Konjunkturforscher: Die Alterung wird zum Preistreiber
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Stefan Kooths leitet das Forschungszentrum Konjunktur und Wachstum im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).
© Quelle: Studio23
Herr Kooths, wo wird die Inflationsrate landen in diesem Jahr?
Wir rechnen aktuell mit 2,6 Prozent. Zum Anstieg beigetragen hat die Rückkehr zur vollen Mehrwertsteuer zum Jahresanfang. Hinzu kommt die neue Kohlendioxidbesteuerung.
Ist das alles nur einmalige Zuckung?
Leider nein. Wir sehen bei der Inflationsrate weitere Aufwärtsrisiken, zunächst durch aufgestaute Kaufkraft. Die Deutschen haben in der Pandemie Geld zurückgelegt für bessere Zeiten. Wir reden hier über 200 Milliarden Euro, keine Peanuts. In dem Moment, in dem die Corona-Beschränkungen wegfallen, könnte sich dies in Nachfrage entladen und die Preise klettern lassen, mit Wirkungen bis ins Jahr 2022 hinein. Danach, in drei oder vier Jahren, greifen bereits neue preistreibende Faktoren, allen voran Deutschlands ungünstige Demografie.
Der Zusammenhang zwischen Demografie und Inflation ist nicht jedem geläufig. Wie erklärt das der Volkswirt dem Volk?
In Deutschland gibt es immer mehr Alte, denen es nicht mehr ums Sparen geht, sondern um einen guten Lebensabend; der Ökonom spricht von Gegenwartspräferenz. Zugleich gibt es immer weniger Junge, die die von den Alten gewünschten Güter herstellen und die von den Alten gewünschten Dienstleistungen erbringen können. Höhere Nachfrage trifft auf knappes Angebot: So wird Alterung zum Preistreiber.
Wie kann die Politik da gegensteuern? Die Demografie als solche ist ja nicht mehr veränderbar ...
Wir können aber die finanziellen Folgen für die Gesellschaft besser eindämmen. Gut wäre eine weitere schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Je früher und klarer die Politik hier Führung zeigt, umso besser. Abschied nehmen sollten wir jedenfalls von der weltweit um sich greifenden Fantasie, die Notenbanken könnten die offenen Rechnungen der modernen Gesellschaften bezahlen.
Linke Ökonomen um den Franzosen Thomas Piketty fordern bereits, die Schulden der EU-Staaten bei der EZB einfach zu streichen.
Das ist ein Spiel mit dem generellen Vertrauen in den Wert des Geldes. Ich halte nichts von Plänen, bei denen am Ende Notenbanken Geld drucken würden, das nichts mehr wert ist. Dass dieses Risiko existiert, ahnen auch jene, die nicht Volkswirtschaft studiert haben. Gerade im linken Lager wird übrigens ein wichtiger Aspekt übersehen: Der Reiche findet bei Geldentwertung immer eine Lösung, im Ausland, durch Gold, durch Immobilien. Wirklich hart trifft eine zu hohe Inflation vor allem jene, die in der Einkommensskala ganz unten stehen.