Lauterbachs Corona-Plan: Diese sieben Punkte sollen Deutschland durch den Herbst bringen
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Legte einen Plan für den Corona-Herbst vor: Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat zur Gesundheitsministerkonferenz von Bund und Ländern eine Corona-Herbststrategie vorgelegt. Das Papier, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt, sieht sieben Punkte vor, um den erwarteten Anstieg der Infektionszahlen im Herbst zu bewältigen. Kostenlose Schnelltests für alle soll es den Plänen zufolge nicht mehr geben.
Drei Szenarien für den Pandemieverlauf im Herbst
Der Expertinnen- und Expertenrat der Bundesregierung sieht laut dem Strategiepapier drei mögliche Szenarien für den Pandemieverlauf im Herbst.
- Im günstigsten Szenario würde im Herbst eine Corona-Variante mit weniger krank machenden Eigenschaften als die aktuell verbreitete Omikron-Variante dominieren. Stärker eingreifende Infektionsschutzmaßnahmen seien dann nicht mehr oder nur zum Schutz von Risikopersonen nötig, so das Bundesgesundheitsministerium.
- Als wahrscheinlicher wird jedoch ein mittelschweres Szenario angesehen, mit einer Krankheitslast, die mit den aktuellen Omikron-Varianten vergleichbar ist. In diesem Szenario wird mit einer Zunahme von Infektionen und Arbeitsausfällen in der gesamten kalten Jahreszeit gerechnet. „Trotz der moderaten Covid-19-Belastung der Intensivmedizin könnten die Arbeitsausfälle erneut flächendeckende Maßnahmen des Übertragungsschutzes (Masken und Abstand in Innenräumen), aber auch Maßnahmen der Kontaktreduktion nach regionaler Maßgabe erforderlich machen“, heißt es im Strategiepapier des Ministeriums.
- Im ungünstigsten Szenario dominiere dagegen „eine neue Virusvariante mit einer Kombination aus verstärkter Immunflucht beziehungsweise Übertragbarkeit und erhöhter Krankheitsschwere“. In diesem Fall würde das Gesundheitssystem schwer belastet und Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsgebot könnten erst im Frühjahr 2023 zurückgefahren werden, schreibt das Ministerium.
Auch im mittelschweren Szenario wäre nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums ohne weitere Maßnahmen von etwa 1500 Corona-Toten pro Woche auszugehen.
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© Quelle: Reuters
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Was wissen wir nun über Long Covid – und was nicht?
Viele Corona-Infizierte haben Monate später noch Symptome. Diese Spätfolgen, auch Long Covid genannt, geben Medizinerinnen und Medizinern nach wie vor viele Rätsel auf. Wen trifft die Diagnose? Wie lange ist man krank? Wo gibt es Hilfe? Sieben Dinge, die wir inzwischen wissen – und vier, hinter denen noch große Fragezeichen stehen.
Das ist der Sieben-Punkte-Plan des Ministeriums:
1. Impfkampagne
Das Ministerium will je nach Verfügbarkeit eine ausreichende Anzahl an die Omikron-Variante angepasster Impfstoffe von den Herstellern Moderna und Biontech anschaffen. Ab September soll dann eine „angepasste Impfkampagne“ durchgeführt werden. Ziel sei es, „die Impflücke zu schließen und die vierte Impfung zu bewerben; insbesondere in der älteren Bevölkerungsgruppe“.
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© Quelle: dpa
2. Testkonzept
Bürgerinnen und Bürger sollen nach einem positiven Schnelltest Zugang zu einem PCR-Test bekommen. Für symptomatische Patienten soll ein PCR-Test in Arztpraxen auch ohne vorherigen Schnelltest möglich sein.
Kostenlose Bürgertests für alle soll es jedoch nicht mehr geben: Lauterbach will sie nur noch für Menschen mit Corona-Symptomen und darüber hinaus für bestimmte Personengruppen ermöglichen. So soll es Präventivtestungen in Pflegeheimen und Krankenhäusern geben, auch Kleinkinder und Personen mit vielen Kontakten, etwa vor einer Großveranstaltung, sollen die Möglichkeit zum Bürgertest haben. Außerdem Menschen mit „einer Kontraindikation zur Impfung“, wie etwa Schwangere in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft. Auch Geflüchteten aus der Ukraine will Lauterbach weiterhin kostenlose Schnelltests ermöglichen, ebenso Menschen in Corona-Hotspots.
