Trotz Corona: Merkel hält die Fahne des Klimaschutzes hoch
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor einer Vernachlässigung des Klimaschutzes in der Corona-Pandemie gewarnt. „Es wird jetzt eine schwierige Verteilungsdiskussion geben“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag in Berlin mit Blick auf Konjunkturpakete, die jetzt weltweit geschnürt werden. Dabei komme es darauf an, „immer den Klimaschutz ganz fest im Blick zu haben und deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen“.
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Merkel richtete ihre Mahnung vom Kanzleramt aus an die internationale Klimaschutz-Gemeinde. Die Kanzlerin wurde live zum Petersberger Klimadialog hinzugeschaltet, der in diesem Jahr coronabedingt digital stattfand. Allerdings wurden die Grenzen der digitalen Klimadiplomatie rasch deutlich: Der Ton stockte zeitweise heftig, als die Kanzlerin sprach. Es habe eine Rückkopplung gegeben, woraufhin die Technik den Ton runtergedreht habe, hieß es von den Organisatoren zur Begründung.
Merkels Botschaft dürfte bei den zugeschalteten Vertretern aus 30 Staaten dennoch angekommen sein: Ökonomie und Ökologie dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Naturschutz sei auch eine Lehre aus der Corona-Krise. Die „verstärkte Nutzung bislang ungenutzter Lebensräume“ begünstige Infektionskrankheiten. Merkel wies auf die Erkenntnisse von Wissenschaftlern hin, wonach in den vergangenen Jahrzehnten 60 Prozent aller Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen übertragen worden seien. Die Menschheit müsse daher nicht nur die Erderwärmung begrenzen, sondern auch beim Schutz von Umwelt und Wäldern vorankommen, so Merkel.
Klimadialog virtuell - Merkel wirbt für Kooperation nach Corona
Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich für einen klimafreundlichen Neustart der Wirtschaft nach der Corona-Krise stark.
© Quelle: Reuters
Klimapolitisches Highlight
Eigentlich nimmt der Petersberger Klimadialog keine herausgehobene Stellung im Kalender von Klimadiplomaten ein. Unter dem Eindruck der im Jahr zuvor gescheiterten Klimaverhandlungen in Kopenhagen rief die Kanzlerin 2010 das Forum auf dem Petersberg bei Bonn ins Leben. Es dient dem Zweck, dass sich Staatsvertreter in kleiner Runde kennenlernen und Vertrauen fassen. Wegweisende Absprachen oder gar Beschlüsse wurden von dem seither in Berlin stattfindenden Petersberger Dialog nicht getätigt. Er stellt bloß die Weichen für die wenige Monate später folgende Weltklimakonferenz. Dementsprechend wenig Beachtung fand er.
In diesem Jahr aber wird es coronabedingt keine UN-Klimakonferenz geben. Die britische Regierung, die 2020 die Präsidentschaft darüber innehat, verschob den für November im schottischen Glasgow geplanten Gipfel auf das nächste Jahr. Umweltschutzorganisationen, aber auch Regierungen anderer Staaten rechneten in der Folge mit einer Absage auch des diesjährigen Petersberger Klimadialogs. Doch Bundeskanzlerin Merkel und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hielten an dem Termin fest und verlegten ihn ins Internet. So wurde die am Dienstag zu Ende gegangene, zweitätige Videokonferenz zum unverhofften Höhepunkt der globalen Klimapolitik in diesem Jahr.
Merkel: Werden dieses Virus nur besiegen, wenn wir Kräfte bündeln
Eine globale Initiative soll die Arbeit an Medikamenten gegen die Lungenkrankheit Covid-19 beschleunigen und die Ergebnisse allen Ländern zur Verfügung stellen.
Corona als Chance
UN-Generalsekretär António Guterres nutzte die Gelegenheit, um eine Botschaft der Zuversicht auszusenden. “Das sind dunkle Tage, aber es gibt Hoffnung”, sagte der aus New York in die Runde geschaltete Portugiese. Die Neusortierung der Weltgemeinschaft in der Coronakrise berge Hoffnungen. “Es gibt ein kurzes Zeitfenster, unsere Welt zu einer neuen Welt aufzubauen”, sagte Guterres. Der Neustart könne die Welt widerstandsfähiger machen.
Weltweit mobilisieren Staaten derzeit Kredite und Konjunkturpakete in beispielloser Milliardenhöhe. Das Geld soll Branchen, mitunter auch ganze Volkswirtschaften vor dem Ruin bewahren. Angesichts der akuten Not befürchten Klimaschützer, dass Umweltauflagen als Hindernis für den wirtschaftlichen Wiederaufbau gesehen werden und die Anstrengungen zur Begrenzung der Erderwärmung ins Hintertreffen geraten. Sie fordern, Nachhaltigkeit zur Bedingung für öffentliche Unterstützung zu erklären.
Schulze übt Kritik an USA
Die Kanzlerin unterstrich, dass Deutschland an seinen klimapolitischen Vorhaben trotz Corona festhalte. Der CO2-Preis für den Verkehr- und Wärme-Sektor komme, am Kohleausstieg 2038 werde nicht gerüttelt, der Ausbau der Erneuerbaren werde vorangetrieben. Zugleich betonte Merkel die Notwendigkeit zu einem international abgestimmten Vorgehen. So sei die CO2-Bepreisung - Merkel zufolge “der effizienteste Weg”, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen - vor allem dann wirksam, wenn sich möglichst viele Staaten daran beteiligten.
Auch Bundesumweltministerin Schulze mahnte internationale Zusammenarbeit an. Zur Bekämpfung der Corona- und auch der Klimakrise sei die Welt darauf angewiesen, sagte Schulze und betonte: “Deshalb ist die Abkehr von UN-Institutionen falsch” - eine kaum verhohlene Kritik an US-Präsident Donald Trump. Dieser hat dem Pariser Klimaabkommen und auch der Weltgesundheitsorganisation den Rücken gekehrt. Die eingeladenen und wohl auch zugeschalteten Vertreter der USA ergriffen während der zweitägigen Konferenz kein einziges Mal das Wort.