Ein Wumms für Deutschlands Zukunft

Zusätzliche High-Tech-Milliarden sollen den Standort Deutschland stärken: “Treffen mit Robotern” bei den Tagen der künstlichen Intelligenz auf dem Hammerbrooklyn Digital Campus in Hamburg.

Zusätzliche High-Tech-Milliarden sollen den Standort Deutschland stärken: “Treffen mit Robotern” bei den Tagen der künstlichen Intelligenz auf dem Hammerbrooklyn Digital Campus in Hamburg.

Für die Politik war die Versuchung groß, beim neuen Konjunkturpaket in altes Denken zurückzufallen. Man kennt die Mechanismen und die Abläufe: Wenn in Berlin die ganz große Schatulle geöffnet wird, beginnt rundum eine große Drängelei. Jetzt wäre doch ein guter Zeitpunkt für eine neue Kaufprämie, auch für Benziner und Diesel, sagte die Autoindustrie. Hoch verschuldete Kommunen kamen mit der Idee, man möge ihnen die Altschulden komplett abnehmen. Immer mehr Wunschzettel hingen bald an der Wand, denen man einerseits die Dringlichkeit ansah, aber eben auch die Einfallslosigkeit.

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Deutschland hat in dieser Situation die Nerven behalten. Darin liegt die erste gute Nachricht. Union und SPD haben sich darauf verständigt, nicht hektisch dieser oder jener Interessengruppe nachzugeben, sondern ein Konzept aus einem Guss zu verabschieden: Die befristete Mehrwertsteuersenkung wird nach dem Urteil aller führenden Ökonomen einen belebenden Effekt auf die Konjunktur ausüben.

Konjunkturpaket: 130 Milliarden Euro gegen die Corona-Krise
03.06.2020, Berlin: Ralph Brinkhaus (CDU) (l-r), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Markus S���der, Ministerpr���sident von Bayern und Vorsitzender der CSU, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), Rolf M���tzenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, und Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD, bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. Bund und L���nder legen im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 ein Konjunkturpaket im Umfang von 130 Milliarden Euro auf. Foto: John Macdougall/AFP/POOL/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die große Koalition hat am Mittwoch lange um ihr “Zukunftspaket” gerungen. Eine Einigung: Die Mehrwertsteuer wird für sechs Monate gesenkt.

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Investitionen in Vergangenes werden vermieden

Wichtiger aber ist noch, dass die Wirtschaft nicht nur irgendwie wieder ins Rollen gebracht werden soll, sondern mit einer bestimmten Richtung: Investitionen in Vergangenes werden vermieden, Investitionen in Innovationen massiv erhöht. Darin liegt die zweite gute Nachricht.

Mit Blick auf die Autoindustrie etwa trauen sich nun ausgerechnet Schwarze und Rote die grünste Politik zu, die es an dieser Stelle bislang gab. Neue Kaufprämien werden auf E-Mobilität beschränkt, die Kfz-Steuer für Pkw wird stärker an CO₂-Emissionen ausgerichtet. Zudem wird die bereits geltende zehnjährige Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge bis zum 31.12.2025 gewährt und bis 31.12.2030 verlängert. Zusätzliche Gelder fließen in die Ladeinfrastruktur und in Flottenaustauschprogramme, von denen soziale Dienste ebenso profitieren sollen wie Handwerker und Busunternehmen.

So viel Umsteuerung war nie. Und dieser Punkt ist nur einer von vielen, bei denen Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz den Mut hatten, mitten in einer Krise Milliarden in die Hand zu nehmen, um möglichst viele Dinge so gut es geht in Richtung Zukunftstauglichkeit zu bugsieren. Fünf Milliarden Euro sollen allein in ein ab 2025 flächendeckendes 5G-Netz fließen.

