Gegner sprechen von „Justizputsch"

Trotz Aussetzen der Justizreform: Israels Opposition will weiter protestieren

Eine Demonstrantin hält bei Protesten in Tel Aviv gegen die von der Regierung Benjamin Netanjahus geplanten Justizreform eine israelische Flagge.

Eine Demonstrantin hält bei Protesten in Tel Aviv gegen die von der Regierung Benjamin Netanjahus geplanten Justizreform eine israelische Flagge.

Tel Aviv. Trotz des angekündigten Stopps der umstrittenen Justizreform in Israel wollen Gegner der Regierungspläne ihren Protest weiterführen. „Wir werden die Demonstrationen nicht einstellen, bis der Justizputsch vollständig gestoppt ist“, teilten die Organisatoren des Widerstands auf der Straße am späten Montagabend mit.

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Die Ankündigung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diene lediglich dazu, die Bevölkerung hinters Licht zu führen, „um den Protest zu schwächen und dann eine Diktatur zu errichten“. Im Laufe des Dienstags seien mehrere Kundgebungen geplant.

Netanjahu will offenbar Justizreform-Pläne in Israel einfrieren
ARCHIV - 19.03.2023, Israel, Jerusalem: Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, nimmt an der wöchentlichen Kabinettssitzung teil. Netanjahu will sich Medienberichten zufolge am Montag zur umstrittenen Justizreform äußern. (zu dpa "Massenproteste: Netanjahu ruft zu Einheit und gegen Gewalt auf") Foto: Abir Sultan/Pool EPA/AP +++ dpa-Bildfunk +++

In Israel spitzt sich die innenpolitische Krise rund um die umstrittene Justizreform weiter zu.

Netanjahu will „Bürgerkrieg“ vermeiden

Netanjahu hatte am Abend nach massiven Protesten und mehreren Krisengesprächen angekündigt, die Umsetzung der umstrittenen Pläne für einige Wochen auszusetzen, um „Platz für Dialog zu schaffen“ und „einen Bürgerkrieg zu vermeiden“. Seit rund drei Monaten gehen regelmäßig Zehntausende, teils mehrere hunderttausend Menschen gegen das Vorhaben seiner rechts-religiösen Regierung zur Schwächung der unabhängigen Justiz auf die Straßen.

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Der Protest setzte sich bis in die Nacht zum Dienstag landesweit fort. In mehreren Städten kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. In der Küstenstadt Tel Aviv blockierten Demonstranten zeitweise eine wichtige Verbindungsstraße nach Jerusalem. Landesweit gab es bis zum Abend laut Medienberichten zwei Dutzend Festnahmen. Zum Teil setzte die Polizei Blendgranaten und Wasserwerfer ein, um gegen die Demonstranten vorzugehen.

Protestierende und Polizei stoßen bei den Antiregierungsdemonstrationen in Tel Aviv aufeinander. Zum Teil setzte die Polizei Blendgranaten und Wasserwerfer ein.

Protestierende und Polizei stoßen bei den Antiregierungsdemonstrationen in Tel Aviv aufeinander. Zum Teil setzte die Polizei Blendgranaten und Wasserwerfer ein.

Was passiert mit Israel entlassenem Verteidigungsminister Galant?

Am Abend fanden erste Gespräche zwischen Netanjahu und der Opposition statt. Wie mehrere Medien berichteten, traf sich der Regierungschef zunächst mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Benny Gantz. Dieser habe demnach Netanjahu aufgefordert, seinen Nachfolger Joav Galant in dem Amt zu belassen. Dies sei „wesentlich für die nationale Sicherheit“ und könne zur Beruhigung der Lage beitragen.

Netanjahu hatte Galant am Sonntag nach eigenen Angaben entlassen, nachdem der Verteidigungsminister öffentlich zu einem Stopp der Reform ausgerufen hatte. Medienberichten zufolge soll ihm aber bisher noch kein offizielles Entlassungsschreiben übermittelt worden sein.

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Protestierende in Tel Aviv halten ein Schild, auf dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit dem getöteten kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar verglichen wird.

Protestierende in Tel Aviv halten ein Schild, auf dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit dem getöteten kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar verglichen wird.

Will die israelische Opposition überhaupt einen Dialog mit Netanjahu?

Die Opposition in Israel plant aktuell ihr weiteres Vorgehen. Die Oppositionsparteien begannen noch in der Nacht zum Dienstag mit der Bildung von Verhandlungsteams. Die Ankündigung des Netanjahus schien einige der Spannungen zu beruhigen, gelöst sind die grundlegenden Probleme aber nicht. Oppositionspolitiker telefonierten bis in die Nacht hinein und benannten Arbeitsgruppen.

Es herrschte Unstimmigkeit darüber, ob ein Dialog mit Netanjahus Regierung aufgenommen werden sollte. Oppositionsführer Jair Lapid zeigte sich grundsätzlich gesprächsbereit. „Wenn die Gesetzgebung wirklich und vollständig gestoppt wird, sind wir bereit, einen echten Dialog in der Residenz des Präsidenten zu beginnen“, teilte Lapid mit. Gleichwohl ließ er Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Netanjahus Angebot durchblicken.

Die Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, Meirav Michaeli, sah wenig Grund zu einem Kompromiss im Sinne des Ministerpräsidenten. „Der Kampf und der Protest müssen fortgesetzt und intensiviert werden“, betonte sie. Netanjahu wolle mit seinem Aussagen nur Zeit schinden, letztlich aber genau das umsetzen, wovor so viele Menschen im Land Angst hätten.

Generalstreik beendet - Normalbetrieb erwartet

Nachdem am Montag wegen eines Generalstreiks aus Protest gegen die Reform weite Teile des Wirtschaftslebens stillstanden, wurde am Dienstag eine Rückkehr zum normalen Betrieb erwartet. So teilte die israelische Flughafenbehörde mit, dass es am Flughafen Ben Gurion wieder ganz normal Starts und Landungen geben werde. Die Arbeitergewerkschaft hatte sich am Montag an einem landesweiten Streik beteiligt, was zu etlichen Flugausfällen führte. Auch zahlreiche Arbeitnehmer weiterer Branchen hatten ihre Arbeit nach dem Aufruf des Dachverbands der Gewerkschaften niedergelegt.

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Justizminister Buschmann besorgt wegen Justizreform in Israel

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kritisierte die Reformpläne von Israels Regierung. Zu einer liberalen Demokratie gehöre eine unabhängige Justiz, etwa unabhängige Gerichte - diese seien in Israel gefährdet. „Diejenigen, die berufen sind, der Mehrheit Grenzen aufzuzeigen, sind Richterinnen und Richter. Durch die Justizreform in Israel drohen sie in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt zu werden und damit in ihrer wichtigen Funktion, der Mehrheit Grenzen aufzuzeigen“, sagte er dem Nachrichtenportal „Watson“ am Dienstag. Er habe sich die Argumente beider Lager angehört und „gerade als Freund Israels“ mache sich Buschmann große Sorgen wegen der Justizreformen.

Die liberale Demokratie stehe allerdings weltweit unter Druck, sagte der FDP-Politiker. „Teilweise gibt es einen Trend zum autoritären Denken. Deshalb müssen wir umso mehr dafür werben, die Prinzipien der liberalen Demokratie zu verteidigen.“ Dafür setze er sich ein, verwies allerdings auch auf die Wichtigkeit dessen innerhalb Deutschlands: „Wir müssen auch in unserem eigenen Verantwortungsbereich immer wieder zeigen, dass Freiheit und Grundrechte ein wichtiger Teil unserer Identität sind“, sagte Buschmann.

RND/dpa

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