Deutschland hinkt beim Klimaschutz hinterher

Klimaforscher Latif zum Heizungsstreit: „Die Ängste werden nur benutzt“

Foto: Prof. Mojib Latif

Der Klimaforscher Mojib Latif.

Herr Latif, Deutschland streitet über die Art und Weise, wie künftig geheizt werden soll. Wie nehmen Sie den Streit wahr?

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Zuallererst: Ich bin kein Experte für Energie oder Wärmepumpen.

Aber?

Aus meiner Sicht versuchen manche Politiker, die Geschichte um den inzwischen abgelösten Staatssekretär Patrick Graichen zu nutzen, um die gesamte Wärmewende auszuhebeln. Daran, welche Parteien sich an diesen Versuchen beteiligen, sieht man auch, wem Klimaschutz am Herzen liegt und wem nicht. Das war bei der Debatte über den Stopp der Zulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 auch schon so. Da ging es um die E-Fuels.

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Was halten Sie von diesen Debatten?

Sie behindern den Klimaschutz und beschädigen die Demokratie. Viele Menschen haben den Eindruck, dass es letzten Endes nicht um die Sache geht, sondern um Parteipolitik. Bei so einem wichtigen Thema sollten aber alle an einem Strang ziehen.

Und wie sehen Sie den aktuellen Streit in der Sache?

Wie gesagt, ich bin kein Fachmann für Wärmepumpen. Aber es geht ja bei der Reduktion der CO₂-Emissionen und beim Umstieg auf erneuerbare Energien um drei Bereiche: Strom, Wärme, Verkehr. Beim Strom sind wir gut. Bei der Wärme sind wir nicht so gut. Und beim Verkehr sind wir ganz schlecht. Deshalb müssen wir gerade die Bereiche Wärme und Verkehr angehen. Wenn sich die Bundestagsparteien in dieser Art und Weise streiten, dann kommen wir nur in Trippelschritten weiter und werden unsere Klimaziele nicht erreichen.

Nun gibt es auch die entgegengesetzte Sichtweise – nämlich die, dass Parteien nur die Ängste der Bürger vor Veränderungen ihres Alltags aufnehmen, weil viele sich überfordert fühlen, etwa finanziell.

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Die Ängste, die sie zum Teil selbst schüren. Natürlich muss man die Bürger entlasten, wenn es etwa darum geht, neue Heizungen einzubauen. Der Staat darf sie dann nicht im Regen stehen lassen. Es entsteht aber bei mir der Eindruck, dass die Ängste nur benutzt werden, um die Wärmewende zu blockieren. Und am Ende des Tages blockiert man den Weg in die Klimaneutralität.

Wie lautet Ihre Empfehlung?

So wichtige Dinge wie die Energiewende eignen sich nicht für parteipolitisches Hickhack. Das muss im Konsens entschieden werden. Und dieser Konsens darf nicht der kleinste gemeinsame Nenner sein. Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sollen schließlich bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Jetzt sind wir erst bei 40 Prozent. 2045 soll das Land ganz klimaneutral sein. Wenn es so weiter geht wie bisher, dann schaffen wir das nicht.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck?

Mein Eindruck ist, dass er beim Streit um die Wärmewende alle Kritik abkriegt und die SPD eher weniger – obwohl sie den Gesetzentwurf mit formuliert hat. Und die FDP spielt Opposition, obwohl sie Teil der Ampel ist.

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Was würde es bedeuten, wenn das Gebäudeenergiegesetz gar nicht käme oder nicht ab 2024, sondern erst später wirksam würde.

Der Klimaschutz in Deutschland ist zu langsam, wie jüngst der Expertenrat für Klimafragen festgestellt hat. Wir laufen Gefahr, unsere Klimaziele krachend zu verfehlen. Das wäre ein Desaster für die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf der internationalen Bühne.

Neueste Meldungen deuten darauf hin, dass sich der Klimawandel weiter beschleunigt: Überschwemmungen in Italien, Brände in Kanada, womöglich neue Hitzerekorde auch bei uns. Wieviel Zeit haben wir noch?

Das kann man eigentlich nicht beantworten. Denn es hängt vom Kriterium ab. Eigentlich ist es schon fünf nach zwölf. Wir haben bereits zu lange gewartet. Die Emissionen steigen weltweit immer noch, und das ist das Entscheidende. Es geht im Grunde nur noch um Schadensbegrenzung.

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