Klimapolitik in einer eiskalten Welt
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Von der prowestlichen neuen Präsidentin der Republik Moldau verlangt er 790 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas, dem Diktator von Belarus, Alexander Lukaschenko, gewährt er einen Freundschaftspreis von 129 Dollar: Wladimir Putin, Präsident von Russland und oberster Gebieter über den Gasversorger Gazprom.
© Quelle: Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kre
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
rücken angesichts von Corona und Klimakrise die Staaten der Welt endlich enger zusammen? Am kommenden Wochenende gäbe es dazu gleich zwei historische Gelegenheiten: beim G20-Gipfel in Rom und beim Weltklimagipfel in Glasgow.
In Rom leistet Gastgeber Mario Draghi seit Monaten bewundernswerte Vorarbeiten. Immerhin kamen sich die G20-Staaten näher bei der globalen Mindestbesteuerung von Konzernen und bei Impulsen für die globale Impfkampagne. Doch ein sprühender neuer Optimismus im Sinne eines „spirit of Rome“ wird schon deswegen kaum zustande kommen, weil zwei der weltpolitisch wichtigsten Eingeladenen partout nicht persönlich erscheinen wollen: Chinas Präsident Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin.
Weltpolitische Signale ganz eigener Art
Die beiden setzten dieser Tage weltpolitische Signale ganz eigener Art – und umkreisten den wichtigen G20-Staat Japan mal eben in einer ungewöhnlichen chinesisch-russischen Marineübung mit zehn Kriegsschiffen. Die Botschaft ist klar: Ihr könnt auf G20-Ebene besprechen, was ihr wollt – aber wenn wir, China und Russland, militärisch kooperieren, sind wir die Herren der Welt.
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Machtdemonstration in der Nähe Japans: Russlands „Admiral Pantelejew“ gehörte zu den zehn von Moskau und Peking zu einem gemeinsamen Manöver entsandten Kriegsschiffen.
© Quelle: imago images/SNA
In einer so eiskalten Welt Politik zu machen ist schwer. Die einen denken an Nachhaltigkeit und an künftige Generationen – die anderen an Machtpolitik in der Gegenwart.
Die Europäerinnen und Europäer erleben gerade, wie rigoros Putin sein Gas als Machtinstrument einsetzt. Das frappierendste Beispiel: Im vorigen Jahr bezog die kleine Republik Moldau, seinerzeit noch moskaufreundlich regiert, russisches Gas für 148,87 US-Dollar je 1000 Kubikmeter. Nach den jüngsten Wahlen ging das Land unter seiner neuen Präsidentin Maia Sandu auf einen prowestlichen Kurs – und soll neuerdings 790 US-Dollar je 1000 Kubikmeter an Russland zahlen. Dem finsteren Diktator Alexander Lukaschenko in Belarus dagegen stellt Putin einen Freundschaftspreis von nur 128,50 US-Dollar je 1000 Kubikmeter in Rechnung.
Ein Risiko für die Ampelregierung
Angesichts dieser haarsträubenden Willkür bei der internationalen Preisgestaltung wirkt das nachträgliche nationale Herumschrauben an Energiekosten, etwa durch den Aufschlag von Kohlendioxidabgaben wie in Deutschland, fast niedlich. In seiner Geschichte „Zitternd in den Winter“ beschreibt unser Wirtschaftskorrespondent Frank-Thomas Wenzel heute die unselige Addition von Faktoren, die in den kommenden Monaten deutsche Verbraucher und Verbraucherinnen das Fürchten lehren wird. Mancher wird sich im wahrsten Sinne des Wortes wärmer anziehen, auch zu Hause.