Eine gut erreichbare Testinfrastruktur, auch in Apotheken, solle jedoch erhalten bleiben. Der Bund will den Testzentren künftig allerdings weniger Geld pro Antigenschnelltest und PCR-Test für die Bürgerinnen und Bürger zahlen. „Die Gesamtkosten sollen um etwa die Hälfte reduziert werden“, schreibt das Ministerium in seinem Strategiepapier. Die Novelle der Testverordnung solle bis Ende Juni erfolgen.
3. Optimierung der Behandlung
„Da sich die Sterblichkeit maßgeblich durch eine adäquate und rechtzeitige Behandlung reduzieren lässt, ist eine Behandlungsstrategie (u. a. für Paxlovid) unerlässlich“, schreibt das Ministerium. Gegenwärtig würden wirkungsvolle Medikamente zu spät oder zu selten eingesetzt. Deshalb sei der Expertenrat gebeten worden, ein entsprechendes Behandlungskonzept zu entwickeln.
4. Schutz vulnerabler Gruppen
Das Bundesgesundheitsministerium hält ein umfassendes Versorgungs- und Hygienekonzept für Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste in Vorbereitung auf die erwartete Herbstwelle für notwendig. Lauterbach will alle Pflegeeinrichtungen verpflichten, einen Hygienebeauftragten zu etablieren, so wie es bislang in Krankenhäusern bereits der Fall ist. Für die frühzeitige Behandlung mit Medikamenten soll außerdem die Benennung eines Koordinators aus der Fachpflege gesetzlich vorgeschrieben werden.
Es sei das Ziel, Pflegeeinrichtungen weiter für Besuche offen zu halten, heißt es. Es sollen aber Besuchsregeln und Hygieneregeln getroffen werden. Dabei sollen „die drei wirksamen Schutzmaßnahmen ‚Impfen, Testen, Masken‘ für Personal, Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher forciert werden“.
5. Tägliche Daten
Lauterbach will alle Krankenhäuser gesetzlich verpflichten, ihre für das Pandemiemanagement notwendigen Daten über das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) täglich zu melden. Die Meldungen sollen die Intensivkapazität, die Zahl der Corona-Erkrankten auf Normal- und Intensivstationen und die Zahlen der betreibbaren Betten auf Normal- und Intensivstationen enthalten. Eine Nichteinhaltung dieser taggleichen Meldungen soll Lauterbachs Plänen zufolge sanktioniert werden.
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© Quelle: dpa
6. Schutzkonzept für Kinder und Jugendliche
„Kitas und Schulen müssen offen bleiben“, hält das Strategiepapier fest. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen solle eine bundeseinheitliche Empfehlung im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz der Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister sowie Kultusministerinnen und Kultusminister der Länder sowie des Bundes erarbeitet werden. Kinder und Jugendliche sollen außerdem bei der Impfkampagne besonders angesprochen werden.
7. Novelle des Infektionsschutzgesetzes
Das Infektionsschutzgesetz soll dem Papier zufolge „rechtzeitig vor dem 23. September 2022 weiterentwickelt werden“. Dazu würden sowohl die Erkenntnisse der Stellungnahme des Corona-Expertenrats berücksichtigt werden als auch die der Sachverständigenkommission, die bis Ende Juni die bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen evaluiert.
Im Rahmen eines kurzfristigen ersten Schritts will Lauterbach jedoch bereits die Grundlage für die tägliche Meldepflicht der Krankenhäuser und für weitere Verordnungen schaffen. Auch die gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende Einführung von Hygienebeauftragten und Behandlungskoordinatoren in Pflegeeinrichtungen will Lauterbach zeitnah schaffen.
Über die konkreten Inhalte des Infektionsschutzgesetzes soll jedoch erst nach Vorlage des Evaluationsberichts am 30. Juni entschieden werden.