Drei weitere Beispiele:

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  • Wasserstoff: Neun Milliarden Euro sollen die “Nationale Wasserstoffstrategie" vorantreiben. “Deren Ziel soll es sein, Deutschland bei modernster Wasserstofftechnik zum Ausrüster der Welt zu machen”, heißt es selbstbewusst im Koalitionsbeschluss zum Konjunkturpaket. Und weiter: “Wir streben die Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage an.” Damit würde eine Forderung der innovativen Branche erfüllt. Wasserstoff bietet etwa Stahlwerken die Möglichkeit, ohne Kohlendioxidausstoß Temperaturen im Bereich vierstelliger Gradzahlen zu erzeugen. Da die Herstellung des Wasserstoffs auch ihrerseits viel Energie kostet, wird nach Möglichkeiten geforscht, dies mit Solaranlagen zu bewirken, die auch in afrikanischen Staaten errichtet werden könnten. Allein zwei Milliarden Euro sollen in Partnerschaften dieser Art fließen.
  • Künstliche Intelligenz (KI): Auch während der Coronakrise ging, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, der Gedankenaustausch zwischen Merkel und den führenden deutschen Forschern und Institutsleitern auf diesem Feld weiter. In der schwarz-roten Konjunkturrunde wurde jetzt beschlossen, die staatliche Förderung für KI-Projekte bis 2025 von bislang drei auf nunmehr fünf Milliarden Euro zu erhöhen. Aus diesen Mitteln sollen unter anderem sogenannte Supercomputer angeschafft werden. Zugleich will Berlin damit die “Basis für ein europäisches KI-Netzwerk” schaffen.
  • Quantentechnologie: Mit zwei Milliarden Euro soll der Bau von “mindestens zwei Quantencomputern” gefördert werden. In der Quantentechnologie liegt der nächste grundlegende digitale Technologiesprung. Im Koalitionspapier heißt es, Deutschland wolle an die “Weltspitze”, insbesondere bei Quantencomputing, Quantenkommunikation und Quantensensorik . “Deshalb werden wir die Entwicklung und Produktion von Quantentechnologien in Deutschland fördern und daraus ein neues industrielles Standbein sowohl hinsichtlich Hard- als auch Software aufbauen”, heißt es in dem Papier.
SPD-Spitze schließt Kaufprämie für Verbrennerautos aus
02.06.2020, Hessen, Frankfurt/Main: Mit Transparenten in der Hand, unter anderem mit der Aufschrift "Letzte Wendem��glichkeit #Verkehrswende", blockieren Demonstranten den Berufsverkehr auf der Neuen Mainzer Stra��e im Frankfurter Bankenviertel. Mehrere Initiativen und Umweltgruppen sind gegen Kaufpr��mien f��r Autos und f��r eine Verkehrswende auf die Stra��e gegangen. Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die große Koalition will erst am Mittwoch über ein milliardenschweres Konjunkturpaket zur Wiederankurbelung der Wirtschaft nach der Viruskrise entscheiden.

Alte Frage in neuen Zeiten: Zusammenhalt

Natürlich ist an vielen Punkten politisches Wunschdenken spürbar. Doch zu den europäischen Tatsächlichkeiten im Krisenjahr 2020 gehört es, dass kein anderer Staat in der EU derzeit die Kraft hätte, vergleichbare Programme vom Stapel zu lassen.

Es gehe generell darum, schreiben die Koalitionäre, “dass Deutschland gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgeht und auch mittel- und langfristig ein lebenswertes und wirtschaftlich starkes Land bleibt”. Diesem Grundgedanken wird niemand widersprechen. Probleme drohen eher im praktischen Teil der Politik: Wie gehen wir um mit jenen, die jetzt auf der Strecke bleiben, etwa mit älteren Arbeitnehmern in einem Werk für Dieselmotoren? Die Ausrichtung aufs Künftige ist gut und richtig, die alte Frage nach dem sozialen Zusammenhalt aber nimmt die Politik stets mit in jede auch noch so schillernd erneuerte künftige Welt.

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RND




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