CDU-Politiker Kiesewetter: „Es gibt eine unglaubliche Aufbruchstimmung in der Ukraine“
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CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.
© Quelle: Deutscher Bundestag/Stella von Saldern
Berlin. Herr Kiesewetter, Sie waren gerade mit CDU-Chef Friedrich Merz in Kiew. Gibt es für Sie irgendwelche neuen Erkenntnisse?
Das Wichtigste ist, dass es sowohl in der Zivilbevölkerung als auch in der Politik eine unglaubliche Aufbruchstimmung gibt. Die Zuversicht ist groß, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verliert. Damit verbunden ist eine große Motivation zum Wiederaufbau. In Irpin, das wir besucht haben, gibt es viele Ruinen. Aber die Trümmer sind weggeräumt, und an den Stromleitungen wird schon wieder gearbeitet.
Merz zu Besuch in der Ukraine: „Ich bin voller Trauer“
CDU-Chef Friedrich Merz hat in der Ukraine den Ort Irpin besucht und sich erschüttert über die Opfer des russischen Angriffs gezeigt.
© Quelle: Reuters
Gab es Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen?
Es ist klar, dass es weitere Waffenlieferungen braucht – und zwar schnell. Befürchtet wird, dass die nächste Großoffensive Russlands kurz bevorsteht. Der 9. Mai gilt als Schlüsseldatum. An diesem Tag feiert Russland den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. Fast alle Gesprächspartner befürchten, dass es an diesem Tag zu einer Generalmobilmachung Russlands kommt – und damit zu einer unmittelbaren Eskalation.
Warum?
Russland könnte dann 900.000 zusätzliche Reservisten mobilisieren. Allerdings müsste es auch das Narrativ ändern: Es könnte dann nicht mehr von einer Spezialoperation sprechen, sondern müsste einräumen, dass es sich im Krieg befindet. Da würden dann weitere Schranken fallen.
Was lässt sich dem entgegensetzen?
Wladimir Putin will ein Exempel statuieren – dafür, dass er die Landkarte nach seinem Gutdünken gestalten kann. Wir müssen dem Entschlossenheit entgegensetzen. Es muss ihm klar sein, dass er nicht gewinnen kann. Dafür müssen wir immer ein Stück schneller sein als er, wie bei Hase und Igel.
Erwarten Sie weitere Waffenlieferungen?
Die Bundesregierung hat sich jetzt entschlossen, die Panzerhaubitze 2000 zu liefern. Das ist gut. Wichtig ist, dass die internationalen Lieferungen harmonisiert werden. Alles muss zusammenpassen. Es kann nicht sein, dass die Soldaten im Feld feststellen, dass sie zwar Munition haben, die aber nicht zu ihren Waffen passt. Dazu ist es besser, mal einen Tag länger zu prüfen. Aber entscheidend ist, dass die Ukraine schnell einsatzfähige Waffen erhält.
Eigentlich verhandeln die Ukraine und Russland ja noch. Wie sind die Erfolgsaussichten?
In der Ukraine sieht man die Verhandlungen als Versuch Russlands, Zeit zu gewinnen und die Schwächen der Ukraine zu testen. Es gibt da keine großen Hoffnungen. Erreichen will man einen ukrainisch-russischen Vertrag, der die Grenzen festlegt, sowie Reparationszahlungen und den Umgang mit Kriegsverbrechen regelt.
Umfangreiche russische Attacken auf Bahnlinien und Städte in der Ukraine
Mit dem Beschuss soll offenbar verhindert werden, dass weitere Waffen aus dem Westen in die Ukraine geliefert werden können.
© Quelle: dpa
Welche Erwartungen hat die Ukraine an die EU?
Die Ukrainer hoffen, dass sie in der EU noch in diesem Jahr einen Kandidatenstatus erhalten. Ihnen ist bewusst, dass sie dafür noch einiges tun müssen, unter anderem bei Fragen des Rechtsstaats. Aber sie sind entschlossen, daran zu arbeiten. Außerdem hätten sie gerne Sicherheitsgarantien. Weil sie wissen, dass das mit der Nato schwierig ist, setzen sie auf einen Vertrag mit einigen Staaten, die als Garantiemächte helfen sollen, die Freiheit der Ukraine und ihre Grenzen zu sichern. Das ist auch die Voraussetzung für den Vertrag mit Russland.
Wer soll zu den Garantiemächten gehören? Deutschland?
Das ist noch völlig offen. Die Ukraine möchte Deutschland gerne dabei haben. Aber das muss die Bundesregierung entscheiden. Ich bin sicher, dass Friedrich Merz diese Wünsche weitergeben wird.
Würden die Garantiemächte im Zweifel Kriegspartei, wenn es wieder zu Grenzverletzungen käme?
So weit sind wir noch lange nicht.
Muss Bundeskanzler Olaf Scholz dafür in die Ukraine fahren?
Vielleicht nicht genau dafür. Aber vor Ort ein Signal der Solidarität zu setzen, wäre schon wichtig.
Scholz sagt, die Ausladung des Bundespräsidenten durch die Ukraine sei ein Hindernis.
Ich bin nach unseren Gesprächen in Kiew zuversichtlich, dass es da eine gute Lösung geben wird.
In der Ukraine gibt es auch Angriffe auf Bahnstrecken. Friedrich Merz und Sie sind mit dem Zug nach Kiew gefahren und auch wieder zurück nach Polen. Haben Sie etwas mitbekommen?
Unsere Rückfahrt hat deutlich länger gedauert als geplant. Wir wurden umgeleitet, es gab Stromausfälle und lange Stoppzeiten. Aber es lief alles gut.
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