Lauterbach lobt Beschluss zur Kinderimpfung, aber warnt: „Es wird keine Herdenimmunität in den Schulen geben“
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Die Beschlüsse kommen spät, sind aber wichtig: Karl Lauterbach zu Kinderimpfungen ab zwölf Jahren und Auffrischungsimpfungen.
© Quelle: imago images/photothek
Der Epidemiologe und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zeigte sich erfreut über die Entscheidungen der Gesundheitsminister, Kindern ab zwölf Jahren ein Impfangebot zu machen und Risikogruppen ab September eine Auffrischungsimpfung anzubieten. „Ich bin froh über beide Beschlüsse, denn sie sind sehr wichtig“, so Lauterbach im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er erklärte: „Die Impfungen ab zwölf Jahren werden den Unterricht absichern und den Schutz der Jugendlichen verbessern.“ Außerdem senke die Drittimpfung die Gefahr einer schweren Erkrankung bei Menschen aus der Risikogruppe. „Die Beschlüsse wären noch wertvoller gewesen, wenn sie früher gekommen wären“, merkt Lauterbach an, der selbst auch Impfarzt ist.
„Später hätte die Entscheidung der Gesundheitsminister aber nicht fallen sollen“, erklärt Lauterbach mit Blick auf die Delta-Welle und den Unterrichtsbeginn nach den Sommerferien. „Es war wirklich allerhöchste Zeit, wenn man den beginn des Unterrichts bedenkt”. Die Gesundheitsminister hätten wohl gehofft, dass sich die Impfkommission doch noch für eine Impfung ab zwölf Jahren ausspricht.
Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche: Was heißt das für die Schule?
Der Unterricht in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein hat am Montag begonnen, in Hamburg beginnt die Schule am Donnerstag wieder nach den Sommerferien. Die Schulen stellen sich ganz unterschiedlich auf den Unterricht unter Corona-Bedingungen ein. Klar ist aber, dass eine Entlastung durch die Corona-Impfungen von Kindern ab zwölf Jahren erst in einigen Wochen in Sicht ist.
Ich rechne damit, dass die Zahl der geimpften Jugendlichen schnell stark ansteigen wird.
Karl Lauterbach,
Epidemiologe und SPD-Gesundheitsexperte
Doch auch die bisherigen Maßnahmen seien bei warmen Temperaturen erfolgversprechend: „Jetzt im Sommer werden wir viele Corona-Ausbrüche in den Schulen vor allem durch konsequentes Lüften verhindern können“, schätzt Lauterbach die Situation gegenüber dem RND ein. „Aber ich gehe davon aus, dass immer wieder Kinder in Quarantäne müssen.“ In wenigen Wochen sei aber hoffentlich ein Effekt der Impfungen in den Schulen spürbar. „Ich rechne damit, dass die Zahl der geimpften Jugendlichen schnell stark ansteigen wird“, so der Epidemiologe. Das sei wichtig, denn: „Wenn jetzt schnell viele Jugendliche geimpft werden, können wir große Quarantänefälle vermeiden.“
Wenngleich die Entscheidungen der Gesundheitsminister wichtig seien, dämpft Lauterbach die Hoffnung, dass sich alle Schülerinnen und Schüler impfen lassen. „Es wird keine Herdenimmunität in den Schulen geben. Dafür ist die Impfbereitschaft dann doch zu gering“, so der Experte. Schätzungen zufolge lassen sich 60 Prozent der Jugendlichen impfen, zu wenig für Herdenimmunität.
Es werde sich aber herumsprechen, wenn in einigen Klassen das Coronavirus ausbricht und nicht geimpfte Kinder in Quarantäne müssen, meint Lauterbach. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich Jugendliche impfen lassen, um die Quarantäne zu vermeiden.“ Er glaubt, dass dies auch Eltern von der Impfung ihrer Kinder überzeugen könnte: Das Kind wird nicht krank und muss auch nicht in Quarantäne, wenn andere Kinder erkranken.
Auffrischungsimpfungen: „Ich hatte mir mehr erhofft“
Ab September können Risikopatienten eine dritte Impfung erhalten, die sogenannte „Auffrischungsimpfung“. Lauterbach findet diese Beschluss zwar prinzipiell wichtig, „aber ich hatte mir mehr erhofft“, gibt der Epidemiologe zu. „Bei den Auffrischungsimpfungen hatte ich mir gewünscht, dass nicht nur Risikogruppen eine dritte Impfdosis erhalten“. Lauterbach rechne aber fest damit, dass es bald auch für alle anderen Geimpften die dritte Impfung geben wird. „Das ist wichtig, um die Menschen vor Impfgegnern zu schützen“, macht Lauterbach deutlich.
Auf einen genauen Zeitpunkt, wann die dritte Impfung kommen muss, wollte sich Lauterbach noch nicht festlegen. Aber wenn es mehr Impfdurchbrüche gebe, brauchen Deutschland schnell die dritte Impfung. „Ob die Deltawelle schon im November oder Dezember zu solchen Durchbrüchen führen wird, lässt sich bisher noch nicht abschätzen“, so Lauterbach.
Impfung für Jugendliche: Lenkt die Stiko ein?
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) Thomas Mertens dämpft die Erwartungen an eine schnelle Überarbeitung der Impf-Empfehlung für Jugendliche. “Ich hoffe, dass wir das in den nächsten zehn Tagen schaffen”, sagt Mertens dem „Spiegel“ am Montagabend. Eine grundsätzliche Änderung der Empfehlung könne er aber nicht versprechen. Bislang empfiehlt die Stiko eine Impfung ab zwölf Jahren nur bei bestimmten Vorerkrankungen und nicht für alle Jugendlichen. Die Gesundheitsminister der Länder hatten dagegen am Montag eine allgemeine Impfung empfohlen. Mertens sieht hier aber keinen Gegensatz, sondern erklärt: „Das ist eine politische Entscheidung, es ist die Freiheit der Politik, so etwas im Sinne der allgemeinen Gesundheitsvorsorge anzubieten.“
RND