Klingbeil: SPD macht nur mit Merkel als Kanzlerin weiter
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SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil will die große Koalition bis 2021 fortsetzen - aber nicht ohne Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
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Herr Klingbeil, haben Sie sich schon daran gewöhnt, dass Sie als SPD-Generalsekretär plötzlich das Chaos bei der Union kommentieren müssen?
Ganz ehrlich, ich hätte gern darauf verzichtet. Das macht mir keinen Spaß, auch wenn viele das vielleicht denken. Ich finde Häme zum angekündigten Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer auch vollkommen unangebracht. Deutschland befindet sich in einer ernsten Situation. Die Stabilität, die wir über Jahrzehnte kennen, droht verloren zu gehen, weil die CDU die Tür nach rechts nicht verriegelt bekommt. Die CDU muss jetzt intern die Nachfolge klären, da mische ich mich nicht ein. Aber was ich erwarte, ist eine bedingungslose Abgrenzung zur AfD.
Muss die CDU in Thüringen jetzt über ihren Schatten springen und Bodo Ramelow mit einigen Stimmen bei der Wahl zum Ministerpräsidenten unterstützen?
Ich kann der CDU in Thüringen keine Anweisungen erteilen. Aber so viel: Die Zeit des Taktierens ist jetzt vorbei. Es müssen sich jetzt alle demokratischen Parteien in Thüringen an einen Tisch setzen und eine Lösung finden. Wir wollen schnelle Neuwahlen. Das haben wir auf Bundesebene ja auch gemeinsam im Koalitionsausschuss verabredet.
Muss die CDU also generell ihr komplettes Nein zu einer Zusammenarbeit mit der Linken überwinden, damit die Parlamente im Osten arbeitsfähig sind?
Was aufhören muss, sind diese krampfhaften Versuche, Ramelow und den Faschisten Höcke gleichzusetzen. Das finde ich unmöglich. In Görlitz bei der Oberbürgermeisterwahl hat es ja auch funktioniert, als die Linke den CDU-Kandidaten gegen die AfD unterstützt hat.
Mit AKK ist jetzt eine der Bundesvorsitzenden der Parteien zurückgetreten, die in Thüringen für die Wahl eines Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD mitverantwortlich sind. Sollte FDP-Chef Christian Lindner dasselbe tun?
Annegret Kramp-Karrenbauer hat verstanden, dass sie mitverantwortlich ist für das Chaos in Thüringen. Ihr angekündigter Rückzug ist konsequent und verdient Respekt.
Was ist mit Lindner?
Lindner versucht sich selbst und die FDP in die Rolle des Opfers zu bringen. Sie seien ja von der AfD nur ausgetrickst worden. Das ist unwürdig und peinlich. Und das ist genau das Gegenteil zu Frau Kramp-Karrenbauer.
Rückendeckung für Lindner nach Thüringen-Debakel
Der Vorstand der FDP hat dem Parteivorsitzenden Christian Lindner mehrheitlich das Vertrauen ausgesprochen.
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Sie veranstalten einen Runden Tisch zum Thema „Gewalt und Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker“. Hat das auch etwas mit der Situation in Thüringen zu tun, und was ist Ihr Kernanliegen?
Ja. In unserem Land gerät gerade etwas aus den Fugen. Rechte Hetzer bekommen immer mehr Oberwasser, im Netz und auf der Straße. Dass FDP und CDU den Nazis aus Machtgier dann in Thüringen die Hand reichen, ist eine Konsequenz. Eine andere, dass offener Hass in Teilen der Gesellschaft akzeptiert wird. Die Bedrohungen und die Gewalt gegen Politiker nehmen auch deshalb zu. Wir wollen als Bundespartei darüber reden, wie wir unseren Amts- und Mandatsträgern helfen können. Und wir wollen auch gemeinsam mit den anderen demokratischen Parteien zeigen: Wir lassen uns nicht von rechten Hetzern einschüchtern.
Auch gegen FDP-Politiker gibt es in der aktuellen Situation Bedrohungen, die Frau von Thomas Kemmerich wird bespuckt, die Kinder müssen unter Polizeischutz zur Schule gebracht werden.
Das ist eine Schande. Übergriffe gegen die FDP wie gegen alle anderen Parteien sind absolut inakzeptabel. CDU und FDP müssen sich Kritik gefallen lassen für das, was in Thüringen passiert ist. Für Kritik gibt es Worte, aber nicht mehr. Jede Form von Gewalt verurteilen wir.
Ist die Union noch ein verlässlicher Regierungspartner?
Das Problem ist nicht, dass es jetzt eine personelle Veränderung in der Union gibt. Das haben wir in der SPD auch erlebt – und trotzdem haben wir gut weiter regiert. Ob die CDU verlässlich ist, zeigt sich in ihrer Haltung nach rechts. Die CDU muss sich von ihrem internen AfD-Fanclub, der Werte-Union, scharf abgrenzen.
Wären ein Kanzlerwechsel oder Neuwahlen in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verantwortbar?
Das sind mir zu theoretische Fragen. Ich gehe davon aus, dass die Union um diese Verantwortung weiß und sich auch mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft jetzt nicht verrennt.
Ist die SPD nur mit einer Kanzlerin Merkel bereit, die große Koalition fortzusetzen?
Angela Merkel ist die amtierende Bundeskanzlerin. Mit ihr sind wir in diese Koalition gegangen. Und mit ihr werden wir auch aus dieser Koalition wieder herausgehen – regulär zum nächsten Wahltermin. Mir ist kein anderer Wahltermin bekannt.
Merkel: Kemmerichs Wahl ist „unverzeihlich“
Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung gebrochen hat – für die CDU und auch für mich.
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Die Union sucht einen neuen Vorsitzenden und einen Kanzlerkandidaten. Die SPD hat auch gerade einen längeren Prozess der Vorsitzenden-Suche hinter sich. Kann die Union irgendwas von Ihnen lernen?
Ich bin weit davon entfernt, der CDU an dieser Stelle Ratschläge zu geben. Ich habe diese Mahnung vor einer Selbstbeschäftigung von der Union im letzten Jahr selbst oft genug gehört. Für uns ist klar: Nur weil ein Vorsitzender ausgetauscht wird, verlieren wir das gemeinsame Regieren nicht aus dem Auge.
Falls es zu vorzeitigen Neuwahlen in diesem Jahr kommt, werden Sie einen Kanzlerkandidaten aufstellen?
Ich vertrete da eine klare Haltung: Natürlich stellt die SPD eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten auf. Die SPD muss immer zeigen, dass sie den Willen hat, das Land zu regieren und zu gestalten.
Das gilt auch, falls die große Koalition vorzeitig schon in diesem Jahr auseinanderbrechen sollte?
Wir wollen mit der Union die gemeinsame Arbeit in der Bundesregierung fortsetzen. Diese Regierung ist bis Herbst 2021 gewählt. Es gilt aber auch: Wir sind jederzeit kampagnenfähig.