarm zu hören ist.

Kosovo, Mitrovica: Polizisten sichern mit ihren Fahrzeugen eine Brücke während in der Stadt Sirenenalarm zu hören ist.

Berlin. In dem am Wochenende aufgeflackerten Streit zwischen Serbien und Kosovo wird es im Laufe diesen Monats Verhandlungen in Brüssel geben. Davon zeigte sich der Balkan-Experte Bodo Weber von der Denkfabrik Democratization Policy Council (DCP) in Berlin im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) überzeugt. Die Verschiebung verschärfter Regeln für die Einreise von Serben nach Kosovo sowie der Ummeldung von Kfz von Kosovoserben im Kosovo um vier Wochen zum 1. September sei ein klares Indiz dafür, sagte Weber.

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Demonstranten in den serbisch dominierten Gebieten im Norden des Kosovos hatten am Wochenende Straßen mit Barrikaden blockiert und Schüsse abgegeben, um gegen die neuen Regeln zu protestieren, die Ende Juli hätten in Kraft treten sollen. Stein des Anstoßes war die Regel, nach der etwa 10.000 Kosovoserben im Norden gezwungen werden sollten, ihre in der Vergangenheit von Serbiens Behörden ausgestellten Autokennzeichen durch kosovarische zu ersetzen beziehungsweise ihre Fahrzeuge umzumelden. Das Kosovo plant zudem, serbischen Bürgern bei der Einreise, für die bisher nur serbische Personalausweise verlangt wurden, ein visumähnliches Dokument auszustellen.

Beide Länder streben in die EU

Weber sieht in den Unruhen Symptome eines seit Jahren ungelösten Statuskonflikts zwischen den beiden in die EU strebenden Ländern, der bis in das Jahr 1998 zurückreicht, als das Kosovo noch Teil Serbiens war und ein bewaffneter Aufstand der albanischen Bevölkerungsmehrheit blutig niedergeschlagen wurde. Ein Nato-Einsatz, mit dem die serbischen Truppen aus dem Kosovo vertrieben wurden, beendete den Krieg. Serbien weigert sich, die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von 2008 anzuerkennen.

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„Die gesamte politische Elite in Serbien von ganz links bis ganz rechts ist sich darüber im Klaren, dass das Kosovo für immer weg ist, aber niemand möchte das offen zugeben“, erläuterte Weber. Die EU sei mit dem von ihr angeführten politischen Dialog nach 2013 auf dem besten Weg gewesen, den Statuskonflikt im Sinne der serbischen Anerkennung der Realitäten im Gegenzug für die Beitrittsperspektive Serbiens zu lösen. Doch dieser Verhandlungsprozess sei in den letzten Jahren fast vollständig zum Stillstand gekommen.

RND-Videoschalte: Experte: Auf dem Balkan haben Demagogen enormen Zulauf

Der Politikwissenschaftler Dušan Reljić erklärt die Lage in Serbien, Albanien und anderen Staaten auf dem westlichen Balkan.

Vucic nutzt Unentschlossenheit der EU aus

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic versuche einerseits, Dialogbereitschaft gen Europa und Kosovo zu demonstrieren, und andererseits die Unentschlossenheit der EU auszunutzen, um seine nationalistischen Unterstützer im eigenen Land zu bedienen und eine dauerhafte Lösung inklusive Anerkennung des Kosovo hinauszuzögern, sagte Weber.

Er geht davon aus, dass jetzt in Brüssel eine weitere provisorische Lösung für den jüngsten Konflikt verhandelt wird, die jedoch den seit Jahren vor sich hin dümpelnden EU-Beitrittsverhandlungen für beide Länder keinerlei Schwung verleihen wird. Die EU hat in der Vergangenheit immer wieder klar gemacht, dass es für Konfliktparteien ohne umfassende Lösung des Statuskonflikts keine Beitrittsperspektive gibt.

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Vor dem Hintergrund der Vorfälle am vergangenen Wochenende sagte der Balkanexperte der Grünen im Bundestag, Boris Mijatovic, dem RND: „Ich appelliere an beide Seiten, ihre Beziehungen auf ein normales Niveau anzuheben, damit der Weg in die EU für beide Seiten möglich wird.“

Serbien muss sich ernsthaft fragen, ob es seine Wirtschaftskraft aufs Spiel setzen will.

Boris Mijatovic, Balkanexperte der Grünen-Bundestagsfraktion

Serbien will sich mit Moskau alle Optionen offenhalten

Mit Blick auf Serbiens starken Hang, sich auch mit Moskau alle Optionen offen zu halten, stellte Mijatovic die Wirtschaftsbeziehungen heraus: Etwa zwei Drittel der Exportleistungen Serbiens werden mit der EU realisiert, mit Russland seien es etwa 10 Prozent. „Serbien muss sich ernsthaft fragen, ob es seine Wirtschaftskraft aufs Spiel setzen will“, sagte Mijatovic. Serbiens Präsident Vucic setzt seit Längerem auf eine Schaukelpolitik zwischen Moskau und Brüssel sowie China.

Die Regierung im Kosovo teilte am Montag mit, die neuen Kfz- und Einreiseregeln sollten in Absprache mit den europäischen Partnern und den USA nun erst am 1. September umgesetzt werden. Ministerpräsident Albin Kurti und Präsidentin Vjosa Osmani machten zugleich den serbischen Präsidenten für die Proteste gegen die neuen Vorschriften verantwortlich. Der beschuldigte die Regierung in Kosovo seinerseits, die Spannungen ausgelöst zu haben.

Noch mehr Zündstoff für das Pulverfass: EIn Bild von Wladimir Putin neben dem Schriftzug «Kosovo ist Serbien».

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Bundeswehr ist seit 1999 im Kosovo

Die Nato-geführte Friedensmission KFOR im Kosovo teilte mit, sie beobachte die Situation. Die Mission, an der rund 3800 Soldaten aus 28 Ländern beteiligt sind, wird von der Nato geführt und von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und anderen unterstützt. Die Bundeswehr ist mit derzeit rund 80 Soldatinnen und Soldaten vertreten und seit 1999 in Kosovo präsent.

KFOR hat den Auftrag, ein sicheres Umfeld in Kosovo für den Aufbau einer zivilen Friedensordnung zu schaffen und zu erhalten sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu garantieren. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die dem Verteidigungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stand, erklärte zuletzt, man sei bereit, einzugreifen, sollte die Stabilität des Kosovo gefährdet sein – wie es das Mandat vorsehe.

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