Kein Öl aus Kasachstan: Linken-Politiker Görke kritisiert Untätigkeit der Bundesregierung
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Die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt benötigt pro Jahr rund zwölf Millionen Tonnen Rohöl, um voll ausgelastet zu sein.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa/Archivbild
Berlin. Der brandenburgische Bundestagsabgeordnete der Linken, Christian Görke, wirft der Bundesregierung schwere Versäumnisse bei der Absicherung der Versorgung der Raffinerie PCK Schwedt mit Rohöl vor. „Niemand hat vonseiten der Bundesregierung bisher ernsthaft mit Kasachstan verhandelt, obwohl das immer wieder behauptet wurde“, sagte Görke am Freitag in Berlin nach seiner Rückkehr von einer dreitägigen Kasachstan-Reise. „Es wurde wertvolle Zeit vertrödelt.“
Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, hatte am 15. Dezember im Bundestag gesagt, dass die Versorgungssicherheit der Raffinerie durch „Lieferungen über Rostock, Polen und Kasachstan gewährleistet werden“ kann. Die seit September unter staatlicher Kontrolle stehende Raffinerie des russischen Rosneft-Konzerns darf ab Januar wegen des deutschen Embargos kein russisches Öl mehr verarbeiten.
Aussage von Kellner laut Görke durch nichts gedeckt
Wochenlang arbeiteten Experten um Kellner an einem Alternativkonzept, das schließlich aus drei Bausteinen bestehen soll: Ausbau der Belieferung durch den Seehafen Rostock über eine vorhandene rund 200 Kilometer lange Pipeline, deren Volumen derzeit jedoch nur zu 50 Prozent ausreicht, um die Verarbeitungskapazität in Schwedt von rund zwölf Millionen Tonnen Rohöl im Jahr zu decken.
Anfang November hatte die PCK‑Raffinerie zudem erstmals Rohöl über den Hafen im polnischen Danzig erhalten, das über die durch Polen laufende russische Pipeline Druschba (Freundschaft) nach Schwedt weitertransportiert wurde. Dazu sagte Kellner, man habe jetzt die Zusage der polnischen Seite über „ausreichende Ölmengen“, die im PCK eine Auslastung von 70 Prozent ermöglichen. Und er fügte hinzu: „Dazu kommen Verträge mit Kasachstan, die die Auslastung der Raffinerie weiter steigern.“
Nach Angaben von Görke ist diese Aussage durch nichts gedeckt. Das sei ihm bei seinen Gesprächen mit dem stellvertretenden kasachischen Energieminister Asset Maganov, mit dem Vorstandsvorsitzenden des staatlichen Ölkonzerns Kaz Munay Gas, Maghsum Myrsaghalijew, und dem Generaldirektor des Netzbetreibers Kaz Trans Oil AG, Talgat Kurmanbaev, versichert worden. „Es gibt bisher nicht einen Vertrag mit Kasachstan, obwohl Herr Kellner anderes behauptet“, sagte Görke, der von 2014 bis 2019 in Brandenburg Finanzminister war.
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Ringen ums Öl: Besuch auf Deutschlands einziger Bohrinsel Mittelplate
Weil die Bundesregierung ab Jahresende kein russisches Öl mehr importieren will, rückt die jahrelang vernachlässigte heimische Förderung wieder in den Fokus. Reserven, diese zu steigern, gäbe es. Die Widerstände allerdings sind groß, wie ein Besuch auf der einzigen deutschen Bohr- und Förderinsel Mittelplate zeigt.
„Mit den Lieferungen aus Kasachstan könnten wir Schwedt wieder voll auslasten“
Wie der Linken-Politiker aus seinen Gesprächen in der Hauptstadt Astana weiter berichtete, sei Kasachstan bereit, rund 5,6 Millionen Tonnen Rohöl jährlich zu liefern, womit eine 50‑prozentige Auslastung Schwedts möglich wäre. „Myrsaghalijew hat mir gesagt, niemand habe bisher mit ihnen verhandelt“, erläuterte Görke. Die Kasachen hätten zudem eine Zusage Russlands eingeholt, dass das Öl ungehindert über die durch Russland verlaufende Pipeline nach Deutschland gelangen könnte.
„Mit den Lieferungen aus Kasachstan könnten wir Schwedt wieder voll auslasten“, sagte Görke, „was für die Versorgungssicherheit des Großraums Berlin bis hin nach Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt rund sieben Millionen Menschen von entscheidender Bedeutung wäre. Ebenso wie die Sicherung der 1200 Arbeitsplätze in der Raffinerie selbst und noch einmal 2000 Jobs bei Zulieferern.“
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Das Werk in Schwedt verarbeitete bislang ausschließlich russisches Erdöl und versorgt Berlin und weite Teile Ostdeutschlands mit Kraftstoffen wie Benzin, Diesel und Heizöl. Im Dezember trat das innerhalb der EU beschlossene Importverbot für russische Öllieferungen über den Seeweg in Kraft. Der Import von Pipelineöl bleibt zwar europaweit weiterhin möglich, die Bundesregierung hatte aber angekündigt, freiwillig bis Ende Dezember vollständig auf russisches Öl verzichten zu wollen.
Nach Görkes Worten könnte Kaz Munay Gas ab Januar eine erste Testcharge von 20.000 Tonnen Öl liefern, bräuchte dazu aber gesicherte Zusagen aus Deutschland. „Hier liegt ein klares Versagen des Bundeswirtschaftsministeriums vor“, sagte Görke und kündigte an, dass die Linke eine Sondersitzung im Bundestagsausschuss für Energie und Klima beantragen wird, indem „die Verantwortlichen Rede und Antwort stehen“ sollen, warum monatelang im Fall Kasachstan nichts geschehen sei.