Für die neue Koalition in Berlin bringt dies ein Risiko. Die neue Regierung muss fürchten, dass viele allein ihr den Anstieg der Heizkosten in diesem Winter in die Schuhe schieben werden. Umweltpolitiker und ‑politikerinnen hatten tatsächlich oft betont, die höheren Preise sollten auch eine Lenkungswirkung entfalten im Sinne eines geringeren Verbrauchs. ZDF-Comedian Oliver Welke nahm den Begriff Lenkungswirkung in der „heute-show“ schon mal aufs Korn: „Wenn Sie demnächst in Ihrem eigenen Wohnzimmer frieren: Das soll so. Sie werden gelenkt. Sonst kaufen Sie sich ja nie ein eigenes Windrad.“
Wer genug Geld hat, kann über solche Witze lachen. Wer auf jeden Euro achten muss, spürt auch an dieser Stelle erste Ausläufer einer neuen Kältewelle.
Zitat des Tages
Es wäre toll, wenn er seine Plattform genutzt hätte, um sich besser beraten zu lassen, um dann auch in der Hinsicht ein Vorbild zu sein.
Alena Buyx,
Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, zur bisherigen Weigerung des Fußball-Nationalspielers Joshua Kimmich vom FC Bayern München, sich gegen Corona impfen zu lassen
Leseempfehlungen
Schlechte Nachrichten für Erdogan: Am Montag sackte der Kurs der türkischen Lira auf ein Rekordtief ab. Die – gestern Abend zurückgezogene – Drohung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan, zehn westliche Botschafter auszuweisen, kam nicht nur in der internationalen Politik, sondern auch auf den internationalen Finanzmärkten schlecht an. Erdogans hohle Posen des starken Mannes deuten in Wirklichkeit auf seine zunehmende Schwäche, schreibt Felix Huesmann in seinem Kommentar zur Lage in der Türkei.
Gute Nachrichten für Thailand-Fans: Ab dem 1. November ist die Einreise wieder ohne Quarantäne möglich. Voraussetzungen sind eine vollständige Impfung gegen Corona und ein digital generierter Thailand-Pass. Maike Geißler erklärt alle Regeln für den Thailand-Urlaub.
Aus unserem Netzwerk
Nach der Absage einer Lesung mit Stefan Aust über den chinesischen Machthaber Xi Jinping hat die Leibniz-Universität Hannover reagiert. Die Universitätsverwaltung zeigt sich empört über die Entscheidung des hannoverschen Konfuzius-Instituts – und will, wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ berichtet, die Lesung nun selbst nachholen.
Termine des Tages
In Berlin kommt heute um 11 Uhr erstmals der neu gewählte Bundestag zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Wahl der neuen Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD).
Gegen 17.30 Uhr händigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Bundeskanzlerin und den Mitgliedern der Bundesregierung ihre Entlassungsurkunden aus. Bis zur Wahl einer neuen Regierung bleiben Kanzlerin und Minister aber geschäftsführend im Amt.
In Washington gehen heute die Gespräche über Joe Bidens Billionenprogramm zum Klimaschutz auf die Schlussgerade: Das Weiße Haus will einen Konsens im Kongress, bevor der US-Präsident Ende dieser Woche zu den Gipfeln in Rom und Glasgow aufbricht.
Wer heute wichtig wird
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Japans Prinzessin Mako heiratet heute ihren Studienfreund Kei Komuro, einen Bürgerlichen, der als Anwalt in New York arbeitet. Mako und Kei Komuro haben genug von der Berichterstattung in den japanischen Tratschmedien und wollen, bittere Premiere für das Kaiserhaus, Japan verlassen.
© Quelle: Shizuo Kambayashi/AP Pool/dpa
Der Podcast des Tages
SPD, Grüne und FDP würden gern das Wahlrecht ab 16 einführen. Aber bereitet die Schule Jugendliche überhaupt ausreichend vor? Was muss sich am Politikunterricht ändern? Darüber haben wir mit Livia Josephine Kerp gesprochen. Die 19 Jahre alte Bloggerin hat gerade Abitur gemacht und ein Buch mit dem Titel „How to Politik: von Hä? zu Ah!“ veröffentlicht, mit dem sie junge Menschen für Politik begeistern möchte.
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Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Tag,
Ihr Matthias Koch
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