Klimapapst Edenhofer: „Jetzt mehr investieren, später weniger draufzahlen“
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Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer.
© Quelle: David Ausserhofer/PIK
Hitzerekorde in Kanada, Tornados in Tschechien, Überschwemmungen in Süddeutschland, die Folgen des Klimawandels sind mittlerweile deutlich zu spüren. Herr Professor Edenhofer, ist es für effektiven Klimaschutz eigentlich schon zu spät?
Nein, zu spät ist es noch nicht. Fest steht, wir sind schon mitten im Klimawandel, das sehen wir etwa an Wetterextremen auch bei uns in Deutschland. Wir können allerdings die Risiken minimieren, indem wir den globalen Temperaturanstieg auf unter zwei Grad begrenzen. Das wird sehr knapp, aber es ist möglich, wenn wir jetzt Tempo machen.
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Waldbrände im US-Bundesstaat Washington: Die Extremhitze der vergangenen Tage im Westen Nordamerikas mit Temperaturen bis knapp 50 Grad wäre einer Studie zufolge ohne den Klimawandel so gut wie unmöglich gewesen.
© Quelle: Pete Caster/The Lewiston Tribune
Was bedeutet das konkret?
Wir brauchen weltweite Treibhausgasneutralität bis 2050. Bis dahin müssen wir beim Ausstoß von Treibhausgasen die Nulllinie erreicht haben, wichtig ist dabei der rasche Einstieg von jetzt bis 2030. Es gibt Emissionen, etwa in der Industrie oder der Landwirtschaft, die sich nicht verhindern lassen.
Diese müssen durch sogenannte negative Emissionen ausgeglichen werden, also Technologien, mit denen CO₂ der Atmosphäre entzogen und zum Beispiel unterirdisch gespeichert wird.
„Der CO₂-Preis wird deutlich steigen“
Welche Aufgaben in Sachen Klimaschutz kommen auf eine neue Bundesregierung zu?
Der Kohleausstieg wird dank des steigenden CO₂ im Europäischen Emissionshandel Preises längst vor 2038 abgeschlossen sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss sehr viel schneller vorankommen als bislang. Wir brauchen eine tragfähige Strategie für die Nutzung von Wasserstoff und die dazugehörige Infrastruktur.
Der Spielmacher in Sachen Klimapolitik ist momentan allerdings die EU. Alles hängt von den konkreten Maßnahmen im europäischen Green New Deal ab, deren Eckpunkte ja nun bekannt sind.
Gleichzeitig werden die Strompreise für Verbraucherinnen und Verbraucher drastisch ansteigen. Wie sollen diese zusätzlichen Kosten sozial gerecht verteilt werden?
Den größten sozialen Effekt hätte sicherlich eine Senkung der Strompreise. Ein niedriger Strompreis würde insbesondere die einkommensschwachen Haushalte entlasten. Dazu müsste die EEG-Umlage aus dem Strompreis herausgelöst und statt durch die Verbraucher dann durch die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung finanziert werden.
Denkbar wäre auch, einen Teil der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung am Ende des Jahres zurück zu erstatten, und zwar der gleich Betrag pro Kopf für alle. Auch hiervon würden Geringverdiener besonders profitieren. Dafür bräuchten wir aber eine grundlegende Reform der Energiesteuern.
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In den vergangenen Wochen hatten wir unter anderem eine emotional geführte Debatte über den Benzinpreis – wirft uns der Wahlkampf in der Debatte um den Klimawandel zurück?
Ich hoffe nicht. Die seltsame 16-Cent-Debatte hat ja zum Glück gar nicht verfangen. Klimaschutz nützt allen Menschen, aber kommt nicht von allein. Im Kern geht es daher um die Frage, wie können unvermeidbare Lasten fair verteilt werden? Diese Frage müssen alle Parteien klar beantworten und diese Frage muss auch die nächste Koalition klar beantworten.
Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass die Kosten fair verteilt sind. Dass es nicht darum geht, die Leute zu schröpfen, sondern CO₂-freie Alternativen günstiger zu machen.
„Städte und Infrastruktur müssen besser vor Extremwetterereignisse geschützt werden“
Ein höherer CO₂-Preis ist das eine. Weltweit beobachten wir die Folgen von Trockenheit und Hitze, die schon jetzt schwere Schäden anrichten. Welche Kosten verursacht der Klimawandel und wer kommt dafür auf?
Das hängt ganz davon ab, ob wir es schaffen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen oder nicht. Bei einem Anstieg von vier Grad kommen ganz andere Belastungen auf uns zu als jetzt. Doch selbst wenn es uns gelingt, das Klimaziele von 1,5 Grad zu erreichen, brauchen wir zusätzliche Investitionen etwa in die Dämmung von Gebäuden und deren Kühlung.
Wenn der Pegelstand von Flüssen sinkt, müssen Kühlsysteme von wassergekühlten Kraftwerken neu gedacht werden. Städte und Infrastruktur müssen besser vor Extremwetterereignisse geschützt werden. Eine allgemeine Aussage ist schwierig, klar ist aber: Je mehr wir jetzt in effektiven Klimaschutz investieren, desto weniger werden wir später draufzahlen müssen.
Italien macht Venedig für große Kreuzfahrtschiffe dicht
Das Verbot von Kreuzfahrtschiffen in Venedig soll zum Schutz der Lagunenstadt ab dem 1. August gelten.
© Quelle: Reuters
In den großen Industriestaaten mag das funktionieren. Woher sollen Schwellenländer Gelder für den klimaneutralen Umbau ihrer Wirtschaft bekommen?
Globale Zusammenarbeit ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Klimapolitik. Deutschland allein, die EU allein kann den Klimawandel nicht stoppen. Ich setze große Hoffnungen auf die UN-Klimakonferenz COP26 im November in Glasgow. Hier muss es um einen Weg zum globalen Kohleausstieg gehen.
China hat immerhin zugesagt, bis 2060 emissionsfrei sein zu wollen. Aus einigen kleineren asiatischen Ländern wie Bangladesch und Vietnam bekommen wir bereits positive Signale. Um diesen Prozess zu unterstützen, brauchen wir multilaterale Entwicklungsbanken und Investmentfonds, die Schwellenländern günstige Kredite für Investitionen zur Verfügung stellen.
Was können wir aus dem Umgang mit der Corona-Pandemie für den Kampf gegen den Klimawandel lernen?
Zum einen muss die Wissenschaft ihre Erkenntnisse klar kommunizieren und zwar so, dass sie nicht in den Verdacht gerät, selbst Politik machen zu wollen. Außerdem müssen Maßnahmen transparent und verständlich sein. Und Corona hat gezeigt, wie wichtig Vorbeugung ist. Man muss handeln, bevor es zu spät ist, wenn man menschliches Leiden und wirtschaftliche Kosten begrenzen will.