Weniger Fallpauschale – mehr Daseinsfürsorge

„Klasse statt Masse“: So will Lauterbach die großen Probleme der Krankenhäuser lösen

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit (Archivbild)

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit (Archivbild)

Berlin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat grundlegende Reformvorschläge zur Zukunft der Krankenhäuser in Deutschland vorgestellt. Die Bezahlung über Fallpauschalen soll demnach zurückgefahren und Krankenhäuser als Teil der Daseinsfürsorge bezahlt werden. Das Ziel laut Lauterbach: Das Ende der Ökonomisierung im Krankenhaus-System.

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„Die Krankenhäuser haben gravierende Probleme. Das sieht man aktuell auch an den Kinderkliniken“, sagte Lauterbach. Das Hauptproblem sieht der SPD-Politiker in der Abrechnung medizinischer Leistungen über Fallpauschalen. Dadurch sei die gesundheitliche Versorgung über rein ökonomische Grundlagen geregelt. „Je billiger die Behandlung, desto höher der Gewinn“, fasste der Gesundheitsminister zusammen. „Eine Reform ist dringend notwendig.“

Aus Lauterbachs Sicht sind die Reformvorschläge eine Revolution. Für Patienten werde auf diese Weise sichergestellt, dass sie nicht nach ökonomischen, sondern nach medizinisch sinnvollen Gesichtspunkten behandelt werden. Zudem versprach sich der Gesundheitsminister durch die Reform eine Lösung der hochproblematischen Pflegesituation in den Kliniken.

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Professor Tom Bschor, Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung stellte auf der Bundespressekonferenz die Reformvorschläge seiner Expertengruppe vor. Bei seinem Resümee zum aktuellen System sprach er von „Masse statt Klasse“ und warnte vor einem Kollaps des Krankenhaussystems. Die Über-Ökonomisierung solle beendet werden, empfahl Bschor.

Krankenhäuser sollten in Zukunft dafür bezahlt werden, dass sie Teil der Daseinsvorsorge sind, führte Bschor aus. Demnach sollen die Kliniken künftig eine Basisfinanzierung erhalten und nur einen Teil ihrer Ausgaben über Fallpauschalen refinanziert bekommen. Sie sollen nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Die sogenannte Vorhaltepauschale solle unabhängig von Patientenzahlen an Kliniken gezahlt werden. Es solle zudem zielgenaue Vorgaben hinsichtlich Personal und medizinischer Geräte für Krankenhäuser geben.

Zudem soll es künftig drei Gruppen von Kliniken geben, lokale Krankenhäuser für die Grundversorgung, regionale Krankenhäuser und solche, die wegen ihrer Kapazitäten und Spezialisierung von überregionaler Bedeutung sind, etwa Unikliniken. In dem neuen System solle vor allem Patientinnen und Patienten profitieren, da sie im richtigen medizinischen Bereich auf qualitativ hochwertige Weise behandelt werden.

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Die Vorschläge trafen überwiegend auf Kritik. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßte zwar grundsätzliche eine Reform des Systems, mahnte aber als ersten Schritt eine Beseitigung der „Unterfinanzierung“ der Kliniken an. Kritik kam auch von den Kassen. Die Vorschläge zu den Vorhaltekosten gingen „absolut in die falsche Richtung“, sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach von unzulässigen Eingriffen in die Hoheit der Ländern durch ein „zentral gesteuertes, quasi-planwirtschaftliches System“.

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Die Vergütung über Fallpauschalen war vor knapp 20 Jahren eingeführt worden, um das System effizienter zu machen und zum Beispiel auch zu kürzeren Klinikaufenthalten für Patienten zu kommen. Dafür gibt es einen Katalog mit Fall- und Diagnosegruppen. Die Kliniken bekommen dann von der jeweiligen Krankenkasse pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Euro-Betrag. Je mehr Patienten eine Klinik behandelt, desto mehr Einnahmen erzielt sie. Schon aus den Pauschalen herausgelöst wurden Kosten fürs Pflegepersonal, um Spardruck zulasten der Pflege zu beseitigen. Die Kassen zahlen alle anfallenden Kosten.

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Insgesamt machen die Ausgaben für die bundesweit rund 1900 Kliniken den größten Einzelposten bei den gesetzlichen Krankenversicherungen aus. Im vergangenen Jahr fielen nach Angaben des GKV-Spitzenverbands fast 85,9 Milliarden Euro dafür an - und damit etwa jeder dritte Euro gemessen an den gesamten Leistungsausgaben von 263 Milliarden Euro.

Generell ist die Finanzierung der Krankenhäuser zweigeteilt: Die Betriebskosten samt Personal zahlen die Kassen, Investitonskosten wie für Neubauten oder neue Geräte sollen die Bundesländer finanzieren.

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